Lisa Eckhart: "Boum"

Parforceritt durch Paris

05:30 Minuten
Buchcover zu "Boum" von Lisa Eckhart
© Zsolnay

Lisa Eckhart

BoumZsolnay, Wien 2022

365 Seiten

25,00 Euro

Von Rainer Moritz · 27.08.2022
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Eine Österreicherin macht als Edelprostituierte Karriere. Ein Serienmörder treibt unter Straßenmusikern sein Unwesen. Und eine alte Ordnung bricht zusammen. Die Kabarettistin Lisa Eckhart schreibt einen überschäumenden Paris-Roman.
Paris in der Weltliteratur, da herrscht kein Textmangel. Nicht zu zählen die Romane und Gedichte, in denen die französische Hauptstadt literarischen Niederschlag fand – von Eugène Sue über Julien Green bis Undine Gruenter oder Paul Nizon.
Die österreichische Autorin und Kabarettistin Lisa Eckhart, der man gern das gedankenverlorene Etikett „umstritten“ anheftet, lässt sich davon nicht abschrecken. Ihr zweiter Roman „Boum“ ist ein nicht zu bändigender Parforceritt durch Paris und durchquert die Stadt auf so originell-schräge Weise, dass keine Paris-Anthologie künftig auf Eckhart-Passagen verzichten dürfte.

Tumbe Törin in Paris

Um die Stadt in ihren Absonderlichkeiten zu erfassen, greift Eckhart zu einem beliebten Mittel: Sie lässt eine junge Österreicherin aus der Provinz – Aloisia – der Liebe wegen nach Paris reisen und versetzt sie in ein permanentes Erstaunen. Da sie der französischen Sprache in keiner Weise mächtig ist, streift sie als „tumbe Törin“ durch die aufgewühlte Stadt und ist froh, erst einmal auf der Matratze ihres Liebhabers Romain unterzukommen.
Lisa Eckhart am Mikrofon.
Lisa Eckhart pflegt in ihrem Paris-Roman die Kunst des Zeugmas.© IMAGO / Andreas Weihs
Es ist viel los in Paris, und Lisa Eckhart betreibt großen Aufwand, ihren Roman nie zur Ruhe kommen zu lassen. Anfangs sieht es so aus, als ginge es darum, einen klassischen Kriminalfall zu inszenieren. Denn Paris wird von Morden an mehreren Straßenmusikanten erschüttert.
Der flüchtige Serienmörder, ehrfürchtig Maestro Massacreur genannt, sorgt einerseits für heillosen Aufruhr, andererseits aber, wie Paris’ Bürgermeister anerkennt, für morbiden Glanz und touristischen Zulauf, da Serienmörder im Gegensatz zu Terroristen und Massenmördern gewissermaßen als Attraktion gelten.

Suche nach dem Serienmörder

Wer hinter den perfiden Ermordungen von unschuldigen Saxophonisten und Akkordeonisten steckt, bleibt im Unklaren. Weder ein Jules Maigret nachempfundener Kommissar noch ein Terrorexperte namens Monsieur Boum sind in der Lage, die alte Ordnung wiederherzustellen.
Wie auch, wenn die überforderte Aloisia plötzlich in die Katakomben der Stadt gerät und auf Heerscharen von Clochards, Krüppeln und Bettlern trifft, die von ihrem „König“ Clopin, einer Figur aus Victor Hugos „Der Glöckner von Notre-Dame“, angeführt werden. Sind es womöglich Clopins Leute, die sich meuchelnd der musizierenden Konkurrenz entledigen wollen?

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Wovon Lisa Eckharts Roman im Weiteren handelt, ist schwer zu resümieren. Da tummeln wir uns auf dem Automobilsalon, wo Günter aus Saigon, der eigentlich Gonthier heißt, für ein bayerisches Unternehmen arbeitet und leidvoll feststellen muss, dass pralle Weiblichkeit bei der Präsentation mächtiger SUVs nicht mehr angesagt ist.
Und da verfolgen wir Aloisias Aufstieg als Edelprostituierte, die als schweigende „petite Autrichienne“ Männern einen beliebten Service „zwischen Gespräch und Selbstgespräch“, zwischen „Sex und Onanie“ bietet.

Pointenreicher Roman

Alles in diesem Roman ist Körper, sei es in Clopins Unterwelt, sei es in einer ausgeraubten Luxustierhandlung, sei es, wenn es um die Röntgenbilderotik des Eiffelturms oder um die „nach außen gestülpten“ Organe des Centre Pompidou geht, sei es beim ständig und lässig betriebenen Fellieren und Penetrieren, dem nur mit dem Griff zur Wundheilsalbe beizukommen ist.
Alles in diesem sprachlich überschäumenden, pointenreichen Roman hängt irgendwie zusammen – wenn man nur wüsste, wie. Kein Wunder, dass sich das Zeugma („Einem Mann soll man nichts nachtragen. Nicht einmal einen Koffer“) so häufig darin findet, eine rhetorische Figur, die scheinbar Unzusammenhängendes miteinander verbindet. So ist „Boum“ ein einziges Zeugma, unumstrittenermaßen.   
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