Literat des Protestes
"Keine Literatur der Anklage, wohl aber eine Literatur des Protestes" wollte der 1917 geborene mexikanische Autor Juan Rulfo schaffen. Als Staatsdiener lebte er lange Zeit in Mexiko-Stadt. Dennoch fühlte er sich vor allem dem ländlichen Mexiko verbunden, schilderte Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit.
Rückständig, ungeheuer rückständig wirkt Jalisco, die entlegene Region im Westen Mexikos, in der Juan Rulfo im Mai 1917, also kurz nach Ende der mexikanischen Revolution, zur Welt kam. Doch die Gegend fand auch in der Folgezeit keine Ruhe. Mitte der 20er Jahre wurde sie zum Zentrum der so genannten "guerra de los cristeros", eines bäuerlichen Aufstands gegen die kirchenfeindliche Politik der Zentralregierung. Während der Auseinandersetzungen wurde auch der Vater des kleinen Juan getötet - eine traumatische Erfahrung, die Rulfo in mehreren Texten verarbeitete.
"Wer? Sprichst du von meinem Vater? Er kann nicht sterben. Gegen ihn kommt niemand an. Die Vorsehung ließe die Erde sterben. Sie ließe die Felder verdorren, das Leben für den Menschen nutzlos werden. Er hat uns das Leben gegeben, und wenn wir spüren, dass es Tag wird, dann seinetwegen, und wenn wir das Leben spüren, dann auch seinetwegen. Er kann nicht sterben."
Doch, der Vater kann sterben. Kurz nach ihm stirbt auch Rulfos Mutter. Der Tod ist in Mexiko allgegenwärtig, wie auch viele andere Spielformen des Elends. Ein Elend, das für Rulfo kaum akzeptabel ist.
" In gewissem Sinn handelt es sich bei meinen Werken um eine soziale Literatur, in deren Mittelpunkt ein soziales Problem steht. Natürlich geht es dabei um einen Protest gegen die Ungerechtigkeit, wenn man so will. Aber dieser Protest ist nicht zum Prinzip erhoben worden. Es ist keine Literatur der Anklage, wohl aber eine Literatur des Protestes. Denn es ist nicht einfach, die Dinge so zu lassen wie sie sind."
Ihren künstlerischen Ausdruck findet diese Anklage in dem 1955 veröffentlichten Roman "Pedro Páramo". Die Titelfigur des Romans hatte zu Lebzeiten das Dorf Comala mit brutaler Gewalt regiert. "Páramo" heißt auf Spanisch "Ödland", und tatsächlich ist das Dorf nach dem Tod des Despoten so öde, still, verlassen, dass die wenigen Bewohner zwischen Wahn und Wirklichkeit kaum mehr unterscheiden können.
" Dieses Dorf ist voller Echos. Es ist so, als ob sie in dem Hohlraum zwischen den Wänden oder unter den Steinen eingeschlossen wären. Wenn man geht, hat man das Gefühl, dass jemand hinter einem hergeht. Es knirscht. Und man hört Gelächter, sehr altes Gelächter, das schon müde vom Lachen ist. Und Stimmen, die schon abgenutzt sind. All das hört man. Es wird einmal ein Tag kommen, denke ich immer, da werden alle diese Geräusche verstummen."
Bedeutender als die äußere Wirklichkeit ist für Rulfos Figuren die innere – auch wenn die keineswegs Erlösung verspricht.
"Es gibt einen Unterschied zwischen Realismus und Realität. Ich glaube, auch wenn man sich noch so sehr bemüht, neue Dinge zu erfinden, wird man sich doch nie ganz von der Wirklichkeit lösen können. (…) Die Erzählungen sind ein Produkt meiner Imagination. (…) Nun, es sind Erlebnisse, die man nicht erlebt hat, die aber darum nicht weniger wirklich sind."
Als Staatsdiener lebte Rulfo lange Zeit in Mexiko-Stadt. Dennoch fühlte er sich vor allem dem ländlichen Mexiko verbunden. Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit dieser Regionen versuchte er auch in der Geschichte "Luvina" aus dem ebenfalls Mitte der 1950er Jahre erschienenen Erzählband "Der Llano in Flammen" Ausdruck zu geben.
"In "Luvina" verlassen nur die jungen Menschen das Dorf. Und wenn die anderen nicht fortgehen dann nur, weil sie ihre Toten lieben. (…) Denn für sie leben die Toten noch. Sich von ihnen lösen zu wollen, wäre genauso unmöglich, als versuchte man plötzlich, all seine Erinnerungen zu zerstören. Man kann nicht in jedem Augenblick, zu jedem Zeitpunkt neu anfangen zu leben."
Rulfo war nicht nur ein begnadeter Autor, sondern auch ein einfühlsamer Fotograf. Seine Bilder lassen erkennen, was der Schriftsteller vor Augen hatte, als er seine Texte schrieb. Am 7. Januar 1986 ist Juan Rulfo in Mexiko-Stadt gestorben.
"Wer? Sprichst du von meinem Vater? Er kann nicht sterben. Gegen ihn kommt niemand an. Die Vorsehung ließe die Erde sterben. Sie ließe die Felder verdorren, das Leben für den Menschen nutzlos werden. Er hat uns das Leben gegeben, und wenn wir spüren, dass es Tag wird, dann seinetwegen, und wenn wir das Leben spüren, dann auch seinetwegen. Er kann nicht sterben."
Doch, der Vater kann sterben. Kurz nach ihm stirbt auch Rulfos Mutter. Der Tod ist in Mexiko allgegenwärtig, wie auch viele andere Spielformen des Elends. Ein Elend, das für Rulfo kaum akzeptabel ist.
" In gewissem Sinn handelt es sich bei meinen Werken um eine soziale Literatur, in deren Mittelpunkt ein soziales Problem steht. Natürlich geht es dabei um einen Protest gegen die Ungerechtigkeit, wenn man so will. Aber dieser Protest ist nicht zum Prinzip erhoben worden. Es ist keine Literatur der Anklage, wohl aber eine Literatur des Protestes. Denn es ist nicht einfach, die Dinge so zu lassen wie sie sind."
Ihren künstlerischen Ausdruck findet diese Anklage in dem 1955 veröffentlichten Roman "Pedro Páramo". Die Titelfigur des Romans hatte zu Lebzeiten das Dorf Comala mit brutaler Gewalt regiert. "Páramo" heißt auf Spanisch "Ödland", und tatsächlich ist das Dorf nach dem Tod des Despoten so öde, still, verlassen, dass die wenigen Bewohner zwischen Wahn und Wirklichkeit kaum mehr unterscheiden können.
" Dieses Dorf ist voller Echos. Es ist so, als ob sie in dem Hohlraum zwischen den Wänden oder unter den Steinen eingeschlossen wären. Wenn man geht, hat man das Gefühl, dass jemand hinter einem hergeht. Es knirscht. Und man hört Gelächter, sehr altes Gelächter, das schon müde vom Lachen ist. Und Stimmen, die schon abgenutzt sind. All das hört man. Es wird einmal ein Tag kommen, denke ich immer, da werden alle diese Geräusche verstummen."
Bedeutender als die äußere Wirklichkeit ist für Rulfos Figuren die innere – auch wenn die keineswegs Erlösung verspricht.
"Es gibt einen Unterschied zwischen Realismus und Realität. Ich glaube, auch wenn man sich noch so sehr bemüht, neue Dinge zu erfinden, wird man sich doch nie ganz von der Wirklichkeit lösen können. (…) Die Erzählungen sind ein Produkt meiner Imagination. (…) Nun, es sind Erlebnisse, die man nicht erlebt hat, die aber darum nicht weniger wirklich sind."
Als Staatsdiener lebte Rulfo lange Zeit in Mexiko-Stadt. Dennoch fühlte er sich vor allem dem ländlichen Mexiko verbunden. Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit dieser Regionen versuchte er auch in der Geschichte "Luvina" aus dem ebenfalls Mitte der 1950er Jahre erschienenen Erzählband "Der Llano in Flammen" Ausdruck zu geben.
"In "Luvina" verlassen nur die jungen Menschen das Dorf. Und wenn die anderen nicht fortgehen dann nur, weil sie ihre Toten lieben. (…) Denn für sie leben die Toten noch. Sich von ihnen lösen zu wollen, wäre genauso unmöglich, als versuchte man plötzlich, all seine Erinnerungen zu zerstören. Man kann nicht in jedem Augenblick, zu jedem Zeitpunkt neu anfangen zu leben."
Rulfo war nicht nur ein begnadeter Autor, sondern auch ein einfühlsamer Fotograf. Seine Bilder lassen erkennen, was der Schriftsteller vor Augen hatte, als er seine Texte schrieb. Am 7. Januar 1986 ist Juan Rulfo in Mexiko-Stadt gestorben.