Richard Wagner: Herr Parkinson
Knaus Verlag, München 2015,
140 Seiten, 18 Euro
Kriegsberichterstatter in eigener Sache
In dem Buch "Herr Parkinson" berichtet der Lyriker, Erzähler und Essayist Richard Wagner über seinen Kampf gegen die gleichnamige Krankheit. Damit geht er ausgesprochen unsentimental um - teils auch mit galligem Humor.
Sie haben seit einiger Zeit Konjunktur: Krankheits- und Sterbebücher, sogenannte Pathografien. Es gibt sie von Menschen, die mit einer lebensbedrohlichen oder unheilbaren Krankheit konfrontiert sind, nie zuvor geschrieben haben und sich nun in eine Art literarischer Selbsthilfegruppe begeben. Und es gibt sie inzwischen verstärkt von Autoren, die erkrankt sind. David Wagner schrieb "Leben", die Geschichte einer Lebertransplantation, Kathrin Schmidt von der Genesung nach einem Hirnschlag "Du stirbst nicht", Wolfgang Herrndorf "Arbeit und Struktur" über seine Tumorerkrankung, Bodo Moorshäuser vom Krebs "Und die Sonne scheint".
Der 1952 im Banat geborene Richard Wagner, umtriebig und Jahrzehnte lang ungemein produktiv als Lyriker, Erzähler und Essayist, reiht sich ein in die Reihe derer, die vom Kampf mit einer existentiell bedrohlichen Krankheit berichten. Während die meisten aber retrospektiv schreiben, aus der Position vorläufiger oder endgültiger Sieger, berichtet Wagner direkt aus dem Getümmel, als Kriegsberichterstatter in eigener Sache, ohne Aussicht auf Gewinn. Er weiß, alles wird nur noch schlimmer. "Herr Parkinson" ist ein Kriegstagebuch.
"Die Truppen des Herrn Parkinson stehen überall. Da ihnen der gesamte Körper zur Verfügung steht, können sie die von ihnen gehaltenen Positionen ständig wechseln. So muss der Kranke sich gegen den eigenen Körper wehren."
Menschen reagieren mit unwillkürlichem Schrecken
Wagner ist seit bald 15 Jahren nicht mehr Herr im Haus. Er kann seinen Körper nicht mehr so steuern, wie er möchte. Der macht sich selbstständig, die Muskeln verzichten auf Feinabstimmung mit dem Willen ihres Betreibers, sie krampfen, zittern, schlagen aus oder blockieren. Früher nannte man das Schüttellähmung, heute nach dem Entdecker der Krankheit, einem britischen Arzt, Parkinson. Das klingt etwas erhabener und weniger lächerlich, dennoch, berichtet Wagner, würden Menschen auf ihn mit unwillkürlichem Schrecken reagieren wie früher auf einen Dorfnarren.
In drei Kapiteln beschreibt der Autor erste Symptome seiner Krankheit, das "Einchecken" in den medizinischen Betrieb. Dann die vorübergehende Euphorie nach der Medikamentierung, zuletzt den Prozess der Machtübernahme des "Herrn Parkinson", den Rückzug von Freunden, die soziale und sinnliche Isolation. Das letzte Kapitel heißt "Im schwarzen Quadrat" – hier herrscht die Stille nach der Schlacht, die letzten Seiten haben keine Nummerierungen mehr, der einsame Kämpfer ergibt sich stummer Agonie.
Besonders eindringlich macht dieses Buch Richard Wagners Umgang mit Sprache. Viele seiner Sätze erinnern in Schärfe, Durchdringung und Tiefe an Aphorismen von Emil Cioran. Unsentimental geht der Autor mit sich und der Krankheit um, immer wieder aber auch mit galligem Humor. Und er stellt sich nicht selbst unangemessen ins Rampenlicht, sondern beleuchtet – mit gesellschafts- und kulturkritischen Beobachtungen, philosophischen und theologischen Überlegungen - den Titelgeber des Buches. "Herr Parkinson" ist das vielschichtige Porträt eines Zeitgenossen, der einen unweigerlich ums Leben bringt – und man kann dabei zusehen.