Literatur für alle
05:11 Minuten
Toni Morrison hat ihr Publikum und die Kritiker begeistert. Das lag vor allem an ihrer Fähigkeit, Figuren zu erschaffen, mit denen man sich identifizieren kann, meint der Literaturwissenschaftler Martin Klepper.
Die verstorbene Literatur-Nobelpreisträgerin Toni Morrison hat "mit Freude erzählt" – darin sieht der Amerikanist Martin Klepper ihre große Stärke. Als Leser sei man immer mitten im Geschehen und könne sich mit den Figuren identifizieren. Diese Zugänglichkeit sei ein wesentlicher Grund für ihre Beliebtheit, sagte Klepper im Deutschlandfunk Kultur.
Morrisons Schreiben sei oft in der amerikanischen Geschichte beheimatet gewesen, ging aber auch darüber hinaus, analysierte Klepper: "Sie hat über Gedächtnis geschrieben, über Erinnerung." Ihre Frage sei immer gewesen, wie Menschen mit der Vergangenheit umgehen.
Geschichte als Generalthema
Trauma ist ein großes Thema in den Büchern der ersten afroamerikanischen Literatur-Nobelpreisträgerin. In ihrem bekanntesten Roman "Beloved" (deutsch "Menschenkind") geht es um die Sklaverei.
In den 1970er und 80er-Jahren sei es Toni Morrison vordringlich darum gegangen, die Tradition der afroamerikanischen Schriftsteller aufzunehmen, so Klepper. Ihr Ziel sei gewesen, die psychologischen Folgen des Rassismus, was er den Menschen antue, "in den Figuren erlebbar zu machen".
Auch die Geschlechterfrage hat Toni Morrison beschäftigt. In ihren Romanen "Paradies" und "Sula" beschreibt sie patriarchalische Zustände. Denen setzt sie starke Frauenfiguren entgegen.
Durch ihre Themensetzung sei Morrison ihrer Zeit voraus gewesen, führte der Literaturwissenschaftler aus: "Die Zeit hat sie dann entdeckt" – und ihre Themen seien von der Gesellschaft aufgegriffen worden.
(beb)