Marina Münkler, geboren 1960, ist Professorin für Literaturwissenschaft an der Technischen Universität Dresden. Sie hat zum Begriff des Fremden geforscht und zum Phänomen der Interkulturalität. Zusammen mit ihrem Mann, dem Historiker Herfried Münkler, veröffentlichte sie 2016 das vieldiskutierte Buch "Die neuen Deutschen". Zuletzt erschien das Buch "Abschied vom Abstieg – Eine Agenda für Deutschland".
"Wiedereinführung der Wehrpflicht bringt nicht viel"
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Ob die Wiedereinführung der Wehrpflicht der richtige Schritt wäre, um in der Bundeswehr rechtsextreme Tendenzen einzudämmen, beurteilt die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler kritisch. Es hätte früher aufgeräumt werden müssen.
Angesichts rechtsextremistischer Vorfälle in der Bundeswehr wirbt die neue Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) dafür, die Wehrpflicht wieder zu beleben. "Ich halte es für einen Riesenfehler, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wurde", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Schon vor dieser Entscheidung habe es die Befürchtung gegeben, "dass sich Rechtsextremismus in einer Berufsarmee stärker entwickelt als in einer Wehrpflichtarmee". Es tue der Bundeswehr sehr gut, wenn ein großer Teil der Gesellschaft eine Zeit lang seinen Dienst leiste, betonte Högl. "Das erschwert es auch, dass sich Rechtsextremismus in der Truppe breit macht."
Die Wehrpflicht habe für die Bundeswehr eine breitere Basis geschaffen, findet auch unser Studiogast, die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler. "Aber das Problem ist natürlich, dass die Wehrpflichtarmee sehr viel größer war." Sie müsste wieder extrem wachsen und viele Kapazitäten würden gebunden. "Sie wäre dann wieder die mit Abstand größte Armee in Europa", so Münkler.
Diese Konsequenzen müsse man sich überlegen, vor allem wenn es Wehrgerechtigkeit geben sollte und möglichst alle eingezogen und verpflichtet würden. "Von daher glaube ich, dass eine reine Wiedereinführung der Wehrpflicht nicht so viel bringt."
Besser ein soziales Jahr
Eine gute Idee fände sie ein soziales Jahr, dass in unterschiedlichen Kontexten ein Dienstjahr für die Bundesrepublik Deutschland sein könnte. "Ich bin immer wieder irritiert, wenn ich höre für Deutschland", sagt Münkler. Sie spreche lieber von "Bundesrepublik Deutschland", weil dies auf die republikanische Verfassung, die Rechtsstaatsbindung und die demokratische Konstitution verweise. Der Begriff Deutschland sei dagegen in dieser Hinsicht vollkommen leer. "Ich finde immer wichtig, wem da, wieso und weshalb gedient wird."
Zu spätes Aufräumen
Beim Umgang mit den rechtsextremistischen Tendenzen in der Bundeswehr hätte das Aufräumen schon sehr viel früher beginnen müssen, so Münkler. Sie erinnert daran, dass die frühere Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sich über die Traditionspflege der Bundeswehr geärgert habe und etwas dagegen unternehmen wollte.
Damals sei ihr – auch von der SPD – vorgehalten worden, das sei ein Angriff gegen die Bundeswehr. In Armeen und bei Polizeikräften fänden sich bestimmte Muster von Männlichkeit und Wehrhaftigkeit wieder, die auch mit einer gewissen Aggressivität daher kommen könnten, so Münkler. Es gebe daher eine Notwendigkeit, da genau hinzuschauen. "Das ist die Aufgabe des Verteidigungsministeriums."
(gem)