Literatur in Flammen
Ein früher Höhepunkt der NS-Barbarei war die sogenannte "Aktion wider den undeutschen Geist" am 10. Mai 1933: Deutsche Studenten verbrannten an diesem Tag die Bücher missliebiger Autoren. Ein reaktionärer Anschlag auf die Freiheit des Geistes.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verarmte das kulturelle Leben in Deutschland in kaum vorstellbarem Ausmaß. Von diesem Niedergang war zuerst die Literatur betroffen. Autoren und Verleger moderner Literatur wurden Opfer der nun herrschenden reaktionären Kunstauffassung. Zu deren Symbol wurde die "Aktion wider den undeutschen Geist" am 10. Mai 1933: An jenem Tag verbrannten Studenten in fast allen deutschen Universitätsstädten die Bücher missliebiger Autoren auf Scheiterhaufen.
"Gegen Dekadenz und moralischen Verfall. Für Zucht und Sitte in Familie und Staat. Ich übergebe dem Feuer die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Gläser, Erich Kästner!"
Erich Kästner, der in Berlin Augenzeuge der Verbrennung seiner Bücher wurde, war ein Exponent der großstädtisch geprägten Literatur der Weimarer Republik, die von Nazis und Kulturkonservativen als "Asphaltliteratur" geschmäht wurde. Dass sein Sprachwitz vielen "national" empfindenden Bürgern ein Dorn im Auge war, wusste Kästner schon lange. 1927 hatte er sogar seine Anstellung im Feuilleton einer Dresdner Zeitung verloren, weil er im Beethoven-Gedenkjahr ein Gedicht unter dem Titel "Abendlied des Kammervirtuosen" veröffentlicht hatte, dessen erste Strophe lautete:
"Du meine neunte Sinfonie!
Wenn du das Hemd an hast mit rosa Streifen
Komm wie ein Cello zwischen meine Knie,
Und lass mich zart in deine Saiten greifen!"
Solch ironischer Umgang mit der deutschen Kulturtradition hatte 1933 ein Ende. Bierernst sollte die deutsche Kultur fortan gefeiert werden. So war es nur konsequent, wenn sich nun Aktivisten des NS-Studentenbundes, Burschenschafter und Verbindungsstudenten berufen fühlten, die Reinigung der deutschen Bücherregale von "undeutschem Geist" voranzutreiben. Vom Aufmarsch zur Bücherverbrennungsfeier in Göttingen berichtete das örtliche Tageblatt:
"Das Braun der SA- und SS-Studenten beherrscht das lebensvolle Bild. Daneben sieht man das Grau der Hochschulgruppe des Bundes der Frontsoldaten, die im Stahlhelm angetreten ist, und dann die schier endlosen Reihen der Korporationsstudenten in bunten Mützen und Bändern, deren Farben im ungewiss flackernden Lichte der Fackeln hell aufleuchten."
Die Universitäten waren bereits in den 20er Jahren Hochburgen der völkischen Studenten gewesen. Die "Aktion wider den undeutschen Geist" war also nicht von ungefähr eine Initiative der Deutschen Studentenschaft, des Dachverbands der gewählten Studentenvertretungen.
Die Säuberung der Bibliotheken und Verlagsprogramme war zu diesem Zeitpunkt längst in vollem Gange. Bezeichnend war, dass sich die Studenten die schwarzen Listen, auf denen über 200 Autoren, darunter Erich Maria Remarque, Irmgard Keun und Emil Ludwig standen, bei einem Berliner Bibliothekar beschafften, der bereits von Amts wegen dabei war, die öffentlichen Bibliotheken von unerwünschter Literatur zu säubern. Die studentischen "Sammelaktionen" bei Buchhändlern und gewerblichen Leihbüchereien hatten eindeutig die Billigung der neuen Machthaber: Zumeist assistierten dabei Kriminalbeamte.
Um die Professoren für die Aktion zu gewinnen, brauchte man keine Polizei: In manchen Aulen fanden an diesem 10. Mai Festveranstaltungen statt. In Göttingen hielt der Germanist Gerhard Fricke die Brandrede:
"Wo die Brunnenkräfte unserer völkischen Gesundheit vergiftet oder geschwächt werden, kennen wir keinen Pardon mehr. Wir können es verhindern, dass die Literatur weiterhin das Werkzeug bleibt, mit dem der zersetzende jüdische Geist nach Belieben schalten und walten kann".
Propagandaminister Joseph Goebbels, den die Studentenschaft für die Brandrede in Berlin gewonnen hatte, war genau der richtige Mann, um diese feige Aktion zu einer revolutionären Tat umzudeuten. Doch in Zukunft, so rief er den Studenten zu, sollten sie vor allem Karriere machen:
"So, wie Ihr in der Vergangenheit das Recht hattet, den falschen Staat, den Unstaat, zu berennen und niederzuwerfen, so wie Ihr das Recht hattet, den falschen Autoritäten dieses Unstaates den Respekt und Eure Achtung zu versagen, so habt Ihr nun die Pflicht, in den Staat hineinzugehen, den Staat zu tragen und die Autoritäten dieses Staates neuen Glanz, neue Würde und neue Geltung zu verleihen."
"Gegen Dekadenz und moralischen Verfall. Für Zucht und Sitte in Familie und Staat. Ich übergebe dem Feuer die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Gläser, Erich Kästner!"
Erich Kästner, der in Berlin Augenzeuge der Verbrennung seiner Bücher wurde, war ein Exponent der großstädtisch geprägten Literatur der Weimarer Republik, die von Nazis und Kulturkonservativen als "Asphaltliteratur" geschmäht wurde. Dass sein Sprachwitz vielen "national" empfindenden Bürgern ein Dorn im Auge war, wusste Kästner schon lange. 1927 hatte er sogar seine Anstellung im Feuilleton einer Dresdner Zeitung verloren, weil er im Beethoven-Gedenkjahr ein Gedicht unter dem Titel "Abendlied des Kammervirtuosen" veröffentlicht hatte, dessen erste Strophe lautete:
"Du meine neunte Sinfonie!
Wenn du das Hemd an hast mit rosa Streifen
Komm wie ein Cello zwischen meine Knie,
Und lass mich zart in deine Saiten greifen!"
Solch ironischer Umgang mit der deutschen Kulturtradition hatte 1933 ein Ende. Bierernst sollte die deutsche Kultur fortan gefeiert werden. So war es nur konsequent, wenn sich nun Aktivisten des NS-Studentenbundes, Burschenschafter und Verbindungsstudenten berufen fühlten, die Reinigung der deutschen Bücherregale von "undeutschem Geist" voranzutreiben. Vom Aufmarsch zur Bücherverbrennungsfeier in Göttingen berichtete das örtliche Tageblatt:
"Das Braun der SA- und SS-Studenten beherrscht das lebensvolle Bild. Daneben sieht man das Grau der Hochschulgruppe des Bundes der Frontsoldaten, die im Stahlhelm angetreten ist, und dann die schier endlosen Reihen der Korporationsstudenten in bunten Mützen und Bändern, deren Farben im ungewiss flackernden Lichte der Fackeln hell aufleuchten."
Die Universitäten waren bereits in den 20er Jahren Hochburgen der völkischen Studenten gewesen. Die "Aktion wider den undeutschen Geist" war also nicht von ungefähr eine Initiative der Deutschen Studentenschaft, des Dachverbands der gewählten Studentenvertretungen.
Die Säuberung der Bibliotheken und Verlagsprogramme war zu diesem Zeitpunkt längst in vollem Gange. Bezeichnend war, dass sich die Studenten die schwarzen Listen, auf denen über 200 Autoren, darunter Erich Maria Remarque, Irmgard Keun und Emil Ludwig standen, bei einem Berliner Bibliothekar beschafften, der bereits von Amts wegen dabei war, die öffentlichen Bibliotheken von unerwünschter Literatur zu säubern. Die studentischen "Sammelaktionen" bei Buchhändlern und gewerblichen Leihbüchereien hatten eindeutig die Billigung der neuen Machthaber: Zumeist assistierten dabei Kriminalbeamte.
Um die Professoren für die Aktion zu gewinnen, brauchte man keine Polizei: In manchen Aulen fanden an diesem 10. Mai Festveranstaltungen statt. In Göttingen hielt der Germanist Gerhard Fricke die Brandrede:
"Wo die Brunnenkräfte unserer völkischen Gesundheit vergiftet oder geschwächt werden, kennen wir keinen Pardon mehr. Wir können es verhindern, dass die Literatur weiterhin das Werkzeug bleibt, mit dem der zersetzende jüdische Geist nach Belieben schalten und walten kann".
Propagandaminister Joseph Goebbels, den die Studentenschaft für die Brandrede in Berlin gewonnen hatte, war genau der richtige Mann, um diese feige Aktion zu einer revolutionären Tat umzudeuten. Doch in Zukunft, so rief er den Studenten zu, sollten sie vor allem Karriere machen:
"So, wie Ihr in der Vergangenheit das Recht hattet, den falschen Staat, den Unstaat, zu berennen und niederzuwerfen, so wie Ihr das Recht hattet, den falschen Autoritäten dieses Unstaates den Respekt und Eure Achtung zu versagen, so habt Ihr nun die Pflicht, in den Staat hineinzugehen, den Staat zu tragen und die Autoritäten dieses Staates neuen Glanz, neue Würde und neue Geltung zu verleihen."