Skandal verkauft sich gut
Wenn Skandal-Autorin Charlotte Roche über Urin, Eiter und Sperma schreibt, dreht das Feuilleton durch - und das Buch wird zum Kassenschlager. Andrea Bartl hat das Phänomen des Literaturskandals erforscht. Was sie herausfand, ist erstaunlich.
Nichts ist schöner als ein handfester Skandal. Vor allem, wenn es um Schriftstellerei geht. Dann dreht das Feuilleton durch, das Publikum applaudiert - und das Buch wird in der Regel zum Kassenschlager. So war es bei Charlotte Roche, die mit ihren "Feuchtgebieten" scheinbare sexuelle Tabus gebrochen hat. Oder bei Helene Hegemann, die sich beim Abschreiben ertappen ließ.
Die Bamberger Germanistikprofessorin Andrea Bartl hat das Phänomen des Literaturskandals erforscht. Obwohl Sakandale "so alt wie die Literatur an sich" seien, werde das Thema erst seit 30 Jahren wissenschaftlich untersucht, sagt Bartl im Deutschlandradio Kultur. "Das mag daran liegen, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen Angst vor dem Frivolen, vor dem Trivialen haben."
Skandale schon bei Minnesängern beliebt
In ihrer Arbeit hat Bartl herausgefunden, dass nicht nur die medial so leicht erregbare Gegenwart anfällig für die Skandalisierung ist, sondern dass bereits die Minnesänger des Mittelalters mit ihrer höfischen Dichtung öfter mal für große Aufregung gesorgt haben. Die Skandale würden im historischen Vergleich nach einem ähnlichen Muster ablaufen, so Bartl. "Ein Skandal ist wie ein kleines Drama." Es brauche Figuren wie den provokanten Autor, den empörten Leser und ein breites Publikum. Auch die verschiedenen Phasen des Skandals, der auf einen Höhepunkt zu läuft und danach wieder abflaut, hätten eine gewissen Dramaturgie.