Die Arbeit der kreativen "Korinthenkacker"
Wie schreibt man eine gute Übersetzung? Wort für Wort vorzugehen, ist jedenfalls keine gute Idee, sagen zwei Profis. Der Übersetzer sei nicht weniger kreativ als der Autor des Originals. Denn er müsse die "Aura des Textes" in der Zielsprache erst erschaffen.
Die studierte Literatur-Übersetzerin und Tochter von ungarisch-französischen Eltern Patricia Klobusiczky will mit einem Vorurteil aufräumen:
"Ein bis heute vorherrschendes Missverständnis ist, dass wir Wörter übersetzen. Daran erkennen Sie eine schlechte Übersetzung. Die Wörter sind die Oberfläche, es ist die Spitze des Gletschers, alles andere liegt darunter."
Allmählich, so Klobusiczky, setze sich in der öffentlichen Wahrnehmung des Übersetzerberufs die Ansicht durch, dass übersetzerische Tätigkeit eine Autorentätigkeit sei. Je nach Ausgangstext müsse der Übersetzer unterschiedliche Dinge mittransportieren.
"Es können Emotionen sein, es kann auch etwas sehr Reflektives sein, es kann sogar Sprachkritik sein."
Damit ein Text im Deutschen funktioniere, müsse man die Worthülsen aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit entlehnen.
"Der Ausgangstext gibt vor, was ich im Deutschen an Aura nachschaffen soll. Natürlich arbeite ich mit den Wörtern. Aber die Aura entsteht dadurch, wie sie diese Wörter zueinander in Beziehung setzen."
Im Grunde müsse der literarische Übersetzer eine Art Spagat leisten:
"Literarisches Übersetzen ist sehr polar. Das heißt, sie müssen Korinthenkacker erster Güte sein und auf der anderen Seite der Kreativität freien Lauf lassen."
Öffentlicher Wettbewerb zum 20-jährigen Jubiläum
Literatur-Übersetzer werden in ihrer Arbeit seit 20 Jahren vom Deutsche Übersetzerfonds unterstützt. Zum 20-jährigen Jubiläum hat der Verein einen öffentlichen Übersetzungswettbewerb ausgerufen. Gesucht wird die beste deutsche Übersetzung eines Romananfangs: "Greta Jones Street" von Don DeLillo, ein 1973 veröffentlichtes und bislang noch nicht ins Deutsche übersetztes Werk. Der Wettbewerb ist offen für Profis und Laien. Noch bis 31. Juli 2017 können Texte eingereicht werden.
Mit dem Wettbewerb habe man eine Idee aus den 60ern aufgriffen, erklärt der Geschäftsführer des Deutschen Übersetzerfonds Jürgen Jakob Becker im Deutschlandfunk Kultur. Damals wurde ein ähnlicher öffentlicher Wettbewerb ausgerufen, über den der ehemalige Feuilletonchef der "Zeit", Dieter E. Zimmer, einen "wunderschönen Text" geschrieben habe. Darin sei die Rede von einer "Art Sündenregister des Literaturübersetzens".
Dieses "Sündenregister" dürfte in vergangenen 50 Jahren geschrumpft sein, so Klobusiczky. Die Literatur-Übersetzerin ist gespannt auf das Ergebnis des Wettbewerbs, weil sich das literarische Übersetzen in ihren Augen zunehmend professionalisiert hat. Das bedeute, die Übersetzer reflektierten ihre Arbeit stärker, würden besser ausgebildet und bildeten sich lebenslang fort. "Ich rechne damit, dass wir einen Fortschritt feststellen", so Klobusiczky.
Aus dem "Sündenregister" von Zimmer zitiert Geschäftsführer Becker die Fehlleistung "Satzhack" – das willkürliche Einteilen von Sätzen, ohne das versucht werde, eine Melodie im Deutschen zu finden. Bei der "Originalitätsvermutung" kann der Übersetzer eine Textstelle nicht entschlüsseln und erfindet eine sinnvoll erscheinende Variante.
Klobusiczky verweist zudem darauf, dass es sich in solchen Fällen oft um ein Nichterkennen idiomatischer Wendungen handle. Ein berühmtes Beispiel dafür sei der "greasy spoon" – womit nicht der fettige Löffel, sondern im amerikanischen Slang ein Imbiss gemeint sei. Von einem guten Übersetzer erwarte sie, dass er zwischen den Eigenheiten der Ausgangssprache und den Eigenheiten des Autors unterscheiden könne. (mia)