Persisch singen in Tel Aviv
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Die israelische Sängerin Liraz Charhi bringt auf ihrem neuen Album israelische und iranische Künstlerinnen zusammen. Sie selbst singt auf Farsi. Und macht sich für die Sache der Frauen stark.
Es war ein Schlüsselerlebnis, als Liraz, geboren 1978 in Tel Aviv, zu einem Filmfestival nach Los Angeles reiste. Sie traf auf eine riesige Gemeinschaft von Exil-Iranern, die ihre Kultur dort weit offener lebten als im Iran nach der islamischen Revolution. Und offener, als es Liraz aus ihrer eigenen, jüdisch-iranischen Familie in Tel Aviv kannte.
Muttersprache der Eltern und Großeltern
Ein paar Jahre blieb sie in den USA und machte neben der Schauspielerei vor allem eines: Musik aus Iran sammeln. Zurück in Tel Aviv veröffentlichte sie 2016 ein erstes Album in der Muttersprache ihrer Eltern und Großeltern – mit Folgen vor allem in Teheran: "Sie haben mitbekommen, dass da eine iranische Sängerin in Israel lebt, die Farsi singt, nicht Hebräisch, und die dazu tanzt. Ich verkörpere die Freiheit für sie, die sie in ihrem Land nicht ausleben können. Nach meinem ersten iranischen Album bekam ich unglaublich viele Rückmeldungen von Leuten, die gerne mit mir zusammenarbeiten wollten. Das lag wohl nicht zuletzt daran, dass es inhaltlich auch um die Unterdrückung der Frauen in Iran ging."
Zan (deutsch: Frauen) ist Liraz zweites Album in Farsi und unterscheidet sich in einem entscheidenden Punkt vom erstem: Es sind dort auch Musikschaffende aus Iran zu hören. Wie ließ sich das umsetzen, ohne die iranischen Mitwirkenden in Gefahr zu bringen?
Iranische Künstlerinnen ohne Klarnamen
"Das genau war die erste Frage, die ich mir gestellt habe, als ich davon zu träumen anfing, ein Album mit Künstlerinnen und Künstlern aus Iran zu machen. Ich bin sehr naiv an die Sache herangegangen. Mein Gefühl sagte mir, dass Israel und Iran keine Feinde sind. Ich hatte so viele Posts bei Facebook und anderen Medien, ich schrieb: Israel liebt Iran, Iran liebt Israel. Es bahnte sich eine tolle Zusammenarbeit an, doch von Zeit zu Zeit verschwanden einzelne Profile von Frauen, mit denen ich in Kontakt war. Von anderen erfuhr ich, dass sie schlicht Angst hatten und ihre Klarnamen nicht erwähnen wollten. Darum werden die Künstlerinnen auch nicht namentlich im Booklet erwähnt, oder es sind Fantasienamen."
So konnte Liraz verhindern, dass einige Frauen ihre schon eingesungenen Lieder wieder zurücknahmen. Die Lieder gingen per E-Mail und über Internet-Plattformen hin und her, bis sie schließlich fertig waren. Doch Probleme gab es auch in der eigenen Familie:
"Irgendwann stand ich an einem Scheideweg. Als ich es meinem Manager und meinen Eltern erzählte, dass ich in Farsi singen möchte, sagten alle: 'Bist du verrückt? Du hast doch so eine tolle Karriere hier! Schmeiß sie nicht weg, indem du dich in so eine Nische begibst!' Doch ich sagte: Genau da will ich hin, in diese Nische!"
Wiegenlied und Rumi-Gedicht
Da wird sie wohl auch bleiben. In Iran spielt man das Album überhaupt nur bei heruntergelassenen Rollläden; und in Israel, sagt Liraz, laufe ihre Musik wegen der Sprache Farsi allenfalls mal spätabends im Radio. Schade drum, denn bei den Texten verleiht Liraz überwiegend den iranischen Frauen eine Stimme, weil sie die in ihrer Heimat nicht öffentlich erheben können. Auf dem Album gibt es aber auch mehr, wie ein traditionelles Wiegenlied, oder ein Gedicht des berühmten Mittelalter-Poeten Rumi.
Mit Fug und Recht kann man "Zan" ein Untergrund-Album nennen. Dafür hatte sich Liraz auch den richtigen Produzenten ausgesucht: Uri Brauner-Kinrot, auch er aus Tel Aviv und vielen bekannt aus Bands wie Ouzo Bazooka und Boom Pam, denen man zumindest anarchistische Tendenzen nachsagt.
So liefert "Zan" auch noch den perfekten Sound für die vielen privaten, illegalen Partys in Teheran: "Er hatte sofort verstanden, dass ich für das Album einen Klang wollte, als sei es heimlich in einem Untergrund-Studio aufgenommen worden. Es sollte Elektropop mit psychedelischen Momenten sein, die von den iranischen Instrumenten kommen. Der Sound sollte widerspiegeln, wie die Platte zustande gekommen war."
Rolle in einem israelischen Fernseh-Mehrteiler
Und damit zu einem Schluss, der sich anhört, als stamme er aus einem schlechten Drehbuch: Noch während der Arbeit am Album "Zan" bekam Liraz eine tragende Rolle in einem israelischen Fernseh-Mehrteiler angeboten – und was für eine.
"Es war tatsächlich ein anderer Traum von mir, der wahr geworden ist, diese Rolle der Mossad-Kommandeurin Yael, die eine junge Spionin auf ihre erste Mission nach Iran schickt. Ich kann mich ganz gut mit Yael identifizieren. Sie verließ Iran mit 16, kam nach Israel und war fortan mit der Frage konfrontiert, welcher Kultur sie sich zugehörig fühlen sollte. Es geht also sehr stark um Identität, viele Fragen sind offen und sie spürt eine Art Revolution in sich selber, zumal sie sich in einem sehr männerdominierten Umfeld bewegt."
Ein Stück weit habe sie sich also selber gespielt, sagt Liraz - weshalb ihr die Rolle nicht schwer gefallen sei.