Wie Rechtsextreme ein Dorf unterwandern
Im brandenburgischen Lindenau hat sich ein bekannter Neonazi niedergelassen. Er führt eine Gaststätte, betreibt einen Versandhandel und engagiert sich im Dorfleben. Mit seiner rechtsextremen Gesinnung haben die meisten Dorfbewohner kein Problem.
Warm-gelb leuchten die Wände der alten Kirche in der Sonne, kräftig rot scheint das Dach. Die Pfarrerin wartet vor dem Portal, reicht jedem Besucher die Hand. In der Linken hält sie einen Stapel Hefte. "350 Jahre Heilandskirche Lindau. Festschrift" steht darauf. Kirchlicher Feiertag. Im kleinen Örtchen Lindenau, ganz im Süden Brandenburgs.
Bürgermeister Jürgen Bruntsch kommt mit Gattin über den Sandweg, schüttelt die Hand, kauft eine Festschrift, seine Frau zahlt. "Gebe Gott, dass sie alle gläubig und selig werden", steht knallrot auf der ersten Seite. Das Kirchen-Jubiläum ist einer der Höhepunkt des Jahres hier in Lindenau, einer kleinen Kommune mit gerade mal 750 Einwohnern in der Oberlausitz an der Grenze zu Sachsen.
Als der Bürgermeister das Mikrofon des Reporters sieht, verzieht er leicht das Gesicht. Jürgen Bruntsch spricht seit geraumer Zeit nicht mehr gerne mit der Presse. Vor allem nicht, seit die berichtet hat, dass ein bekannter Neonazi in seinem Ort investiert hat. Seit gut einem Jahr besitzt der die einzige Gaststätte in Lindenau samt Pizzeria. In den Räumen daneben betreibt er einen bundesweiten Versandhandel für rechtsextreme Szene-Musik und -Bekleidung.
Immer mehr Besucher kommen in die Kirche. Vor dem Altar haben sich die vier Geschwister Dombrowe mit ihren Instrumenten aufgebaut. Sie singen vom Durchalten, vom Gottvertrauen, vom Mut haben.
Bürgermeister Jürgen Bruntsch kommt mit Gattin über den Sandweg, schüttelt die Hand, kauft eine Festschrift, seine Frau zahlt. "Gebe Gott, dass sie alle gläubig und selig werden", steht knallrot auf der ersten Seite. Das Kirchen-Jubiläum ist einer der Höhepunkt des Jahres hier in Lindenau, einer kleinen Kommune mit gerade mal 750 Einwohnern in der Oberlausitz an der Grenze zu Sachsen.
Als der Bürgermeister das Mikrofon des Reporters sieht, verzieht er leicht das Gesicht. Jürgen Bruntsch spricht seit geraumer Zeit nicht mehr gerne mit der Presse. Vor allem nicht, seit die berichtet hat, dass ein bekannter Neonazi in seinem Ort investiert hat. Seit gut einem Jahr besitzt der die einzige Gaststätte in Lindenau samt Pizzeria. In den Räumen daneben betreibt er einen bundesweiten Versandhandel für rechtsextreme Szene-Musik und -Bekleidung.
Immer mehr Besucher kommen in die Kirche. Vor dem Altar haben sich die vier Geschwister Dombrowe mit ihren Instrumenten aufgebaut. Sie singen vom Durchalten, vom Gottvertrauen, vom Mut haben.
Kaum jemand aus dem Dorf will sich äußern
Den Mut, öffentlich über den rechten Investor in ihrem Ort zu reden, haben hier in Lindenau nur wenige. Die Pfarrerin sagt erst zu, dann wieder ab. Sie habe sich mit ihrem Vorgesetzten beraten. Später könne man reden, vielleicht. Aber nicht jetzt.
Dabei wird eigentlich viel geredet. Im und über den Ort. Über den neuen Mitbürger, dessen Name Sebastian Raack ist. Selbst der Verfassungsschutz war hier und hat vor dem neuen Investor gewarnt. Während die Dombrowe-Geschwister in der Kirche den himmlischen Beistand preisen, läuft weniger hundert Meter weiter das Geschäft von Sebastian Raack. In der Parkgaststätte gibt es Pizza, Kaffee und Bier und am Wochenende Fußball-Bundesliga live auf dem Großbildschirm. An der Wand hängen Fotos von Dynamo Dresden, Fußballdevotionalien.
Einige Räume weiter, unter derselben Hausnummer, vertreibt Raack seine Sportkollektion. "Greifvogel-Wear" heißt das Label, das seinen Sitz in Lindenau hat und übers Internet beworben wird.
Im Werbevideo stemmen grimmig blickende, muskelgestählte Männer Gewichte, dazu wandern Worte über den Bildschirm: "DER WILLE BESTIMMT DIE BEWEGUNG", "BLUT UND EISEN", "GEGEN DIE MODERNE WELT". Während das Werbevideo im Internet martialisch für Kampf und Klamotten wirbt, trabt Sebastian Raack in lockerem Tempo über den Sportplatz.
Dabei wird eigentlich viel geredet. Im und über den Ort. Über den neuen Mitbürger, dessen Name Sebastian Raack ist. Selbst der Verfassungsschutz war hier und hat vor dem neuen Investor gewarnt. Während die Dombrowe-Geschwister in der Kirche den himmlischen Beistand preisen, läuft weniger hundert Meter weiter das Geschäft von Sebastian Raack. In der Parkgaststätte gibt es Pizza, Kaffee und Bier und am Wochenende Fußball-Bundesliga live auf dem Großbildschirm. An der Wand hängen Fotos von Dynamo Dresden, Fußballdevotionalien.
Einige Räume weiter, unter derselben Hausnummer, vertreibt Raack seine Sportkollektion. "Greifvogel-Wear" heißt das Label, das seinen Sitz in Lindenau hat und übers Internet beworben wird.
Im Werbevideo stemmen grimmig blickende, muskelgestählte Männer Gewichte, dazu wandern Worte über den Bildschirm: "DER WILLE BESTIMMT DIE BEWEGUNG", "BLUT UND EISEN", "GEGEN DIE MODERNE WELT". Während das Werbevideo im Internet martialisch für Kampf und Klamotten wirbt, trabt Sebastian Raack in lockerem Tempo über den Sportplatz.
"Er macht doch nix Verbotenes"
Gerade kickt eine Herrenmannschaft von Blau-Weiß Lindenau. Unweit des prächtigen Schlosses, das langsam verfällt, weil ein Investor sich nicht an die Absprachen gehalten hat.
Sebastian Raack trägt die Nummer 2 auf dem Trikot. Er stürmt heute rechtsaußen. Auf dem Platz wie auch im Leben. Normalerweise spielt er bei Lindenau aber in der Abwehr. Auf der Parkbank, unter einer alten Eiche, sitzen drei Männer, verfolgen interessiert das Spiel und trinken Bier. Sie sind sauer - auf die Medien.
Sebastian Raack trägt die Nummer 2 auf dem Trikot. Er stürmt heute rechtsaußen. Auf dem Platz wie auch im Leben. Normalerweise spielt er bei Lindenau aber in der Abwehr. Auf der Parkbank, unter einer alten Eiche, sitzen drei Männer, verfolgen interessiert das Spiel und trinken Bier. Sie sind sauer - auf die Medien.
"Der hat die Gaststätte, der hat so viel gemacht. Da muss man sagen, da wird so viel Falsches oder fokussiert berichtet, das finde ich völlig verkehrt. Was die machen mit der Gaststätte, das ist ja alles Quatsch, was die erzählen. Oder vieles. Er hat seine Wurzeln hier. Sein Urgroßvater hat in Lindenau gewohnt."
"Er macht doch nix Verbotenes", das sagen sie mehr als einmal. Sonst wäre doch die Polizei längst hier gewesen. Im Gegenteil: Seit Raack hier aufgetaucht ist, bewege sich endlich wieder etwas im Ort. Eigentlich stören nur die Journalisten mit ihren Nachfragen.
"20 Jahre ist das Dorf kulturell fast am Ende gewesen. Jetzt bewegt sich wenigstens wieder was. Einmal wenigstens ist im Monat eine Tanzveranstaltung. Das hat es ewig nicht gegeben. Die denken anders, die Jungs, das ist eine andere Geschichte, eine gute Demokratie kann damit umgehen."
Der Verfassungsschutz warnte erfolglos
In Potsdam eilt Michael Hüllen über die langen Flure des Landesamtes für Verfassungsschutz. Es gibt zurzeit technische Probleme mit dem Besprechungsraum, darum bittet er, ausnahmsweise, in sein Büro.
An der Wand moderne Kunst, im Regal Verfassungsschutzberichte, Packungen mit Kaffeetaps und Teebeuteln, dazwischen einige Mineralwasserflaschen. Wenn Michael Hüllen hier sitzt, dann hat er die Entwicklung des Extremismus immer vor Augen. "Extremograph" steht über einem großen Plakat an der Wand.
"Der Extremograph ist eine grafische Darstellung der extremistischen Entwicklungen oder des extremistischen Ist-Standes im Land Brandenburg. Wir sehen erstmal hier tatsächlich alle extremistischen Strömungen abgebildet und dann natürlich die einzelnen Strukturen."
Hüllen fährt sich mit der rechten Hand durch den grauen Bart, erläutert die Symbole. Ein Notenschlüssel steht für rechtsextreme Liedermacher, eine Gitarre für rechtsextreme Bands, ein stilisiertes Unisex-Männchen bedeutet bis zu 29 gewaltbereite Rechtsextremisten, zwei Männchen stehen für bis zu 60. Die Oberlausitz rund um Lindenau war auf der Landkarte schon immer ein Schwerpunkt.
Vor vier Jahren gab es die ersten Hinweise, erinnert sich Hüllen. Sie kamen von sächsischen Kollegen. Die beobachteten schon seit langem Sebastian Raack. Ursprünglich hatte er seinen Firmensitz in Dresden. Er war Mitglied des mittlerweile verbotenen rechtsextremen Netzwerkes "Blood and Honour" und hat bis heute sehr gute Kontakte in die Hooligan- und Kampfsportszene. Bei manchen ihrer Veranstaltungen, wie etwa dem "Kampf der Nibelungen", trat er als Sponsor auf.
An der Wand moderne Kunst, im Regal Verfassungsschutzberichte, Packungen mit Kaffeetaps und Teebeuteln, dazwischen einige Mineralwasserflaschen. Wenn Michael Hüllen hier sitzt, dann hat er die Entwicklung des Extremismus immer vor Augen. "Extremograph" steht über einem großen Plakat an der Wand.
"Der Extremograph ist eine grafische Darstellung der extremistischen Entwicklungen oder des extremistischen Ist-Standes im Land Brandenburg. Wir sehen erstmal hier tatsächlich alle extremistischen Strömungen abgebildet und dann natürlich die einzelnen Strukturen."
Hüllen fährt sich mit der rechten Hand durch den grauen Bart, erläutert die Symbole. Ein Notenschlüssel steht für rechtsextreme Liedermacher, eine Gitarre für rechtsextreme Bands, ein stilisiertes Unisex-Männchen bedeutet bis zu 29 gewaltbereite Rechtsextremisten, zwei Männchen stehen für bis zu 60. Die Oberlausitz rund um Lindenau war auf der Landkarte schon immer ein Schwerpunkt.
Vor vier Jahren gab es die ersten Hinweise, erinnert sich Hüllen. Sie kamen von sächsischen Kollegen. Die beobachteten schon seit langem Sebastian Raack. Ursprünglich hatte er seinen Firmensitz in Dresden. Er war Mitglied des mittlerweile verbotenen rechtsextremen Netzwerkes "Blood and Honour" und hat bis heute sehr gute Kontakte in die Hooligan- und Kampfsportszene. Bei manchen ihrer Veranstaltungen, wie etwa dem "Kampf der Nibelungen", trat er als Sponsor auf.
Immer knapp an der Strafbarkeitsgrenze
"Das ist bundesweit einer der größten rechtsextremistischen Versender, auch entsprechend vernetzt, bis hin zur rechtsextremistischen Partei, der Dritte Weg, die ja tatsächlich von der Programmatik auch stark nationalsozialistisch geprägt ist."
Als Raack begann, im südlichen Brandenburg nach Immobilien zu suchen, schrillten bei den Verfassungsschützern die Alarmglocken. Der brandenburgische Verfassungsschutz kontaktierte den Bürgermeister von Lindenau, um vor dem potenziellen Investor zu warnen. Bei Bürgermeister und Gemeinderat, sagt der Verfassungsschützer, sind wir mit unseren Warnungen kaum durchgedrungen. Schließlich fuhr er selbst nach Lindenau, um vor Ort aufzuklären.
"Ich habe tatsächlich einen Vortrag in der ansässigen Grundschule in Großkmehlen gehalten, weil es natürlich erstmal die erste Pflicht ist, natürlich die Lehrer vor Ort und die Eltern zu informieren."
Er habe ein großes Informationsbedürfnis erlebt, sagt Hüllen. Und auch Erschütterung als er berichtet, dass im Shop unter anderem ein T-Shirt mit der Aufschrift "I love NS" verkauft werde. Eine wohlkalkulierte Provokation. Die rechte Szene freut sich über das Symbol, Ermittlungsbehörden bekommen eine verharmlosende Erklärung zu hören, etwa, "NS" stehe für Nord-Sachsen. In den letzten Jahren hat die rechtsextreme Versandszene diesen kalkulierten Tabubruch perfektioniert. Das öffentliche Geschäft läuft knapp unter der Strafbarkeitsgrenze. In Lindenau scheint das kaum jemanden zu stören.
Als Raack begann, im südlichen Brandenburg nach Immobilien zu suchen, schrillten bei den Verfassungsschützern die Alarmglocken. Der brandenburgische Verfassungsschutz kontaktierte den Bürgermeister von Lindenau, um vor dem potenziellen Investor zu warnen. Bei Bürgermeister und Gemeinderat, sagt der Verfassungsschützer, sind wir mit unseren Warnungen kaum durchgedrungen. Schließlich fuhr er selbst nach Lindenau, um vor Ort aufzuklären.
"Ich habe tatsächlich einen Vortrag in der ansässigen Grundschule in Großkmehlen gehalten, weil es natürlich erstmal die erste Pflicht ist, natürlich die Lehrer vor Ort und die Eltern zu informieren."
Er habe ein großes Informationsbedürfnis erlebt, sagt Hüllen. Und auch Erschütterung als er berichtet, dass im Shop unter anderem ein T-Shirt mit der Aufschrift "I love NS" verkauft werde. Eine wohlkalkulierte Provokation. Die rechte Szene freut sich über das Symbol, Ermittlungsbehörden bekommen eine verharmlosende Erklärung zu hören, etwa, "NS" stehe für Nord-Sachsen. In den letzten Jahren hat die rechtsextreme Versandszene diesen kalkulierten Tabubruch perfektioniert. Das öffentliche Geschäft läuft knapp unter der Strafbarkeitsgrenze. In Lindenau scheint das kaum jemanden zu stören.
Hüllen blickt noch einmal auf den Extremographen. In der nächsten Ausgabe wird ein kleines Häuschen in Lindenau stehen müssen. Das steht für "rechtsextremistisch genutzte Immobilie". Vor allem die Verbindung von Versandhandel, Musik und Kampfsport macht dem Verfassungsschützer Sorgen. Denn da sind die Kunden oft rechtsextrem, gut trainiert und kampfbereit.
"Und damit bedient er ganz bestimmte Zielgruppen. Und zwar sind das Hooligans und das ist so die Übergangsszene vom Kampfsport zur Rockerszene. Das sind so die Bereiche, die er da bedient und mit denen er intensiv dann auch zusammenarbeitet. Das ist eine Mischszene, die tatsächlich auch gefährlich werden kann."
"Und damit bedient er ganz bestimmte Zielgruppen. Und zwar sind das Hooligans und das ist so die Übergangsszene vom Kampfsport zur Rockerszene. Das sind so die Bereiche, die er da bedient und mit denen er intensiv dann auch zusammenarbeitet. Das ist eine Mischszene, die tatsächlich auch gefährlich werden kann."
Der Neonazi sponsert das Parkfest
Lindenau, Parkfest. Ein weiterer Höhepunkt der Feier-Saison in dem 750 Seelen-Örtchen. Im Festzelt klettert Bürgermeister Bruntsch auf die Bühne.
"Ich möchte auch noch einmal im Namen der Gemeinde mich bei allen Organisatoren dieses Festes bedanken, insbesondere bei den Sponsoren des Festes, die haben einen ganz wichtigen Part dabei, dass man sich so etwas leisten kann."
An der Wand zum Festzelt wirbt ein großes Banner für die Pizzeria von Sebastian Raack. Auch er ist einer der Sponsoren. Nur dank seiner Unterstützung, so ist zu hören, konnte das Fest in diesem Umfang überhaupt stattfinden.
"Ich möchte auch noch einmal im Namen der Gemeinde mich bei allen Organisatoren dieses Festes bedanken, insbesondere bei den Sponsoren des Festes, die haben einen ganz wichtigen Part dabei, dass man sich so etwas leisten kann."
An der Wand zum Festzelt wirbt ein großes Banner für die Pizzeria von Sebastian Raack. Auch er ist einer der Sponsoren. Nur dank seiner Unterstützung, so ist zu hören, konnte das Fest in diesem Umfang überhaupt stattfinden.
Es brauchte einige Anläufe, um den Bürgermeister zum Interview zu bewegen. Jetzt aber klappt es doch am Rande des Festes. Bruntsch bittet unter eine große Eiche, die steht etwas abseits.
Seit zehn Jahren ist der parteilose Bruntsch hier Bürgermeister, kämpft unermüdlich mit den Widrigkeiten der geografischen Randlage. Die Arbeitslosigkeit liegt unter fünf Prozent, das ist die gute Nachricht. Das imposante Barockschloss im Park riss sich ein Spekulant unter den Nagel, jahrelang lief der Rechtsstreit. Das ist eine schlechte Nachricht. Und dann ging auch noch die einzige Dorfgaststätte pleite.
Der Bürgermeister findet: Alles in Ordnung
"Eine ordentliche Gaststätte, die gehört einfach zum Ort dazu. Und es gibt nicht irgendwie groß die Auswahl, dass man als Gemeinde sagen kann: Wir haben hier zehn Bewerber und suchen uns den Genehmsten aus. Es war die Situation, wo sich einer dafür interessiert hat, die offiziell übers Gericht erworben hat bei einer Zwangsversteigerung."
Und da darf schließlich jeder mitbieten. Dass der Verfassungsschutz vor dem neuen Eigentümer gewarnt hatte, das hat Bürgermeister Bruntsch so nicht verstanden.
"Es gab mit dem Verfassungsschutz Gespräche, mit der Polizei. Dort wurde uns zugesichert, dass es keinerlei rechtliche Bedenken gibt."
Alles in Ordnung mit dem rechtsextremen Versandhandel. So kam die Botschaft in Lindenau an. Und sie wurde gleich noch, so erinnert sich Bruntsch, von Sebastian Raack verstärkt. Der erschien, ganz der fürsorgliche Investor, vor dem Gemeinderat. Und verkündete:
"Dass er gewillt ist, zu investieren und einen wesentlichen Beitrag für das Dorfleben zu leisten. Und in keiner Weise irgendwie parteipolitisch aktiv zu werden in der Richtung, dass es irgendwelche Ansammlungen von rechtsorientierten Gruppen gibt oder so was. Wie gesagt, dass hat er dort in der Versammlung bekundet."
Und da darf schließlich jeder mitbieten. Dass der Verfassungsschutz vor dem neuen Eigentümer gewarnt hatte, das hat Bürgermeister Bruntsch so nicht verstanden.
"Es gab mit dem Verfassungsschutz Gespräche, mit der Polizei. Dort wurde uns zugesichert, dass es keinerlei rechtliche Bedenken gibt."
Alles in Ordnung mit dem rechtsextremen Versandhandel. So kam die Botschaft in Lindenau an. Und sie wurde gleich noch, so erinnert sich Bruntsch, von Sebastian Raack verstärkt. Der erschien, ganz der fürsorgliche Investor, vor dem Gemeinderat. Und verkündete:
"Dass er gewillt ist, zu investieren und einen wesentlichen Beitrag für das Dorfleben zu leisten. Und in keiner Weise irgendwie parteipolitisch aktiv zu werden in der Richtung, dass es irgendwelche Ansammlungen von rechtsorientierten Gruppen gibt oder so was. Wie gesagt, dass hat er dort in der Versammlung bekundet."
"Wir beherrschen die Situation"
Die meisten Gemeindevertreter glaubten ihm. Und bisher, sagt der Bürgermeister, habe sich Raack an seine Ankündigungen gehalten.
So freigiebig sich Raack in Lindenau zeigt, gegenüber Medienvertretern ist er zurückhaltend. Auf mehrfache Interviewanfragen per Telefon und Mail reagierte er nicht. Raack konzentriert sich lieber aufs Geschäft:
"Es ist nicht so, dass wir irgendwie, dass wir diese Sache unbedingt gutheißen, dass rechtsradikale Musik verbreitet wird oder rechtsradikalen Strömungen aktiv sind. Wir sind eindeutig gegen solche Sachen. Aber wir denken, wir beherrschen die Situation, wir können es soweit einschätzen, wir sind alle erwachsene Menschen."
Jürgen Bruntsch weiß noch nicht, ob er im nächsten Jahr noch einmal als Bürgermeisterkandidat antreten wird. Er weiß aber, dass Sebastian Raacks Zukunft in Lindenau erst begonnen hat.
"Es ist nicht so, dass wir irgendwie, dass wir diese Sache unbedingt gutheißen, dass rechtsradikale Musik verbreitet wird oder rechtsradikalen Strömungen aktiv sind. Wir sind eindeutig gegen solche Sachen. Aber wir denken, wir beherrschen die Situation, wir können es soweit einschätzen, wir sind alle erwachsene Menschen."
Jürgen Bruntsch weiß noch nicht, ob er im nächsten Jahr noch einmal als Bürgermeisterkandidat antreten wird. Er weiß aber, dass Sebastian Raacks Zukunft in Lindenau erst begonnen hat.
Das mobile Beratungsteam ist ratlos
Vor dem Büro von Markus Klein lärmt seit Monaten eine große Baustelle. Das nervt, sagt der Enddreißiger. Und macht die Arbeit noch anstrengender. Dabei braucht Klein zurzeit gute Nerven. Er ist Geschäftsführer von "Demos", dem Brandenburgischen Institut für Gemeinwesenberatung.
"Wir unterstützen Leute vor Ort in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und Demokratieentwicklung."
Vor einigen Wochen hat er sich mit dem Verfassungsschutzchef getroffen, kürzlich erst SPD-Abgeordnete beraten. Viele treibt die Frage um: Wie tickt der ländliche Raum. Genauer: wie rechts? Viele Politiker sind verunsichert, suchen Rat.
Die Stimmung hat sich verändert, das erleben die 15 Berater, die in Brandenburg unterwegs sind, tagtäglich. Früher Unsagbares wird mittlerweile offen ausgesprochen. Vermeintliches Gutmenschentum erntet Kopfschütteln, neue Gesellschaftsideen Unverständnis. Und nicht nur das.
"Wir haben in der Vergangenheit, nicht nur Lindenau, viele Beispiele, wo wir Schwierigkeiten hatten, Akteure zu finden, die von uns beraten werden wollten. Wenn wir das vor Ort nicht vorfinden, sind natürlich unsere Möglichkeiten auch beschränkt als Beratungsinstitution."
Ein Teil der Bevölkerung sympathisiert. Ein anderer schweigt. Der Diskurs wird von Rechtsaußen dominiert. Schwierige Zeiten für die Berater, wenn sich niemand beraten lassen will und die vielbeschworene Zivilgesellschaft nicht mehr sichtbar wird. Doch, es gibt diese durchaus in Lindenau, ist zu hören. Nur eben nicht öffentlich. Eher versteckt. Die Demos-Berater, die vor Ort waren, möchten dazu lieber nichts sagen. "Man wolle kein Öl ins Feuer gießen", heißt es und die wenigen Kontakte, die es noch gebe, nicht gefährden.
"Wir unterstützen Leute vor Ort in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und Demokratieentwicklung."
Vor einigen Wochen hat er sich mit dem Verfassungsschutzchef getroffen, kürzlich erst SPD-Abgeordnete beraten. Viele treibt die Frage um: Wie tickt der ländliche Raum. Genauer: wie rechts? Viele Politiker sind verunsichert, suchen Rat.
Die Stimmung hat sich verändert, das erleben die 15 Berater, die in Brandenburg unterwegs sind, tagtäglich. Früher Unsagbares wird mittlerweile offen ausgesprochen. Vermeintliches Gutmenschentum erntet Kopfschütteln, neue Gesellschaftsideen Unverständnis. Und nicht nur das.
"Wir haben in der Vergangenheit, nicht nur Lindenau, viele Beispiele, wo wir Schwierigkeiten hatten, Akteure zu finden, die von uns beraten werden wollten. Wenn wir das vor Ort nicht vorfinden, sind natürlich unsere Möglichkeiten auch beschränkt als Beratungsinstitution."
Ein Teil der Bevölkerung sympathisiert. Ein anderer schweigt. Der Diskurs wird von Rechtsaußen dominiert. Schwierige Zeiten für die Berater, wenn sich niemand beraten lassen will und die vielbeschworene Zivilgesellschaft nicht mehr sichtbar wird. Doch, es gibt diese durchaus in Lindenau, ist zu hören. Nur eben nicht öffentlich. Eher versteckt. Die Demos-Berater, die vor Ort waren, möchten dazu lieber nichts sagen. "Man wolle kein Öl ins Feuer gießen", heißt es und die wenigen Kontakte, die es noch gebe, nicht gefährden.
In Lindenau ist der rechte Unternehmer angesehen
"Das ist manchmal eine harte Sache: Wenn wir niemanden haben, der beraten werden will, dann kann man auch wirklich nicht handeln und müssen manchmal auch zugucken und abwarten, bis sich die Gelegenheit ergibt und Leute sagen, so jetzt reicht´s und wir holen uns nochmal Unterstützung."
In Lindenau aber reicht es scheinbar noch lange nicht. Im Gegenteil. Der rechte Unternehmer ist hoch angesehen. Seine Kneipe gut besucht.
"Die Leute sehen in ihm natürlich nicht den rechtsextremen Unternehmer, der sein Geld damit verdient, rechtsextreme, fremdenfeindliche, menschenverachtende Ideologie zu verbreiten. Aber ich muss mich natürlich schon fragen als Ort, inwiefern ich Geld nehme, das mit so einer Tätigkeit erwirtschaftet wird. Oder will ich mit diesem Geld überhaupt etwas zu tun haben."
Eine Frage, die Lindenaus Kommunalpolitiker eindeutig beantwortet haben. Markus Klein faltet die Hände. Er weiß, wie schnell sich rechte Einfluss-Räume ausbreiten können über Arbeitsplätze, Mitarbeit in Vereinen. So deutlich wie in Lindenau war das aber in Brandenburg noch nie zu sehen.
In Lindenau aber reicht es scheinbar noch lange nicht. Im Gegenteil. Der rechte Unternehmer ist hoch angesehen. Seine Kneipe gut besucht.
"Die Leute sehen in ihm natürlich nicht den rechtsextremen Unternehmer, der sein Geld damit verdient, rechtsextreme, fremdenfeindliche, menschenverachtende Ideologie zu verbreiten. Aber ich muss mich natürlich schon fragen als Ort, inwiefern ich Geld nehme, das mit so einer Tätigkeit erwirtschaftet wird. Oder will ich mit diesem Geld überhaupt etwas zu tun haben."
Eine Frage, die Lindenaus Kommunalpolitiker eindeutig beantwortet haben. Markus Klein faltet die Hände. Er weiß, wie schnell sich rechte Einfluss-Räume ausbreiten können über Arbeitsplätze, Mitarbeit in Vereinen. So deutlich wie in Lindenau war das aber in Brandenburg noch nie zu sehen.
Der Nachbarort ist wehrhafter
In Ortrand, einem Nachbarort von Lindenau, nur fünf Kilometer entfernt, geht Niko Gebel über den kopfsteingepflasterten Rathausplatz zwischen den Marktständen hindurch. Rund 2400 Menschen leben hier.
Niko Gebel blickt zufrieden über den Altmarkt. In der Mitte eine historische sächsischen Postsäule, drum herum neoklassizistische Gebäude. Dazwischen das Rathaus mit goldenen Lettern an der Fassade. Gleich gegenüber steht ein Hotel, auch neoklassizistisch, mit vier Säulen an der Fassade.
"Das war eine Gaststätte, da haben verschiedene Familienfeiern stattgefunden, wie das denn so ist, in der Gaststätte. Und ein Hotel."
Niko Gebel blickt zufrieden über den Altmarkt. In der Mitte eine historische sächsischen Postsäule, drum herum neoklassizistische Gebäude. Dazwischen das Rathaus mit goldenen Lettern an der Fassade. Gleich gegenüber steht ein Hotel, auch neoklassizistisch, mit vier Säulen an der Fassade.
"Das war eine Gaststätte, da haben verschiedene Familienfeiern stattgefunden, wie das denn so ist, in der Gaststätte. Und ein Hotel."
Das Hotel gehört jetzt Sebastian Raack. Etwas frustriert schüttelt der CDU-Bürgermeister den Kopf. Immerhin, sagt er, konnten wir Schlimmeres verhindern. Denn zuerst interessierte sich Raack für ein anderes Objekt im Ort. Ein noch bekannteres Haus, wo zu DDR-Zeiten etliche Rockbands ihre Karriere begannen.
Die misstrauischen Besitzer fragten bei der Stadtverwaltung nach. Die klärte über die Person des potenziellen Käufers auf. Daraufhin verkauften die Besitzer an einen anderen Interessenten.
Flagge zeigen zeigt Wirkung
Dass er anonym als "Volksfeind" beschimpft wird, daran hat sich Bürgermeister Gebel gewöhnt. Das ermuntert mich eher, Flagge zu zeigen, sagt er. Das Verhalten seines Amtskollegen in Lindenau möchte er nicht kommentieren. Über Jahre tauchte Ortrand im Verfassungsschutzbericht auf. Vor allem die Fußballszene machte Schlagzeilen, die Spiele auch schon mal mit "Sieg Heil-Rufen" begleitete.
Die Kommunalpolitik organisierte schließlich den Widerstand: 17 Vereine unterzeichneten gemeinsam eine Erklärung gegen Menschenfeindlichkeit und Extremismus. Jetzt ist es ruhig am Fußballplatz. Etliche Spieler, so ist zu hören, wechselten nach Lindenau. Niko Gebel blickt hinüber zum Deutschen Haus. Sebastian Raack konnte dieses Objekt kaufen, ohne dass die Kommune etwas bemerkte. Während des Lindenauer Parkfestes waren einige Zimmer belegt. Gelegentlich werden hier Monteure untergebracht, berichten Anwohner. Und ab und zu gab es schon Besuch von Raacks Gesinnungsgenossen.
"Aber ich weiß, dass die AfD war dort regelmäßig zu Gast. Und hat dort regelmäßig ihre Informationsveranstaltungen abgehalten, das ist das, was mir bekannt ist."
Neue Räume für den rechten Rand. Hass-Musik und rechte Politik, Kampfsport, Bier und Pizza. Alles vereint in einer Region zu einem extremen rechten Geschäftsmodell.
Die Kommunalpolitik organisierte schließlich den Widerstand: 17 Vereine unterzeichneten gemeinsam eine Erklärung gegen Menschenfeindlichkeit und Extremismus. Jetzt ist es ruhig am Fußballplatz. Etliche Spieler, so ist zu hören, wechselten nach Lindenau. Niko Gebel blickt hinüber zum Deutschen Haus. Sebastian Raack konnte dieses Objekt kaufen, ohne dass die Kommune etwas bemerkte. Während des Lindenauer Parkfestes waren einige Zimmer belegt. Gelegentlich werden hier Monteure untergebracht, berichten Anwohner. Und ab und zu gab es schon Besuch von Raacks Gesinnungsgenossen.
"Aber ich weiß, dass die AfD war dort regelmäßig zu Gast. Und hat dort regelmäßig ihre Informationsveranstaltungen abgehalten, das ist das, was mir bekannt ist."
Neue Räume für den rechten Rand. Hass-Musik und rechte Politik, Kampfsport, Bier und Pizza. Alles vereint in einer Region zu einem extremen rechten Geschäftsmodell.