Julian Barnes "Die einzige Geschichte"
Aus dem Englischen von Gertraude Krueger
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019
304 Seiten, 22 Euro
Roman: „Die einzige Geschichte“
02:17 Minuten
Julian Barnes schreibt großartig und ohne Kitsch über die erste große Liebe – und darüber wie sie scheitert. Das ist große Kunst. Wissenschaftsredakteur Martin Mair schenkt es seiner besten Freundin.
Worum geht’s?
Ich verschenke einen großen Roman über Liebe und Schuld: Julian Barnes "Die einzige Geschichte". Die beginnt im miefigen Großbritannien der 60er Jahre. Der 19-jährige Paul verliebt sich in Susan, die fast 30 Jahre älter und verheiratet ist. So fest, wie man es nur bei der allerersten Liebe glauben kann, fühlt Paul: Susan ist die Frau fürs Leben – allen Hindernissen dieser Amour fou zum Trotz. Aber das Glück ist vergänglich und irgendwann muss sich Paul eingestehen: Die Liebe ist doch nicht stärker als alles andere.
Was ist das Besondere?
Das Besondere für mich liegt darin, dass Barnes ein seltenes Kunststück gelingt. Er schafft es, über eine große Liebe zu schreiben, ohne in einer einzigen Silbe kitschig zu sein. Und es gelingt ihm, vom Leid, das zwingend zur Liebe gehört, zu erzählen, ohne es zu verklären. Es ist ein schonungsloses Buch über zwei Menschen, die sich finden, alles geben wollen und sich am Ende doch verlieren. Das Ganze passiert aus unterschiedlichen Erzählperspektiven und das macht das Buch so bewegend, wie verstörend. Denn aus der Liebesgeschichte wird ein Roman über Schuld: Ist Paul verantwortlich, dass er Susan nicht retten konnte? Und wenn ja: Wie kann er damit weiterleben?
Wem wollen Sie es schenken?
Ich schenke das Buch meiner besten Freundin Marie, die mich seit mehr als 20 Jahren in meinem Leben begleitet. In guten wie in schlechten Zeiten. Und ich weiß, dass auch Sie sich schon häufiger eine knifflige Frage gestellt hat, die Barnes uns ganz am Anfang des Texts beiläufig hinwirft, nämlich: "Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden oder weniger lieben und weniger leiden?" Mir hat der Roman sehr bewusst gemacht: Wir haben die Antwort darauf überhaupt nicht in der Hand in unserem Leben – so sehr wir uns das vielleicht auch wünschen. Und deshalb ist für mich die Quintessenz des Roman: Die Liebe mag das Leben aufregend und schön machen – erträglich aber wird es nur, wenn man Freunde hat. Diese Liebeserklärung an eine Freundin kann Barnes aber viel schöner formulieren als ich es könnte und deshalb verschenke ich den Roman.