Arkadi Babtschenko: EinTag wie ein Leben. Vom Krieg
Aus dem Russischen von Olaf Kühl
Rowohlt Verlag, Berlin 2014
272 Seiten, 19,95 Euro
Schlachtfeld des Menschlichen
Seinen Militärdienst leistete Arkadi Babtschenko in Tschetschenien. Die Kriegserfahrung hat den russischen Journalisten nicht mehr losgelassen. "Ein Tag wie im Leben" ist sein drittes Buch darüber.
Arkadi Babtschenko ist vom Krieg geradezu besessen. Mit "Ein Tag wie ein Leben" legt er sein drittes Buch vor, das sich diesem Thema zuwendet, und erneut ist die eigene Erfahrung dieses Autors, seine Erlebnisse in den zwei Tschetschenien-Kriegen, ein wichtiger Pfeiler seiner Erzählungen. Allerdings erweitert der Autor in diesem Buch sein Blickfeld erheblich und dies sowohl in geographischer als auch in zeitlicher Hinsicht, ein Umstand, der auch auf der reflexiven Ebene Folgen hat.
Denn wenn die vorherigen Bücher Babtschenkos klar auf die Individualisierung des Phänomens Krieg abzielten, auf die Unmittelbarkeit des Erlebens. Auf die Heranführung des Lesers bis zum Leib des einfachen Soldaten, der sein Fleisch und sein Hirn der härtesten Gefährdung aussetzen muss. So geht es auch hier darum, aber eben auch um mehr.
Die Erfahrungen des Kriegsreporters fließen da ein, der etwa an die Schauplätze des russisch-georgischen Konflikts gereist ist und diese noch glühenden Brandherde, diese Landschaften nach der Schlacht, mit der Eindringlichkeit eines Augenzeugen beschreibt, auch ohne selbst Beteiligter gewesen zu sein. Die geopolitische Dimension dieses Konflikts, der da zwischen NATO-Gelüsten auf georgischer Seite und russischen Interessen zu verorten ist, gerät dabei in den Blick, ohne dass die Geschehnisse eine letzte Erklärung finden würden.
Zwielichtige Begegnungen
Begegnungen mit durchaus zwielichtigen "Geschäftsleuten", die offenkundig in der Grauzone des privatwirtschaftlichen Söldnertums ihr Auskommen finden. Leuchten hinein in die Merkwürdigkeiten einer konfliktiven Gegenwart, die unter dem Stichwort "Krieg" nicht mehr ausschließlich nationalstaatliche Konfrontationen versteht. Sondern einen globalisierten, dabei lokal eingegrenzten Wirtschaftsfaktor, der in gewisser Weise auch "Arbeitsplätze" und "Märkte" bereithält, die vielleicht Irak oder Afghanistan heißen.
Immer wieder treibt den Kriegsphänomen-Besessenen die Sinnfrage um. Wozu tut man das? Wer unter den unmittelbar Beteiligten versteht eigentlich die Motive für das Kämpfen? Unter welchen Bannern werden diese Auseinandersetzungen geführt? Heimat, Patriotismus, Religion, Pflicht - Begriffe, die Babtschenko unaufdringlich in die Debatte wirft, weil er sie an konkreten Personen und ihren Lebensläufen entlang verhandelt. Aus der jeweiligen Geschichte selbst ergeben sich diese Fragestellungen, die nach Werten fragen, wobei die Antworten eher verhalten ausfallen.
Verarmte Kriegsveteranen
Als schlichtweg desaströs beschreibt er die Situation jener – inzwischen uralten – Generation von Kriegsveteranen, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben und im heutigen Russland ein Bettlerdasein führen müssen. Die thematische Linie – Wie geht das Land mit seinen Kriegsveteranen um? - wird aber auch am Beispiel der Afghanistan- und Tschetschenien-Veteranen verfolgt, auch dies ein nicht allzu rühmliches Kapitel.
"Vom Krieg", das ist ein gut gewählter Untertitel für dieses Buch. Zwischen literarischer Reportage, historischem Exkurs und sozialpsychologischer Reflexion sondiert es am jeweiligen Beispiel jenes beunruhigende Terrain, das für uns seit langer Zeit woanders liegt, ohne dass es den Anspruch erheben würde, die jeweilige Situation erschöpfend zu erklären. Dieses "Woanders" ist hier nichts anderes als ein Schlachtfeld des Menschlichen, im Zweifelsfall gar nicht so weit entfernt.