Chamisso-Preis für Uljana Wolf
Uljana Wolf ist in diesem Jahr neben Esther Kinsky Preisträgerin des mit 15.000 Euro dotierten Chamisso-Preis. Sie wird für ihr bisheriges Gesamtwerk, insbesondere für ihren Lyrikband "Meine schönste Lengevitch", ausgezeichnet.
Es ist noch kalt in New York, obwohl meteorologisch gerade der Frühling begonnen hat. Uljana Wolf irritiert das nicht. Sie durchstreift bei diesem Wetter gerne die Straßen und Parks der Stadt. Den Winter hier an der Ostküste der USA mag sie mehr als den in Berlin:
"Der ist schöner als Berlin eigentlich, weil das Licht besser ist. Es ist sehr kalt, aber es ist fast immer sonnig. Ich bin ja in Berlin geboren, dadurch hat es mir nicht viel ausgemacht, diese dunklen Winter. Aber wenn man einmal einen anderen Winter erlebt hat, merkt man schnell, das kann einen ganz schön depressiv machen."
Wir sitzen auf einer Bank im Washington Square Park. Nicht allzu weit von der New York University, an der Uljana Wolf unterrichtet, und ein paar U-Bahn-Stationen entfernt von ihrer Wohnung in Brooklyn. Um der Winterdepression zu entkommen, lebt Uljana Wolf nur noch im Sommer in Berlin. In der Sprache aber bleibt ihr die ferne Heimat ständig nah:
"Am Anfang aber war
oder zu Beginn
welche Art laut oder leise
listen
when they begin the beguine
und wann ist das?
Und muss wer A sagt gar nichts,
wer B sagt, der Lippen sich gewiss.
Gebiss erst etwas später
und sein.
Sei Sprechen dann the art of falling auseinander,
der Stille, dem Rahmen immer apart
so eingefallen wie nur eben aus.”
Uljana Wolf hat diese Zeilen aus der Erinnerung abgerufen. Sie stammen aus ihrem zweiten Lyrikband von 2009 "falsche freunde" – eine Sammlung von gleichlautenden englischen und deutschen Wörtern. Die Autorin hatte bereits im Schulunterricht begonnen solche Wörter zu sammeln – und sie später zu einem lyrischen Zyklus zusammengefügt.
"Dichtionary, also ein Wörterbuch mit ch, ein Dichtwörterbuch. Dieser Teil dekliniert von A bis Z falsche Freunde durch. Das sind Worte, die es in zwei verschiedenen Sprachen gibt, die unterschiedliche Bedeutung haben."
"Der ist schöner als Berlin eigentlich, weil das Licht besser ist. Es ist sehr kalt, aber es ist fast immer sonnig. Ich bin ja in Berlin geboren, dadurch hat es mir nicht viel ausgemacht, diese dunklen Winter. Aber wenn man einmal einen anderen Winter erlebt hat, merkt man schnell, das kann einen ganz schön depressiv machen."
Wir sitzen auf einer Bank im Washington Square Park. Nicht allzu weit von der New York University, an der Uljana Wolf unterrichtet, und ein paar U-Bahn-Stationen entfernt von ihrer Wohnung in Brooklyn. Um der Winterdepression zu entkommen, lebt Uljana Wolf nur noch im Sommer in Berlin. In der Sprache aber bleibt ihr die ferne Heimat ständig nah:
"Am Anfang aber war
oder zu Beginn
welche Art laut oder leise
listen
when they begin the beguine
und wann ist das?
Und muss wer A sagt gar nichts,
wer B sagt, der Lippen sich gewiss.
Gebiss erst etwas später
und sein.
Sei Sprechen dann the art of falling auseinander,
der Stille, dem Rahmen immer apart
so eingefallen wie nur eben aus.”
Uljana Wolf hat diese Zeilen aus der Erinnerung abgerufen. Sie stammen aus ihrem zweiten Lyrikband von 2009 "falsche freunde" – eine Sammlung von gleichlautenden englischen und deutschen Wörtern. Die Autorin hatte bereits im Schulunterricht begonnen solche Wörter zu sammeln – und sie später zu einem lyrischen Zyklus zusammengefügt.
"Dichtionary, also ein Wörterbuch mit ch, ein Dichtwörterbuch. Dieser Teil dekliniert von A bis Z falsche Freunde durch. Das sind Worte, die es in zwei verschiedenen Sprachen gibt, die unterschiedliche Bedeutung haben."
Gespür für Umgang mit Sprache
Das besondere Gespür von Uljana Wolf im Umgang mit gleich mehreren Sprachen macht ihren Ruf als Lyrikerin aus. Wolfs "Annäherungen an das Fremde durch spielerische Reflexion sprachlich vermittelter Realität", so heißt es in der Begründung für den Chamisso-Preis, seien "gelungene Beispiele für eine zukunftsweisende kosmopolitische Literatu".
Beispielhaft sind auch Uljana Wolfs Übersetzungsarbeiten, neben dem Englischen auch aus dem Weißrussischen und Polnischen – immer sprachlich sensible Annäherungen an den Gehalt eines Textes. Für die Autorin ständiges Lernen und Abenteuer in einem:
"Weil das Übersetzen gerade von Lyrik, das mache ich ja am meisten, einen Ansatz verlangt, der sehr kreativ ist. Um ein Gedicht richtig zu übersetzen, muss man es richtig in der anderen Sprache wieder schreiben und nachempfinden und mutig sein. Natürlich gebe ich mich einer andere Stimme hin, lausche auf einen anderen Autor, lerne von einem anderen Autor. Aber es ist natürlich viel Dichten dabei. Nachdichten. Und darum sind die Dinge auch gar nicht richtig zu trennen für mich. Ich bin natürlich sehr interessiert an solchen Prozessen, übersetzerischen Prozessen, wie ich die wieder fürs Schreiben verwenden kann."
Zum Prozess der Schreibens gehört aber auch das Fruchtbarmachen jener Erfahrung, die Uljana Wolf erlebte, als sie an ihrem dritten Gedichtband arbeitete: sie hatte plötzlich einen sogenannten Writer’s Block:
"Ich hatte, glaube ich eine Blockade, zum Ende hin meines letzten Buches, ´Meine schönste lengevitch`, als meine Tochter fünf Monate alt war, also die erste Zeit mit dem Kind. Aus dieser Blockade ist aber etwas sehr Interessantes entstanden. Ich habe mich damals nämlich beschäftigt mit dem Sprachbeginn meiner Tochter. Mit dem Babbeln und Laute produzieren. Habe dann gleichzeitig Roman Jakobson gelesen über Kindersprache und Aphasie, Sprachverlust und Kindersprache. Und habe dann angefangen, Notizen dazu zu machen. Und diese Notizen sind ein Teil dieses Buches geworden als Prosagedicht, der eigentlich jetzt sehr, sehr wichtig ist und der im Grunde aus dieser Blockade oder dieser instabilen Zeit entstanden ist."
Zum Schreiben neuer Texte kommt Uljana Wolf in New York übrigens kaum. Die Stadt hilft ihr zwar dabei, einen kontrastscharfen Blick auf die Dinge zu werfen und eine Lebenssphäre zu erleben, in der sich die unterschiedlichsten Sprachen vermengen
Beispielhaft sind auch Uljana Wolfs Übersetzungsarbeiten, neben dem Englischen auch aus dem Weißrussischen und Polnischen – immer sprachlich sensible Annäherungen an den Gehalt eines Textes. Für die Autorin ständiges Lernen und Abenteuer in einem:
"Weil das Übersetzen gerade von Lyrik, das mache ich ja am meisten, einen Ansatz verlangt, der sehr kreativ ist. Um ein Gedicht richtig zu übersetzen, muss man es richtig in der anderen Sprache wieder schreiben und nachempfinden und mutig sein. Natürlich gebe ich mich einer andere Stimme hin, lausche auf einen anderen Autor, lerne von einem anderen Autor. Aber es ist natürlich viel Dichten dabei. Nachdichten. Und darum sind die Dinge auch gar nicht richtig zu trennen für mich. Ich bin natürlich sehr interessiert an solchen Prozessen, übersetzerischen Prozessen, wie ich die wieder fürs Schreiben verwenden kann."
Zum Prozess der Schreibens gehört aber auch das Fruchtbarmachen jener Erfahrung, die Uljana Wolf erlebte, als sie an ihrem dritten Gedichtband arbeitete: sie hatte plötzlich einen sogenannten Writer’s Block:
"Ich hatte, glaube ich eine Blockade, zum Ende hin meines letzten Buches, ´Meine schönste lengevitch`, als meine Tochter fünf Monate alt war, also die erste Zeit mit dem Kind. Aus dieser Blockade ist aber etwas sehr Interessantes entstanden. Ich habe mich damals nämlich beschäftigt mit dem Sprachbeginn meiner Tochter. Mit dem Babbeln und Laute produzieren. Habe dann gleichzeitig Roman Jakobson gelesen über Kindersprache und Aphasie, Sprachverlust und Kindersprache. Und habe dann angefangen, Notizen dazu zu machen. Und diese Notizen sind ein Teil dieses Buches geworden als Prosagedicht, der eigentlich jetzt sehr, sehr wichtig ist und der im Grunde aus dieser Blockade oder dieser instabilen Zeit entstanden ist."
Zum Schreiben neuer Texte kommt Uljana Wolf in New York übrigens kaum. Die Stadt hilft ihr zwar dabei, einen kontrastscharfen Blick auf die Dinge zu werfen und eine Lebenssphäre zu erleben, in der sich die unterschiedlichsten Sprachen vermengen
Aber oft, gibt die Autorin zu, bremst sie einen auch einfach aus:
"New York ist eben auch eine Stadt, die sehr viel von einem abverlangt. Es ist eine sehr teure Stadt. Es ist eine sehr geschäftige Stadt. Man muss sich um viele, viele Dinge ständig kümmern. Berlin – aus dieser Distanz – wo man irgendwie immer durchkommt mit einem bisschen Arbeit und viel Freizeit hat, wird auf einmal so ein utopischer Raum. Idealerweise schreibe ich, wenn ich im Sommer in Berlin bin."
Zum Glück: Der nächste Sommer kommt bestimmt.
"New York ist eben auch eine Stadt, die sehr viel von einem abverlangt. Es ist eine sehr teure Stadt. Es ist eine sehr geschäftige Stadt. Man muss sich um viele, viele Dinge ständig kümmern. Berlin – aus dieser Distanz – wo man irgendwie immer durchkommt mit einem bisschen Arbeit und viel Freizeit hat, wird auf einmal so ein utopischer Raum. Idealerweise schreibe ich, wenn ich im Sommer in Berlin bin."
Zum Glück: Der nächste Sommer kommt bestimmt.
Informationen zum Chamisso-Preis auf den Seiten der Bosch-Stiftung