Robert Menasse: "Die Hauptstadt"
Suhrkamp, Berlin 2017
459 Seiten, 12 Euro
Roman: "Die Hauptstadt"
02:09 Minuten
Nicht alles ist toll an Europa, aber alle Alternativen wären schlechter. Daran lässt Robert Menasse keinen Zweifel. Kinderfunkredakteur Roland Krüger schenkt das Buch seinem britischen Freund Jonathan.
1. Worum geht es?
Etwas ist faul in der Staatengemeinschaft Europa. Und damit meine ich mal nicht den Brexit, das Problem sitzt tiefer in Robert Menasses skurrilem EU-Roman "Die Hauptstadt".
Die Europäische Kommission möchte ihr Ansehen aufpolieren. Damit befasst wird Fenia Xenopoulou, aus Zypern stammende Beamtin in der Generaldirektion Kultur. Gemeinsam mit einem Kollegen entwickelt sie eine Idee, die ganz gut klingt, dann aber in den Mühlen der europäischen Befindlichkeiten zerrieben und im Kampf zwischen Kommission und Europäischem Rat vollends zu Bruch geht.
Nicht besser ergeht es David de Vriend. Als Kind ist er einst von einem Deportationszug gesprungen, nun wird er in einem Brüsseler Altenheim langsam dement. Dass ausgerechnet er im Mittelpunkt des glanzvollen Kommissionsauftritts stehen soll, das weiß er zu seinem Glück gar nicht.
Und zu allem Übel läuft ein Schwein durch die Straßen von Brüssel. Ganz unbekümmert, wie Tiere vermutlich sind, aber mit dem Potenzial, zu bezeugen, dass in Europas Hauptstadt so manche Schweinerei bis zum Himmel stinkt.
2. Was ist das Besondere?
Das Besondere an dem Roman ist das diebische Vergnügen, mit dem Robert Menasse alles an und in Europa in Frage stellt, was wir sonst immer als selbstverständlich hinnehmen.
Fast jeder hadert mit seiner eigenen Nation und erst recht mit den übrigen – vor lauter Alltagshektik ist längst die Idee der Europäischen Gründungsväter über Bord gegangen. Und doch: Robert Menasse lässt keinen Zweifel daran: Europa ist eine gute Idee!
3. Wem wollen Sie es denn schenken – und warum?
Das Buch möchte ich meinem Freund Jonathan in London schenken. Er hat vor dreieinhalb Jahren gegen den Brexit gestimmt, und er ist ziemlich wütend darüber, dass so viele seiner Landsleute Europa abgelehnt haben. Ich glaube nämlich, die Lektüre würde ihn ein wenig besänftigen.
Der Brexit ist doof, gar keine Frage, aber Robert Menasse zeigt in seinem vielseitigen Roman mal amüsant, mal tieftraurig, aber immer treffend: Der Mensch kann planen, soviel er will, die größten Unbekannten sind der Zufall und das Schicksal.