Literatur aus Vietnam

Krieg, Flucht und Heimweh

Eine Frau besucht das Museum Dien Bien Phu in Nordvietnam.
Der Blick zurück auf die eigene Geschichte: eine Frau besucht das Museum Dien Bien Phu in Nordvietnam. © picture alliance / dpa
Joachim Scholl im Gespräch mit Katharina Borchardt |
Nach dem Vietnam-Krieg erschienen zunächst nur kommunistische Heldengeschichten von Autoren aus dem asiatischen Land. Seit den 80er Jahren befassen sich Schriftsteller mit den schmerzhaften Erinnerungen der Veteranen und dem Heimweh der Geflohenen.
Bis zu vier Millionen Vietnamesen sollen während des Vietnam-Krieges umgekommen sein. Doch auch der nachfolgende Frieden kostete Opfer: Unter den siegreichen Kommunisten wurden viele Menschen hingerichtet oder verschwanden in Umerziehungslagern. Einige flüchteten daher übers Meer – die so genannten "boat people".
Lange Zeit seien nur kommunistische Heldengeschichten über den Vietnam-Krieg erschienen, sagt die Journalistin Katharina Borchardt im Deutschlandradio Kultur. Erst in den späten 80er-Jahren habe die vietnamesische Literatur begonnen, sich kritisch mit dem Krieg im eigenen Land auseinanderzusetzen.
Von dem Krieg, der Flucht und der Suche nach einer neuen Heimat handeln drei neue vietnamesische Romane, die Borchardt vorstellt. In "Die Leiden des Krieges" befasse sich Bao Ninh, selbst ein Kriegsveteran, unter anderem mit Gräueltaten und Verrat. Nässe, Ungeziefer, die Dunkelheit des Dschungels - all das werde beschrieben, um zu verbildlichen, wie Krieg wirklich sei: "Das Schrecklichste, was man sich überhaupt vorstellen kann."
Sehr französisch geprägte Romane
"FLUTwelle" von Linda Lê spielt in Paris. Es geht um einen vietnamesischen Flüchtling, der von seiner französischen Frau überfahren wird. Der Hintergrund der Geschichte wird erst langsam enthüllt. Als der Mann seine Halbschwester kennen lernt, erwacht in ihm eine bislang unterdrückte Sehnsucht nach seinem Heimatland Vietnam.
Genau wie Linda Lê ist auch Kim Thúy einst aus Vietnam ausgewandert. In ihrem Buch "Der Geschmack der Sehnsucht" geht es um eine Vietnamesin, die in einem Restaurant in Kanada arbeitet. Der Krieg spielt in ihren Gedanken an das Heimatland eine untergeordnete Rolle.
Die Romane der beiden weiblichen Autoren seien sehr französisch geprägt. Auf den ersten Blick seien ihre Bücher eher unpolitisch, es gehe um die Such nach Heimat und um persönliche Beziehungen. Katharina Borchardt betont, dass die Autorinnen sich nicht mit dem Krieg auseinandersetzen und weder mit den Amerikanern noch mit den Kommunisten abrechnen. Es sei erstaunlich, dass "sie keine Position beziehen und eher mit den ehemaligen Kolonialherren fraternisieren".

Bao Ninh: Die Leiden des Krieges
Aus dem Vietnamesischen von Günter Giesenfeld, Marianne Ngo und Nguyen Ngoc Tan
Mit Illustrationen von Helmut Stabe
Mitteldeutscher Verlag, 24,95 Euro

Kim Thúy: Der Geschmack der Sehnsucht
Aus dem Französischen von Andrea Alvermann und Brigitte Große
Verlag Antje Kunstmann, 16,95 Euro

Linda Lê: FLUTwelle
Aus dem Französischen von Brigitte Große
Dörlemann-Verlag, 22,90 Euro