Onlinetipp:
Gemeinsam mit Jens Runkehl und Torsten Siever hat Peter Schlobinski 1998 das Projekt sprache@web ins Leben gerufen und betreibt darüber das Wissensportal mediensprache.net.
"Lassen wir besser alles so, wie es jetzt ist"
"Grislibär" statt "Grizzlybär" - das schmerzte selbst Befürworter der Rechtschreibreform. Zwanzig Jahre und eine Reform der Reform später empfiehlt der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski, Frieden mit der neuen Rechtschreibung zu schließen.
Vor 20 Jahren, am 1. August 1998, traten die Regeln der neuen Rechtschreibung in Kraft. Sie sollten vereinfachen. Aber viele Bürger sehen das bis heute – trotz einer Nachbesserung 2006 - anders: ss oder ß, getrennt schreiben oder auseinander? Für manchen herrscht größere Verwirrung als vorher.
Die Kontroversen waren gewaltig, von einem "Kulturkampf" war die Rede. Zahlreiche Schriftseller und Verlage lehnten die Reform ab. Sogar bis Karlsruhe zogen die Gegner, doch eine Verfassungsbeschwerde wurde abgeschmettert. Günter Grass, Siegfried Lenz und auch Martin Walser riefen zum Boykott auf. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sah in der Reform "beinahe eine nationale Katastrophe". Etliche Verlage und Zeitungen behielten einfach die alten Rechtschreibregeln bei.
Viele Neuerungen taten weh
Manche Neuerungen taten fast allen optisch weh: Etwa "Grislibär" mit "s" und "i" statt mit zwei "z" und "y" (Grizzlybär) oder "Majonäse" mit "j" und nur einem "n", statt wie bisher mit "y" und zwei "n" (Mayonnaise). Als sie abgeschafft wurden, war die Freude bei vielen groß. Sollten nicht viele andere Neuerungen ebenfalls wieder rückgängig gemacht werden?
"Bitte, nicht", sagt Peter Schlobinski, Sprachwissenschaftler und Professor für germanistische Linguistik der Leibniz Universität Hannover. Die Diskussion um die Reform sei von Anfang an "sehr emotional und ideologiebeladen" geführt worden. "Es wird immer Probleme damit geben – aber lassen wir besser alles so, wie es jetzt ist."
Noch immer ist Vieles unlogisch
Er persönlich hätte die Reform vermutlich so nicht gemacht, aber die Reform der Reform von 2006 habe zumindest alles auf einen etwas besseren Weg gebrach, betont Schlobinski, der auch Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsche Sprache ist. Auch wenn es noch immer Vieles gebe, das unlogisch erscheine – etwa, dass man "Auto fahren" getrennt schreibe, als Substantiv und Verb, das Laufen auf Eis aber mit "eislaufen" als Verb und zusammen.
In Deutschland gilt heute: Es gibt eine amtliche Rechtschreibung, die sich an den vom Duden empfohlenen Schreibweisen orientiert – darüber hinaus gebe es aber sehr viele Freiheiten, betont Schlobinski. Und die würden, speziell in den Sozialen Medien, auch genutzt: mit Emojis, willkürlicher Kommasetzung und anderen Besonderheiten. Und: Wenn er selbst mit seinen Kindern und Enkelkindern via WhatsApp oder SMS kommuniziere, räumt Schlobinski ein, halte er sich auch nicht immer an alle Regeln.