Linken-Politikerin Amira Mohamed Ali

"Viele Politiker bekommen diese Art von Mails"

34:19 Minuten
Amira Mohamed Ali im schwarzen Anzug, mit ineinander verschränkten Fingern.
Amira Mohamed Ali hat viele Hassmails bekommen, seit sie Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag ist. © imago images / Christian Thiel
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Seit fünf Jahren ist Amira Mohamed Ali Mitglied der Linkspartei. Eine Stelle als Richterin war ihr Ziel, doch 2019 wurde die Hamburgerin die erste Muslima an der Spitze einer Bundestagsfraktion. Seitdem bekommt sie Hassmails mit dem Absender "NSU 2.0".
Als "Zuchtmeister" werden Fraktionsvorsitzende häufig beschrieben. Für Amira Mohamed Ali ist dieses Bild nicht ganz stimmig, aber "natürlich hat man als Vorsitzende eine gewisse Verantwortung und man muss für die Einhaltung gewisser Regeln einstehen". Die besondere Herausforderung sei, dass die Partei mit einer Stimme spreche. Versammeln sich doch bei der Linken Realos wie Marxisten: "In der Tat, es gibt einige Bereiche, wo es unterschiedliche Auffassungen gibt, das macht uns auch aus, das ist ein Teil unserer Identität. Aber es ist mir auch als Vorsitzende wichtig, dass alle gleichermaßen zu Wort kommen."

Die Linke und der Fall Nawalny

Eine Einschränkung ist Amira Mohamed Ali an dieser Stelle jedoch wichtig: "Dinge, die noch nicht abgestimmt sind, kann man als eigene Meinung natürlich auch sagen", sie sollten jedoch nicht als Fraktionsmeinung deklariert werden.
Und die offizielle Fraktionsmeinung zum Fall Nawalny und der Diskussion um "Nord Stream 2" lautet so: "Es muss Aufklärung her und Russland muss auch verpflichtet werden mitzuarbeiten. Das geht einfach nicht anders. Und was Nord Stream 2 angeht, diese Verbindung zwischen diesem furchtbaren Giftanschlag und Nord Stream 2 herzustellen, das sehe ich so nicht."
Eine Karriere in der Politik, das war ursprünglich nicht der Plan von Amira Mohamed Ali. Die gebürtige Hamburgerin wollte Richterin werden. Nach dem Jurastudium war sie zehn Jahre als Anwältin für ein Unternehmen tätig. Schon der Vater war Jurist, konnte aber in Deutschland nie als solcher arbeiten, seine ägyptischen Abschlüsse wurden nicht anerkannt.
Dem Vater war es daher besonders wichtig, "dass wir Töchter Abitur machen, auf eigenen Beinen stehen, einen Beruf erlernen, der uns finanzielle Unabhängigkeit zumindest möglichst einfach macht."

"Wie ein Botschafter der eigenen Religion behandelt"

Blickt Amira Mohamed Ali an ihre Schulzeit in Hamburg zurück, kann sie sich nicht erinnern, "dass ich mich überbordend benachteiligt gefühlt habe". Aber, so erinnert sich die Fraktionschefin, "man wurde immer wie ein Botschafter für die eigene Religion behandelt. Für Kinder ist das eine Herausforderung, wenn man für alles, was in der arabischen Welt passiert, Rede und Antwort stehen muss. Das ist nicht immer einfach."
Später, so vermutet Amira Mohamed Ali, könnte ihr Aussehen dafür gesorgt, dass sie rassistische Erfahrungen weit weniger machen musste. "Ich habe einen Vorteil gegenüber denjenigen, denen man ihren Migrationshintergrund ansieht. Man sieht es mir ja nicht an, man hört es mir nicht an. Ich glaube, dass deswegen eine ganze Menge an mir vorbeigeht. Aber als ich damals nach dem Examen, als ich damals Arbeit gesucht habe, als Juristin arbeiten wollte, habe ich schon den Eindruck gehabt, dass ich mehr Bewerbungen schreiben muss als andere." Kurz hatte Amira Mohamed Ali hatte tatsächlich daran gedacht, ihren Familiennamen zu ändern, den ihres Mannes anzunehmen.

Hass- und Drohmails

Offenen Rassismus erfuhr die Fraktionschefin der Linken in diesem Sommer. Sie bekam Hass- und Drohmails, versehen mit der Unterschrift "NSU 2.0". Amira Mohamed Ali ging damit ganz bewusst an die Öffentlichkeit, "damit bekannt wird, welches Ausmaß diese Mails haben". Dennoch möchte die 40-Jährige nicht mehr viel darüber sprechen. Sie will "denjenigen keine Bühne geben".
Amira Mohamed Ali zeigt sich betont gelassen. Angst um ihr Leben hätte sie nicht gehabt. "Aber es ist trotzdem unangenehm. Es gehört leider ein Stück zum Geschäft. Viele, viele Politiker bekommen diese Art von Mails."
Konzentrieren wolle sich die Fraktionschefin jetzt vor allem auf die kommende Bundestagswahl. Ein rot-rot-grünes Bündnis könne sie sich gut vorstellen, jedoch müssten sich Grüne und SPD "wirklich noch deutlich bewegen".
(ful)
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