"Metaphern aus dem Konditoreiwesen"
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Fußballspiele sind eine Steilvorlage für Floskeln aller Art. Da werden gnadenlos "Sahnehäubchen aufgesetzt" und "alle Register gezogen". Für den Linguisten Simon Meier-Vieracker ist es eine großartige Fundgrube für seinen Podcast "Phrasendrescher".
Das Team von Dänemark kickt gegen England um den Einzug ins Finale der Fußball-EM. Aber nicht nur die Spieler werden zu Höchstleistungen auflaufen – auch die Sportreporterinnen und -reporter versuchen, mit ihren Kommentaren gut gezielte Treffer zu landen.
Oft verkommen diese aber nur zu den üblichen Floskeln – häufig unfreiwillig komisch oder peinlich, noch häufiger einfach nur langweilig. Und manchmal möchte man vor lauter Fremdscham in die Tischkante beißen.
Der Linguist Simon Meier-Vierracker untersucht die Fußballsprache, betreibt den Podcast "Phrasendrescher" und steht zu seiner Liebe zu all den Floskeln. Er stellt immer wieder fest: So viel hat sich sprachlich seit dem "Wunder von Bern" gar nicht geändert. Auch damals wurde schon der "Turbo eingeschaltet".
Weniger Chauvinismus und Nationalismus
Allerdings sei heute deutlich seltener nationalistische oder chauvinistische Sprache zu finden, wenn das Geschehen auf dem Fußballfeld kommentiert wird.
"Ich habe große Freude daran, mir auch diese spielanschließenden Interviews anzuhören", gesteht Meier-Vieracker. "Das ist so eine Art Hassliebe – ich bin dann wie gebannt und kann nicht abschalten, obwohl man ja eigentlich vorher weiß, was da passiert."
Seine Faszination beschränkt sich allerdings nicht allein auf die Floskelei an sich. Die schiere Menge der Berichterstattung beschäftigt ihn ebenso: "Ungefähr jeder zehnte Text, der in deutschen Zeitungen erscheint, handelt vom Fußball."
Spanier packen "das ganze Fleisch auf den Grill"
Darüber hinaus sei Fußball auch in privaten Gesprächen und auch am Arbeitsplatz ein dominantes Thema. Außerdem sei es interessant, wie kreativ das Immergleiche beschrieben werde: Nämlich, dass 22 Spieler hinter einen Ball herlaufen. Da habe sich über die Jahrzehnte kaum etwas geändert.
Der Linguist hat auch einen Blick auf die Fußballsprache in anderen Ländern geworfen und kann amüsante Vergleiche anstellen: Wo in Deutschland floskelhaft "alle Register gezogen" werden, heiße es in Spanien etwa "poner todo el carne en el asador", zu Deutsch: "Das ganze Fleisch auf den Grill legen".
Es gibt aber auch Phrasen, die in vielen Sprachen ganz ähnlich seien: "Wo wir im Deutschen sagen 'das Sahnehäubchen aufsetzen', heißt es im Englischen 'to put the icing on the cake'. Im Niederländischen wiederum setzt man 'die Kerze auf die Torte' – also alles Metaphern aus dem Konditoreiwesen."
(mkn)