Frank Westerman: "Das Tal des Todes – Eine Katastrophe und ihr Erfindung"
Ch. Links, Berlin 2018
328 Seiten, 22 Euro
Sachbuch: "Das Tal des Todes – Eine Katastrophe und ihre Erfindung"
02:12 Minuten
Was ist wahr? Was falsch? Frank Westerman zeigt anhand einer wahren Geschichte, wie die Mechanismen und Zusammenhänge von Wahrheit, Fakten und ihrer Deutung funktionieren. Filmredakteur Patrick Wellinski schenkt es seinem Freund Kai.
Worum es geht?
Ich verschenke "Das Tal des Todes" von dem niederländischen Reporter Frank Westerman. Westerman untersucht darin eine der mysteriösesten Naturkatastrophen des 20. Jahrhunderts. Folgendes ist passiert: Am 21. August 1986 kam es bei Neumond im Nyos-Tal im Nordwesten Kameruns zu einem kompletten Artensterben. Plötzlich und ohne Vorwarnung starben im Verlauf einer Stunde fast 2000 Menschen und alle Tiere, wie Vögel, Affen und Rinder. Nur ein paar Hütten blieben unversehrt. Das sind die Fakten. Aber was ist passiert? Westerman reist nach Kamerun und sieht, wie der Streit um eine Antwort nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Bevölkerung, Politik und Kirche entzweit.
Was ist das Besondere?
Das Buch hat den Untertitel "Eine Katastrophe und ihre Erfindung" – und das verweist schon darauf, dass es sich hier nicht bloß um ein Protokoll eines Ereignisses handelt. Westerman interessiert sich für den Prozess der Interpretation von Fakten. Die Wissenschaftler aus Europa haben eine Theorie über das Unglück, die aus den USA eine andere, und die Missionare vor Ort finden ihre Antwort, die sich völlig von der der Politik unterscheidet. Bald ist nicht mehr die Frage, was im Nyos-Tal geschah, sondern: Wer hat Recht? Auch Jahre später blühen die Mythen und Legenden. Sie werden instrumentalisiert, politisch, militärisch, kulturell, und gefährden so das soziale Gefüge Kameruns. Damit liefert Westerman einen erstaunlich aktuellen Leitfanden über die Mechanismen und Zusammenhänge von Wahrheit, Fakten und ihrer Deutung.
Wem wollen Sie es schenken?
Ich schenke "Das Tal des Todes" meinem guten Freund Kai, der als Korrespondent in Dresden arbeitet. Dort, wo die politische Lage seit Jahren von Deutungshoheiten und Wirklichkeitskonstruktion dominiert wird. Vielleicht kann ihm das Buch da ein hilfreicher Kompass sein, im postfaktischen Alltag zwischen sächsischen Fake News und Spindoktoren.