Literarische Fahrradtour

Rezensiert von Joachim Scholl |
Viele Menschen in Deutschland erinnern sich gern an den entzückenden Film aus den 1960er Jahren "Drei Männer in einem Boot" mit Heinz Erhardt. Kaum jemand weiß allerdings, dass es sich dabei um die Verfilmung eines englischen Klassikers handelt, der bis heute in seinem Heimatland große Popularität genießt und immer wieder nachgedruckt wird.
1889 landete der Schriftsteller Jerome K.Jerome mit "Three Men in a Boat" einen Weltbestseller. Darin unternehmen die drei Herren George, Harris und J. (für Jerome) eine Bootsfahrt auf der Themse, erleben allerlei vergnügliche Abenteuer, räsonieren über Land und Leute, Gott und die Welt sowie die (Ehe-)Frauen. Elf Jahre später ließ der Autor dieselben Männer erneut auf Tour gehen, nun auf dem Fahrrad quer durch Deutschland unter dem schönen Titel "Three Men on a Bummel" – "Drei Männer auf Bummelfahrt".

Fahrrad fahren war um 1900 noch eine neue, aufregende Sache, und der Erzähler J. alias Autor Jerome verwendet viel Sorgfalt auf diese Methode der Fortbewegung, bei der ja allerhand schief gehen kann. Mit viel britischer Ironie werden die Tücken des Objekts geschildert, die sich in einem so ordnungsliebenden Land wie Deutschland noch enorm verschärfen können. Die Reiseroute der Drei verläuft von Hannover über Berlin und Dresden bis zum Schwarzwald.

Nun hat der Autor keineswegs die Absicht, eine Art Reiseführer zu schreiben. Bewusst verzichtet er auf Landschaftsschilderungen und Wegbeschreibungen. Vielmehr erzählt er im Parlando-Ton, was ihm und seinen Kompagnons so einfällt und begegnet. Beständig kommt er vom Hölzchen aufs Stöckchen und vergleicht englische und deutsche Gewohnheiten und Spleens – man ist noch weit entfernt von der erbitterten Feindschaft, die die Verhältnisse nach 1914 nachhaltig vergiftet.

"Dieses Land könnte jeder regieren, sogar ich...", äußert der Junggeselle George einmal und meint damit lediglich, dass ein Staat, in dem Gendarmen und selbst Bahnwärter unbestrittene Autoritäten darstellen, auch den lässigsten Herrscher übersteht. Die Stärke von Jeromes Erzählung liegt in ihrem Witz, einem humorvollen Understatement von entwaffnendem Charme. Man könnte das Buch "harmlos" nennen. Die Leichtigkeit seines Stils aber nötigt zum Respekt.

Jerome K. Jerome wurde 1859 geboren, wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Nach dem frühen Tod seiner Eltern musste Jerome sich als Vierzehnjähriger allein durchschlagen: mit Gelegenheitsjobs bei der Eisenbahn, dann als Reporter und Schauspieler. Später gründete er die Zeitschrift "The Idler" (Der Müßiggänger), schrieb Kritiken und humoristische Erzählungen, bis ihn der Erfolg von "Drei Männer in einem Boot" über Nacht berühmt, reich und unabhängig machte. Jerome K.Jerome starb 1927 als geehrter Schriftsteller, auch wenn sich sein literarischer Ruhm nur auf zwei Bücher stützte.


Jerome K. Jerome: Drei Männer auf Bummelfahrt
Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Renate Orth-Guttmann.
Manesse Bibliothek der Weltliteratur,
Manesse Verlag. Zürich 2005.
382 Seiten, € 19, 90.