Literaturverfilmung

"Tage am Strand"

Von Hannelore Heider · 27.11.2013
Die australischen Nachbarinnen Lil und Roz sind beste Freundinnen und haben fast erwachsene Söhne. Die Frauen beginnen eine Affäre mit dem Kind der jeweils anderen. Die kürzlich verstorbene Doris Lessing lieferte die Romanvorlage für den Film.
Romantische Klaviermusik, die sich leidenschaftlich steigert – die gerade verstorbene Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing hat uns einen Roman hinterlassen, der Romantik und Leidenschaft in einer außergewöhnlichen Liebesgeschichte vereint: "Die Großmütter" hieß ihre Erzählung. Diese wurde jetzt von der französischen Regisseurin Anne Fontaine verfilmt, die mit bizarren Liebesgeschichten, aber auch "Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft" bekannt geworden ist.
Lil (Naomi Watts) und Roz (Robin Wright) sind beste Freundinnen seit der Kindheit. Unzertrennlich leben sie auch als Ehefrauen und Mütter in benachbarten Strandhäusern an der wilden Küste von Australien. Lil hat ihren Mann durch einen Unfall verloren, Roz Ehemann ist als Professor an die Uni in Sydney berufen worden. Zurück bleiben zwei Frauen und ihre fast erwachsenen Söhne Tom (James Frencheville) und Ian (Xavier Samuel), die von ihren Müttern vergöttert werden.
Es ist eine wahre Geschichte, die Doris Lessing erzählt. Der Erzähler damals war neidisch, nicht zu diesem Quartett aus zwei Liebespaaren zu gehören. Denn Lils schwärmerisch veranlagter Sohn Ian hat sich in Roz verliebt, und bald verbindet auch den selbstbewusst männlichen Tom eine Affäre mit der zarten Lil. Die Frauen sind sich der Grenzüberschreitung wohl bewusst, können aber nicht gegen ihre Leidenschaften an und an diesem paradiesisch abgelegenen Ort stört auch kaum jemand die sonnendurchflutete, sinnliche Idylle.
In diesen jungen Männern lieben sie auch ihren Zwilling
"Die Großmütter" war Doris Lessings provokanter Titel für eine ganz aus der Sicht von Frauen erzählte erotische Geschichte, die gleich mehrere Tabus verletzt. Ältere Frauen lieben deutlich jüngere Männer, die ihre Söhne sein könnten. In diesen jungen Männern lieben sie aber auch ihr Gegenüber, ihren Zwilling - die Freundin.
Doris Lessings Erzählung, erschienen 2003, war provokant und ist natürlich schwer zu besetzen. Doch mit Robin Wright und Naomi Watts hat man idealerweise in einer Generation zwei wunderbar geeignete Darstellerinnen gefunden . Schon lange sind sie Sympathieträgerinnen besonders für weibliche Zuschauer und optisch alles andere als eine Zumutung in erotischen Szenen.
Mit Xavier Samuel und James Frencheville gibt es zwei Newcomer, die von der Kamera vielleicht etwas zu aufdringlich in ihrem Sonnyboy-Image eingefangen werden. Aber sie meistern die Lebensspanne von 10 Jahren souverän, werden zu Ehemännern und Vätern und bleiben dennoch - Liebhaber.
Trotzdem: Nicht nur die deutsche Synchronisation, auch die Inszenierung von Anne Fontaine lässt das Liebesdrama ohne Untiefen, aber mit viel Musik, Sonne, Strand und Meer eher wie eine sentimentale Nicholas-Sparks-Schnulze aussehen. Bis sie sich ein Ende erlaubt, das man als Zuschauer so nicht erwartet und wenigstens zum Schluss die andere Dimension der Erzählung, die Geschichte einer Frauenfreundschaft überzeugend besiegelt wird.

Frankreich, Australien, Belgien 2013
Regie: Anne Fontaine
Darsteller: Robin Wright, Naomi Watts, Xavier Samuel, James Frenchville
112 Minuten, ab 12 Jahren

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