Lisa Randall: "Dunkle Materie und Dinosaurier"

Dem Geheimnis der Dunklen Materie auf der Spur

Dunkle Materie, aufgenommen vom Hubble Space Teleskop und dem Chandra X-Ray Observatorium. Auf dem Bild sind Sterne zu sehen und eine Art lila-rosafarbenen Nebels.
Dunkle Materie, aufgenommen vom Hubble Space Teleskop und dem Chandra X-Ray Observatorium © dpa / picture alliance / Landov
Von Gerrit Stratmann |
In "Dunkle Materie und Dinosaurier" beschäftigt sich Lisa Randall mit einem Stoff, der eine wichtige Rolle für unser Universum spielen soll. Dunkle Materie könnte auch für fatale Kometeneinschläge auf der Erde verantwortlich sein. Die US-Physikerin vermittelt dem Leser das Gefühl, an vorderster Forschungsfront mit dabei zu sein.
Seit über 80 Jahren sind Kosmologen auf der Suche nach einem Stoff, der 85 Prozent der Masse unseres Universums ausmachen soll. Gefunden haben sie bisher: Nichts.
Denn die gesuchte Dunkle Materie macht es den Physikern schwer. Sie ist durch Fernrohre nicht zu sehen, da sie nicht selbst leuchtet, und zeigt sich höchstens indirekt durch die Wirkung ihrer Gravitation. Dabei sprechen viele Indizien dafür, dass es sie geben muss. Denn viele Eigenschaften unseres Universums sowie Beobachtungen an Sternen und Galaxien lassen sich erst mit ihrer Hilfe hervorragend erklären. Vielleicht sogar, warum die Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren ausstarben. Das ist zumindest die Hypothese von Lisa Randall, Physikerin an der Harvard University in Cambridge, die sie jetzt in ihrem neuen Buch "Dunkle Materie und Dinosaurier" vorstellt.

Großer Steinbrocken vom Rand des Sonnensystems

Klingt weit hergeholt? Ja, aber Lisa Randall erklärt den Zusammenhang so genau, dass er fast zwingend erscheint. Die Dinosaurier starben an den Folgen eines Kometeneinschlags, dem die Hälfte allen Lebens auf der Erde zum Opfer fiel. Der 10 bis 15 Kilometer große Steinbrocken stammte vermutlich vom weit entfernten Rand unseres Sonnensystems. Dort ist die Anziehungskraft unserer Sonne nur noch schwach. Schon kleinste Störungen reichen aus, um Objekte auf eine neue Bahn zu lenken – hinaus ins All oder auf eine potentiell todbringende Reise ins Innere des Sonnensystems.
Folgt man Lisa Randall könnte die Dunkle Materie für diese Störung verantwortlich sein. Genauer gesagt: Eine Scheibe aus Dunkler Materie, die in die Ebene unserer Milchstraße eingebettet wäre. Auf ihrem Weg durch die Milchstraße pendelt unsere Sonne periodisch auf und ab. Und ungefähr alle 32 Millionen Jahre, wenn sie dabei die dichtere, mittlere Ebene mit der Dunklen Materie durchquert, könnten die Gravitationskräfte dort ein paar Felsbrocken in unsere Richtung stoßen, so die Theorie der Physikerin.

Es fehlen noch wichtige Puzzlestücke

Das ist bis jetzt nicht mehr als ein Gedankenspiel. Aber Lisa Randall lässt den Leser eindrucksvoll daran teilhaben, wie aus einer Hypothese ein wissenschaftliches Modell entsteht, das durch aktuell stattfindende Satellitenmessungen gestützt werden könnte – oder wieder verworfen werden muss. Ihr Buch ist nicht nur eine exzellente Einführung in den Stand der Theorie über Dunkle Materie, es ist auch ein Einblick in wissenschaftliches Denken und Arbeiten.
Selbst fachfremde Erkenntnisse aus Geologie und Paläontologie hat sie überprüft und kritisch nach Hinweisen durchsucht, die auf periodisch wiederkehrende Meteoriteneinschläge deuten könnten. Dabei verliert sie nicht aus den Augen, wie spekulativ das von ihr skizzierte Szenario im Augenblick ist. Noch fehlen wichtige Puzzlestücke in ihrer Theorie: ein wasserdichter Nachweis für die Periodizität von Meteoriteneinschlägen, ein unumstößlicher Beweis für die Existenz Dunkler Materie und ein anerkanntes Modell für ihren Aufbau. Aber gerade durch diese offenen Fragen vermittelt Lisa Randall einem das Gefühl, an vorderster Forschungsfront mit dabei zu sein.

Lisa Randall: Dunkle Materie und Dinosaurier. Die erstaunlichen Zusammenhänge des Universums
Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2016
459 Seiten, 24,99 Euro

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