Literatur über die Ukraine
Die Ukraine war für viele europäische Nachbarn bis zum 24. Februar 2022 ein weitgehend unbekanntes Land. Es gibt lesenswerte Bücher, die das verändern können. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Alastair Grant
Das Land hinter der blau-gelben Flagge
10:50 Minuten
Über die Ukraine, ihre Geschichte und ihre Traditionen haben sich viele von uns bis vor Kurzem kaum Gedanken gemacht. Das änderte sich erst, als Russland das Nachbarland angriff. Wir empfehlen Bücher, die Ihnen den östlichen EU-Anrainer näher bringen.
Weit weg ist die Ukraine nicht – Kiew und Berlin trennen nur gut 1300 Kilometer. Gefühlt ist die Entfernung aber wesentlich größer, und viele EU-Bürgerinnen und Bürger hätten bis zum 24. Februar dieses Jahres nicht viel über das Nachbarland im Osten zu sagen gewusst, außer, dass die Ukraine zur Sowjetunion gehörte bis zu deren Auflösung. Wie es dazu kam und was davor lag, wissen die wenigsten.
Für Cineasten rückte die schwierige Beziehung zwischen der Ukraine und Russland durch Agnieszka Hollands Kinofilm "Gareth Jones" stärker ins Bewusstsein. Der Film thematisiert den Holodomor und dessen schreckliche Folgen im Winter 1932/33: das gezielte Aushungern der Menschen in der Ukraine durch die Getreidepolitik der Regierung in Moskau.
Bücher und Zeitschriften gegen die Wissenslücken
Das fehlende Hintergrundwissen über die Ukraine kann man sich aber schnell und mit Gewinn anlesen. Hier eine Auswahl an lohnenden Veröffentlichungen von Osteuropaexpertinnen und -experten, empfohlen von dem Literaturjournalisten Jörg Plath:
Hans Jürgen Balmes, Alexander Roesler (Hrg.): "Neue Rundschau. Nachdenken über die Ukraine", Heft 2/2022
S. Fischer, 2022
144 Seiten, 17 Euro
Die Texte in diesem Sonderheft der "Neuen Rundschau" sollen zum Verständnis der Situation beitragen. Warum hat der Westen den Einmarsch nicht kommen sehen? Wie war und wie ist überhaupt das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland? Welche Auswirkungen wird der Krieg auf die Zivilgesellschaft haben? Welches Europa ist nun noch denkbar? Aber auch: Wie erleben die Menschen den Krieg, und zwar sowohl in der Ukraine als auch in Russland?
Manfred Sapper und Volker Weichsel (Hrg.): "Osteuropa. Widerstand. Ukrainische Kultur in Zeiten des Krieges", Heft 6-8/2022,
Berliner Wissenschaftsverlag, 2022
480 Seiten, 32 Euro
Der Band bietet in zahlreichen Texten verschiedener Autorinnen und Autoren Aufklärung und Innenansichten über Gesellschaft und Kultur der Ukraine. Er rückt Vergessenes und Verdrängtes, Missverstandenes und Fehlinterpretiertes in den Fokus.
Mirosław Wlekły: "Gareth Jones. Chronist der Hungersnot in der Ukraine 1932-1933"
Osburg Verlag, 2022.
328 Seiten, 26 Euro
Der Autor erzählt die Geschichte des walisischen Journalisten Gareth Jones (1905 -1935). Jones arbeitete unter anderem als Politikberater für den ehemaligen Premierminister Großbritanniens, David Lloyd George. Nach mehreren Reisen in die Sowjetunion gelangte er 1933 in die Ukraine und wurde als erster und vermutlich auch einziger westlicher Beobachter Zeuge der Schrecken des Holodomor.
Gwendolyn Sasse: "Der Krieg gegen die Ukraine. Hintergründe, Ereignisse, Folgen
C. H. Beck, 2022
128 Seiten, 12 Euro
Warum und wogegen führt Russland in der Ukraine Krieg? Und wie erklärt sich die Stärke des ukrainischen Widerstands, von der nicht nur Wladimir Putin überrascht wurde, sondern auch viele westliche Beobachter und Beobachterinnen? Die Osteuropa-Expertin Gwendolyn Sasse analysiert die Hintergründe des russischen Angriffs, der schon 2014 begann, und fragt, welche Folgen er hat - für Russland, für die Ukraine, aber auch für uns im Westen.
Serhii Plokhy: Das Tor Europas. Die Geschichte der Ukraine. Hoffmann & Campe, 2022
558 Seiten, 30 Euro
Die Ukraine - ein Land ohne eigene Geschichte? Dieser teils erstaunlich weit verbreiteten Meinung hat der ukrainische Historiker Serhii Plokhy einiges entgegenzusetzen. In seinem Buch zeigt er, wie vielfältig und dramatisch die Historie dieses Landes zwischen Europa und dem Osten ist.
Andreas Kappeler: "Kleine Geschichte der Ukraine"
C. H. Beck, 2022
431 Seiten, 17,95 Euro
Der Schweizer Osteuropahistoriker Andreas Kappeler gilt als eine der wichtigsten Stimmen, wenn es darum geht, die Entwicklungen in den östlichen Nachbarländern der EU und speziell in der Urkraine zu analysieren. Sein Buch von 2019 informiert in einer aktuellen Neuauflage über die wichtigsten Ereignisse und Zusammenhänge der ukrainischen Geschichte.
Es setzt der vorherrschenden russozentrischen Perspektive eine ukrainische gegenüber und überprüft gleichzeitig kritisch ukrainische nationale Mythen.