Christian Metz: "Kitzel - Genealogie einer menschlichen Empfindung"
S. Fischer Verlag, Frankfurt / Main 2020
640 Seiten, 32 Euro
Auf den Spuren eines besonders intensiven Gefühls
08:13 Minuten
Die Haut ist unser größtes Organ und reagiert empfindlich darauf, wenn sie kitzelig berührt wird. Der Literaturwissenschaftler Christian Metz hat ein Buch darüber geschrieben - und geht der Bedeutung des Kitzelns im Wandel der Zeit nach.
Kitzeln ist nicht gleich Kitzeln: Es gibt den harten Lachkitzler, den sanften Kitzler oder den sexuellen Kitzel. Auf jeden Fall ist der Kitzel eine der frühesten Empfindungen, die wir Menschen haben. Werden wir gekitzelt, verursacht das Lust und Schmerz zugleich.
Schon die alten Meister ließen auf ihren mittelalterlichen Gemälden Madonna das Jesuskind kitzeln. Vermutlich, um Jesus in seinem Menschsein zu versinnbildlichen. Vielleicht könne das aber auch "als eine erste didaktische Anleitung, wie man sein Kind streichelt", betrachtet werden, sagt der Literaturwissenschaftler Christian Metz, der in seinem Buch "Kitzel - Genealogie einer menschlichen Empfindung" dem Phänomen nachgegangen ist.
Wer kitzelig ist, findet es eher furchtbar
Mit Kitzeln verbinden viele Menschen etwas Lustiges, Positives. Doch wer extrem kitzelig ist, findet es vermutlich eher furchtbar. Schon Aristoteles, sagt Metz, habe sich mit dem Kitzeln beschäftigt – er ordnete die Kitzeligkeit aber vor allem den Männern zu, da diese aus seiner Sicht "wärmer" als Frauen waren:
"Weil Aristoteles sich Kitzeln als einen reinen Wärmetransfer vorstellt. Über die Berührung der Haut entsteht Wärme. Die wird weitergeleitet zum Zwerchfell. Das beginnt zu schwingen. Und man weiß nicht, wohin mit der Luft im Inneren, die Wärme muss raus. Dadurch auch die Schnappatmung, die beim Kitzeln entsteht."
Durch die Jahrhunderte sei Kitzeln auch als Waffe und Foltermethode eingesetzt worden, erläutert Metz. Dies finde sich auch in der Literatur wieder. Bestes Beispiel: der "Simplicissimus" von Grimmelshausen, der während des Dreißigjährigen Kriegs angesiedelt ist. Der Vater des Helden wird von Soldaten einer Kitzelfolter unterzogen, um ihn zu zwingen, Informationen preiszugeben.
(mkn)