Literarischer Adventskalender (7)

Jennifer Clement: "Gebete für die Vermissten"

"Gebete für die Vermissten" von Jennifer Clement.
Heute in unserem Adventskalender: "Gebete für die Vermissten" von Jennifer Clement. © Suhrkamp / Montage: DLF Kultur
Von Stephanie von Oppen |
Das Mädchen Ladydi wächst in einem mexikanischen Bergdorf auf, das von der Drogenmafia kontrolliert wird. Die schwierigen Lebensverhältnisse dort werden aus ihrer Sicht erzählt, doch neben den Problemen beschreibt sie auch Lebenslust und menschliche Wärme.
Dieses Jahr verschenke ich das Buch "Gebete für die Vermissten" von Jennifer Clement. Darin geht es um ein Mädchen mit dem schönen Namen Ladydi, die in einem mexikanischen Bergdorf inmitten von Mohn- und Marihuana-Feldern lebt. Es ist eine Gegend, wo die Drogenmafia mit gnadenloser Willkür regiert.
Ladydi wächst unter ärmlichsten Bedingungen in einer Gesellschaft fast ohne Männer auf. Die sind tot oder wie ihr Vater in die USA gegangen. Ihre Mutter lebt wie alle anderen Mütter im Dorf in ständiger Angst vor den Drogendealern, die jeden Moment auftauchen können, um eines der Mädchen zu entführen. Ladydi entkommt den Kidnappern gerade so. Dafür wird sie von ihrem Cousin in einen Drogendeal verwickelt.
Ich finde es großartig, dass die US-amerikanische Autorin Jennifer Clement ihren Stoff offensichtlich sehr gut kennt. Sie hat lange in Mexiko recherchiert.

Zugleich lakonisch und poetisch

Und ich bin begeistert von ihrem literarischen Ton. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des Mädchens Ladydi, die ihre Umgebung klug und sehr humorvoll beobachtet. Die Sprache ist nüchtern, lakonisch und zugleich sehr lebendig, manchmal poetisch. Ich war sofort total gefesselt von dem Buch.
Ladydi beschreibt ihre sehr schwierigen Lebensverhältnisse. Trotzdem hat sie eine ungebrochene Lebenslust und man spürt die Wärme, die sie, ihre Mutter, ihre Halbschwester, ihre Freundinnen füreinander empfinden. Selbst als sie später im Gefängnis landet, gibt es immer wieder sehr schöne und unerwartete Momente der Zwischenmenschlichkeit.
So grausam auch die Welt ist, um die es geht, hat doch das Buch - auch wenn das vielleicht pathetisch klingt - mein Herz erwärmt.
Das Buch möchte ich meiner guten Freundin Gudula schenken, die als politische Redakteurin arbeitet. Ich glaube, dass ihr die Art des Erzählens von Jennifer Clement gefallen wird, da sie ein feines Gespür für Sprache hat und selber gerne schreibt.

Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten
übersetzt von Nicolai von Schweder-Schreiner
Suhrkamp, Berlin 2014
230 Seiten, 8,99 EUR

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