Lesen begleitet vom Lachen der Geckos
Als nach einem Bombenanschlag 2002 auf der Insel Bali die Touristenzahlen sanken, rief die Australierin Janet de Nefe das "Ubud Writers and Readers Festival" ins Leben. Mittlerweile kommen jedes Jahr bis zu 30.000 Besucher aus der ganzen Welt.
Ubud wirkt weit weg von dem, was man als "die Welt da draußen" bezeichnet. Doch im Jahr 2015 wurde klar: Auch ein Literaturfestival im paradiesischen Bali entkommt den politischen Grabenkämpfen Indonesiens nicht. Weil das historische Datum 1965 im Programm auftauchte, bekam Festivalgründerin Janet de Nefe damals Besuch von der Polizei.
"Sie haben uns mehrere Ultimaten gestellt", erzählt Nefe. "Sollten wir das Thema weiter bearbeiten, würden wir keine Erlaubnis für das Festival erhalten."
Massaker von 1965 bleiben Tabu-Thema
Hunderttausende Kommunisten und vermeintliche Sympathisanten wurden 1965 unter General Suharto ermordet. Bis heute ein Tabu-Thema, das gesellschaftlich nicht aufgearbeitet wurde. De Nefe hatte Angst, die Polizei würden ihr die Erlaubnis für das gesamte Festival entziehen. Also lenkte die Australierin ein und sagte die betreffenden Veranstaltungen ab. Und dieses Jahr? - 1965 werde thematisiert, nur die Jahreszahl steht nicht mehr im Programm, sagt sie. Man müsse lernen das Spiel zu spielen.
Fast alle Veranstaltungen des Festivals finden überdacht im Freien statt. Überall ist Grün. Schreibworkshops, Lesungen und Bühnendiskussionen werden begleitet vom Lachen der Geckos und dem Röhren der Motorroller. Das Publikum des Festivals ist so gemischt wie die Autoren. Vor und auf der Bühne sitzen Indonesier und Australier, US-Amerikaner und Malaysier, Besucher aus Singapur und Indien.
"Screen Addicts" lautet der Titel einer Veranstaltung. Hier wird der Einfluss von Social Media auf Indonesiens Leseverhalten und Kulturbetrieb debattiert. Die indonesische Star-Autorin und Sängerin Dewi Lestari erzählt, zeitweise hätten Verleger neue Autoren auf Grundlage ihrer Twitter-Gefolgschaft unter Vertrag genommen.
Viele Smartphone-Nutzer, kaum Leser
Die britische Journalistin und Wissenschaftlerin Elizabeth Pisani berichtet von ihrer einjährigen Reise durch Indonesien. Tausenden Smartphone-Nutzern sei sie dabei begegnet. Lesern? Fünf. Weil sie meist allein nur in Begleitung eines Buchs reiste, fragte man sie oft: Hast du keine Freunde?
Dass das hier keins der üblichen westlichen Literaturfestivals mit Palmen ist, merkt man spätestens beim Auftritt der muslimischen Hip-Hop-Combo "Brothahood" aus Australien.
Die vier Rapper sind die Vorband des Poetry-Slams am vorletzten Festivalabend. Gedichtet wird auf Englisch - zuliebe des internationalen Publikums. Sitzt eine Zeile, wird nicht geklatscht, sondern mit den Fingern geschnipst.
Am Ende des Abends geht der Titel des Slam-Champions an die Malaysierin Illya Sumanto. Ihr Text handelt von der Diskriminierung der muslimischen Minderheit in Myanmar und Religionsgrenzen überschreitender Liebe. Dichtung und Literatur garantieren auch in Ubud politische Debatten über das, was die Menschen nördlich und südlich des Äquators beschäftigt. Egal wie weit weg "die Welt da draußen" ist.