Linie 983 verbindet
Seit mehr als zehn Jahren streiten die Kommunalpolitiker von Frankfurt (Oder) und Slubice über eine grenzüberschreitende Straßenbahn - und konnten sich bis heute nicht einigen. Inzwischen gibt es immerhin eine Busverbindung, die die deutsch-polnischen Nachbarstädte verbindet.
Dutzende Fahrgäste drängen in den Bus, ein Rentner streckt Dieter Bedurke seinen Schwerbehindertenausweis entgegen. Der Busfahrer schüttelt den Kopf.
"Es gilt nicht der Schwerbehindertenausweis in Polen."
Nein, in Polen gilt der Schwerbehindertenausweis nicht. Und darum auch nicht bei Dieter Bedurke. Der steuert Bus Nummer 983. Vom Bahnhof Frankfurt (Oder) zum Plac Bohaterow in Slubice. Murrend steckt der Rentner seinen Ausweis ein, zahlt 1,40 Euro.
Geduldig erklärt Bedurke die neue Strecke. Weitere Fahrgäste drängen herein, schnell sind die 37 Sitzplätze belegt. Zuletzt kommt eine Gruppe Studenten. Vor einer Minute ist ihr Zug angekommen.
"Wenn wir keine Verspätung haben, dann fahren wir immer mit dem Bus, nach Slubice, zum Kollegium Polonicum, zur Uni. Es ist schon ein bisschen eine Erleichterung."
Vorher mussten sie Bus oder Straßenbahn fahren. Dann über die Oderbrücke laufen: zum Unigebäude auf polnischer Seite. Jetzt rollen sie bequem mit der Nummer 983 über die Grenze. Ein beleibter Rentner, eine große leere Tasche auf den Knien, sitzt einen Platz weiter. Kann sein Glück immer noch nicht fassen:
"Ein bisschen was zu rauchen holen. Mit diesem Bus ja das erste Mal, ich bin ja überrascht, dass er jetzt auch rüber fährt. Mein Kumpel hat mir zwar das gesagt, aber ist das erste Mal, ich bin ja nun auch nicht so oft hier."
Da spart er pro Stange 20 Euro. Vier nimmt er mit. Da lohnen sich Bahn- und Busfahrt.
Um 8.35 Uhr gibt Dieter Bedurke Gas. Bahnhof, Zentrum, Brunnenplatz - das sind die ersten drei Stationen auf deutscher Seite. Dann geht es über die Brücke. Nach Polen. Frank Großkopp sitzt gleich hinter dem Fahrer, hält einen orangen Klemmhefter in der Hand.
Der Fahrmeister sorgt dafür, dass der öffentliche Verkehr in Frankfurt (Oder) läuft. Und jetzt auch in Slubice:
"Wenn man das so jetzt zurück betrachtet, gab es ja seit 67 Jahren keine Nahverkehrsverbindung mehr, keine richtige über die Oder. Insofern ist das mit dieser Linie 983 ein Novum - und schauen wir mal, wie sich das entwickelt."
Monatelang verhandeln die Kommunalpolitiker über Streckenführung und Finanzierung, Behörden beider Länder begutachten das Anliegen. Dann gibt es endlich eine Genehmigung für den grenzüberschreitenden Verkehr. Großkopp verordnet seinen Fahrern einen Polnisch-Crash-Kurs an der Uni, eine kurze Verkehrsschulung bei der polnischen Polizei.
"Wir haben jetzt 35 bis 40 Fahrgäste hier drin, die Sitzplätze sind alle besetzt, also, es geht schon auf die 50 zu. Schön, freut mich!"
Unsere Edeltouristen sind schon früh unterwegs, witzelt Grokopp, und meint die Einkaufs-Reisenden aus Berlin, die in Polen günstig Alkohol und Zigaretten kaufen wollen.
"Jetzt fahren wir hier gerade an der Araltankstelle vorbei. Interessant ist auch, als ich vorgestern hier mal nen Dienst übernommen hatte, wurde ich automatisch hier kurz vor der Araltankstelle langsamer, denn ich fahre hier gewohnheitsmäßig nur rüber, wenn ich tanken fahre. Ich hatte schon den Blick nach links. Wäre schon ein bisschen blöd, wenn ich da mit dem Bus reingefahren wäre."
Der Tankreflex des Grenz-Anrainers. Drei Minuten später rollt der Bus auf den Plac Bohaterow. Der große polnische Basar liegt von hier noch gut eineinhalb Kilometer entfernt. Weit genug, sodass auch noch die polnischen Taxifahrer mit schwer beladenen Einkaufstouristen Geld verdienen können.
Busfahrer Bedurke greift zur Thermoskanne. Steigt aus, macht Pause.
"Dat ist der Platz Bohaterow, übersetzt heißt das 'Platz der Helden' und ist in unmittelbarer Nähe vom Wohnheim, ist auch nicht weit bis zum Rathaus."
Der 60-Jährige kennt sich aus. Er ist mit einer Polin verheiratet, ein privater Grenzgänger, der auch in Slubice einen Wohnsitz hat. Ebenso wie in Frankfurt (Oder). Das ist manchmal etwas kompliziert. Für die deutschen Behörden.
"Weil ick meinen Hauptwohnsitz in Polen habe, haben sie mir meinen Führerschein in Deutschland nicht verlängert. Da bin ick hingegangen in Polen und habe mir hier den Führerschein geholt und fahre damit."
Bedurke grinst. Grenzüberschreitende Bürokratie:
"Jetzt hamse aber unsere Führerscheinstelle, weil ich eine Nebenwohnung in Frankfurt habe, haben sie mich angesprochen, ich soll den Führerschein ummelden, aber ick seh das nicht ein, wenn ich den Hautwohnsitz habe."
Eine Studentin stöckelt auf hohen Absätzen über das glatte Pflaster, grüßt freundlich, klettert in den Bus. Bedurke blickt auf die Uhr. Weiter geht's, diesmal Richtung Westen.
Fünf Studenten aus dem polnischen Wohnheim sitzen hinten im Bus, eine junge Polin erklärt einer Rentnerin die neue deutsch-polnisch Tarifstruktur:
"Ich erkläre der Frau, dass sie kann fahren mit dem Fahrschein, welchen sie kaufen kann: 2,80 - den ganzen Tag kannste fahren."
Die Rentnerin hört zu und nickt:
"Ich fahre nach Frankfurt einkaufen und wieder zurück zu Hause. Und für mich ist es super, passt."
In Frankfurt (Oder) kauft sie Waschmittel und Kosmetik. Die sind viel billiger als in Polen:
"Vor dem Supermarkt, sollen sie sich endlich dran gewöhnen, das hier 'ne Bushaltestelle ist."
Vorne am Lenkrad hupt und schimpft Busfahrer Bedurke. Ein deutscher PKW blockiert den Weg. Erschrocken blickt die Fahrerin auf den hupenden deutschen Linienbus.
Weiter Richtung Oderbrücke. Eine Frau mit Kinderwagen wartet am Zebrastreifen. Bedurke hält an, winkt sie über die Straße. Die junge Mutter blickt verdutzt. In Polen halten nur selten Autos, wenn Fußgänger warten:
"Das Gesetz kommt in Polen jenauso. So lange war nur Gesetz, wenn sich jemand drauf befindet, hat man anzuhalten, jetzt wird das Gesetz ab 1. April - glaub ich - auch geändert."
Wieder geht es über die Brücke. Die Shoppingstraße von Frankfurt (Oder) entlang. Die polnische Rentnerin steigt aus. Eine Station weiter, an der Europauniversität Viadrina, die Studenten.
Bedurke parkt den Bus, greift zum Kreuzworträtselblock. Macht zehn Minuten Pause. Der Fahrer nickt zufrieden:
"Ist wat anderet, ... nicht immer ein und dieselben Gesichter, die man so sieht, jeden Tag."
Im ersten Bus. Im deutsch-polnischen Linien-Grenzverkehr. Zwischen Frankfurt (Oder) und Slubice.
"Es gilt nicht der Schwerbehindertenausweis in Polen."
Nein, in Polen gilt der Schwerbehindertenausweis nicht. Und darum auch nicht bei Dieter Bedurke. Der steuert Bus Nummer 983. Vom Bahnhof Frankfurt (Oder) zum Plac Bohaterow in Slubice. Murrend steckt der Rentner seinen Ausweis ein, zahlt 1,40 Euro.
Geduldig erklärt Bedurke die neue Strecke. Weitere Fahrgäste drängen herein, schnell sind die 37 Sitzplätze belegt. Zuletzt kommt eine Gruppe Studenten. Vor einer Minute ist ihr Zug angekommen.
"Wenn wir keine Verspätung haben, dann fahren wir immer mit dem Bus, nach Slubice, zum Kollegium Polonicum, zur Uni. Es ist schon ein bisschen eine Erleichterung."
Vorher mussten sie Bus oder Straßenbahn fahren. Dann über die Oderbrücke laufen: zum Unigebäude auf polnischer Seite. Jetzt rollen sie bequem mit der Nummer 983 über die Grenze. Ein beleibter Rentner, eine große leere Tasche auf den Knien, sitzt einen Platz weiter. Kann sein Glück immer noch nicht fassen:
"Ein bisschen was zu rauchen holen. Mit diesem Bus ja das erste Mal, ich bin ja überrascht, dass er jetzt auch rüber fährt. Mein Kumpel hat mir zwar das gesagt, aber ist das erste Mal, ich bin ja nun auch nicht so oft hier."
Da spart er pro Stange 20 Euro. Vier nimmt er mit. Da lohnen sich Bahn- und Busfahrt.
Um 8.35 Uhr gibt Dieter Bedurke Gas. Bahnhof, Zentrum, Brunnenplatz - das sind die ersten drei Stationen auf deutscher Seite. Dann geht es über die Brücke. Nach Polen. Frank Großkopp sitzt gleich hinter dem Fahrer, hält einen orangen Klemmhefter in der Hand.
Der Fahrmeister sorgt dafür, dass der öffentliche Verkehr in Frankfurt (Oder) läuft. Und jetzt auch in Slubice:
"Wenn man das so jetzt zurück betrachtet, gab es ja seit 67 Jahren keine Nahverkehrsverbindung mehr, keine richtige über die Oder. Insofern ist das mit dieser Linie 983 ein Novum - und schauen wir mal, wie sich das entwickelt."
Monatelang verhandeln die Kommunalpolitiker über Streckenführung und Finanzierung, Behörden beider Länder begutachten das Anliegen. Dann gibt es endlich eine Genehmigung für den grenzüberschreitenden Verkehr. Großkopp verordnet seinen Fahrern einen Polnisch-Crash-Kurs an der Uni, eine kurze Verkehrsschulung bei der polnischen Polizei.
"Wir haben jetzt 35 bis 40 Fahrgäste hier drin, die Sitzplätze sind alle besetzt, also, es geht schon auf die 50 zu. Schön, freut mich!"
Unsere Edeltouristen sind schon früh unterwegs, witzelt Grokopp, und meint die Einkaufs-Reisenden aus Berlin, die in Polen günstig Alkohol und Zigaretten kaufen wollen.
"Jetzt fahren wir hier gerade an der Araltankstelle vorbei. Interessant ist auch, als ich vorgestern hier mal nen Dienst übernommen hatte, wurde ich automatisch hier kurz vor der Araltankstelle langsamer, denn ich fahre hier gewohnheitsmäßig nur rüber, wenn ich tanken fahre. Ich hatte schon den Blick nach links. Wäre schon ein bisschen blöd, wenn ich da mit dem Bus reingefahren wäre."
Der Tankreflex des Grenz-Anrainers. Drei Minuten später rollt der Bus auf den Plac Bohaterow. Der große polnische Basar liegt von hier noch gut eineinhalb Kilometer entfernt. Weit genug, sodass auch noch die polnischen Taxifahrer mit schwer beladenen Einkaufstouristen Geld verdienen können.
Busfahrer Bedurke greift zur Thermoskanne. Steigt aus, macht Pause.
"Dat ist der Platz Bohaterow, übersetzt heißt das 'Platz der Helden' und ist in unmittelbarer Nähe vom Wohnheim, ist auch nicht weit bis zum Rathaus."
Der 60-Jährige kennt sich aus. Er ist mit einer Polin verheiratet, ein privater Grenzgänger, der auch in Slubice einen Wohnsitz hat. Ebenso wie in Frankfurt (Oder). Das ist manchmal etwas kompliziert. Für die deutschen Behörden.
"Weil ick meinen Hauptwohnsitz in Polen habe, haben sie mir meinen Führerschein in Deutschland nicht verlängert. Da bin ick hingegangen in Polen und habe mir hier den Führerschein geholt und fahre damit."
Bedurke grinst. Grenzüberschreitende Bürokratie:
"Jetzt hamse aber unsere Führerscheinstelle, weil ich eine Nebenwohnung in Frankfurt habe, haben sie mich angesprochen, ich soll den Führerschein ummelden, aber ick seh das nicht ein, wenn ich den Hautwohnsitz habe."
Eine Studentin stöckelt auf hohen Absätzen über das glatte Pflaster, grüßt freundlich, klettert in den Bus. Bedurke blickt auf die Uhr. Weiter geht's, diesmal Richtung Westen.
Fünf Studenten aus dem polnischen Wohnheim sitzen hinten im Bus, eine junge Polin erklärt einer Rentnerin die neue deutsch-polnisch Tarifstruktur:
"Ich erkläre der Frau, dass sie kann fahren mit dem Fahrschein, welchen sie kaufen kann: 2,80 - den ganzen Tag kannste fahren."
Die Rentnerin hört zu und nickt:
"Ich fahre nach Frankfurt einkaufen und wieder zurück zu Hause. Und für mich ist es super, passt."
In Frankfurt (Oder) kauft sie Waschmittel und Kosmetik. Die sind viel billiger als in Polen:
"Vor dem Supermarkt, sollen sie sich endlich dran gewöhnen, das hier 'ne Bushaltestelle ist."
Vorne am Lenkrad hupt und schimpft Busfahrer Bedurke. Ein deutscher PKW blockiert den Weg. Erschrocken blickt die Fahrerin auf den hupenden deutschen Linienbus.
Weiter Richtung Oderbrücke. Eine Frau mit Kinderwagen wartet am Zebrastreifen. Bedurke hält an, winkt sie über die Straße. Die junge Mutter blickt verdutzt. In Polen halten nur selten Autos, wenn Fußgänger warten:
"Das Gesetz kommt in Polen jenauso. So lange war nur Gesetz, wenn sich jemand drauf befindet, hat man anzuhalten, jetzt wird das Gesetz ab 1. April - glaub ich - auch geändert."
Wieder geht es über die Brücke. Die Shoppingstraße von Frankfurt (Oder) entlang. Die polnische Rentnerin steigt aus. Eine Station weiter, an der Europauniversität Viadrina, die Studenten.
Bedurke parkt den Bus, greift zum Kreuzworträtselblock. Macht zehn Minuten Pause. Der Fahrer nickt zufrieden:
"Ist wat anderet, ... nicht immer ein und dieselben Gesichter, die man so sieht, jeden Tag."
Im ersten Bus. Im deutsch-polnischen Linien-Grenzverkehr. Zwischen Frankfurt (Oder) und Slubice.