Die Gier nach dem weißen Gold
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Für Akkus von Smartphones und Elektroautos braucht die Welt Lithium. Große Mengen davon lagern in Bolivien. Der Profit mit dem Rohstoff soll nicht im Ausland landen, verspricht Präsident Evo Morales - der am Sonntag wiedergewählt werden will.
Es knirscht unter den Schuhsohlen wie hart gefrorener Schnee. Aber es ist Salz. Ein stahlblauer Himmel wölbt sich über die endlos scheinende weiße Fläche: Der Salar de Uyuni. Am Horizont zeichnen sich Berge und Vulkane ab.
Der größte Salzsee der Welt liegt im Südwesten Boliviens, auf 3650 Metern Höhe. Bislang vor allem als touristische Attraktion bekannt. Unter der dicken Salzkruste verbirgt sich ein gigantischer Schatz, von den umliegenden Vulkanen vor vielen Jahren mit Schlamm und Wasser herunter geschwemmt und in den Tiefen des Salzsees gelagert: Lithium – ein begehrter Rohstoff, auch das "weiße Gold" genannt.
Er wird gebraucht für Akkus von Laptops, Tablets und Smartphones, für Stromspeicher von Solarsystemen. Vor allem aber für Elektroautos.
Spanien raubte Boliviens Silber
Aber die Ausbeutung ruft ein altes Trauma der Indigenen in Bolivien hervor: "Die Geschichte des Cerro Rico in Potosí darf sich nicht wiederholen – ob es nun um Lithium, Eisen oder Erdöl geht."
Evo Morales wird 2006 als erster indigener Aymara-Indianer als Präsident Boliviens vereidigt. Immer wieder spricht er über den Cerro Rico, den reichen Berg in Potosi. Die spanischen Eroberer plünderten vom 16. Jahrhundert an das Land aus. Das Silber des reichen Berges finanzierte einen großen Teil des Haushalts der spanischen Krone.
Für die Menschen in den Anden blieb jedoch nichts übrig. Nie wieder Potosí, heißt es deshalb. Gemeint ist damit nicht mehr Silber, sondern der begehrte Rohstoff Lithium.
Von Lithium sollte diesmal Bolivien profitieren
"Unser Land ist reich, aber gleichzeitig gibt es viel Armut. Die Rohstoffe sind uns im Laufe der Geschichte immer wieder geraubt worden. Sie wurden geplündert oder meistbietend von neoliberalen Regierungen versteigert oder multinationalen Unternehmen überlassen." Evo Morales kündigte zum Amtsantritt an, dass mit derartiger Ausbeutung nun Schluss sei.
Tatsächlich ist seit 2006 einiges geschehen: Vor allem verleiht er der bis dahin diskriminierten indigenen Mehrheit Boliviens ein neues Selbstwertgefühl. Armutsbekämpfung, kostenlose Gesundheitsversorgung, der Kampf gegen die Kindersterblichkeit – das alles hat die Regierung umgesetzt, wenn auch nicht optimal. Bolivien ist immer noch ein armes Land in Südamerika, aber das Pro-Kopf-Einkommen der elf Millionen Einwohner hat sich in Morales‘ Amtszeit verdreifacht. Und der Umgang mit Boliviens Rohstoffen ist ein anderer geworden.
Vom Profit bei Gas und Erdöl behielten internationale Konzerne bis dahin 82 Prozent ein, für die Staatskasse blieben kümmerliche 18 Prozent übrig. Der Gewinnanteil wurde umgedreht.
Dann war Lithium dran: "Wir möchten eine Ressource wie Lithium tatsächlich selbst industriell verarbeiten. Wir haben keine andere Wahl, als den Mehrwert selber einzustecken. Wenn wir darauf verzichten, unsere Rohstoffe zu industrialisieren, werden wir Bolivien nie verändern können."
Rohstoffhungrige Konzerne haben ihre begehrlichen Blicke schon seit längerem darauf geworfen. Sie interessiert aber nur das "weiße Gold".
Luis Alberto Echazú, Vizeminister im bolivianischen Energie-Ministerium ist seit den Anfängen der Morales-Regierung mit der Lithium-Frage befasst: "Die Angebote liefen immer darauf hinaus, nur die Grundstoffe aus dem Salar zu fördern. Also den Rohstoff. Nie wurde uns eine industrielle Verarbeitung vor Ort vorgeschlagen."
Die bolivianische Regierung entschloss sich, es auf eigene Faust zu versuchen, ohne ausländische Firmen.
Chile und Argentinien setzen auf Privatinitiativen
Die Nachbarländer Argentinien wie auch Chile, in denen ebenfalls das Leichtmetall Lithium vorkommt, setzen dagegen auf Privatinitiative. Das heißt, nationale und multinationale Konzerne fördern das Leichtmetall. Die Umweltauflagen sind gering, wenn nicht lächerlich.
Chemikalien werden beispielsweise nicht ordnungsgemäß entsorgt. Giftiger Staub legt sich auf angrenzende Felder und Pflanzen, kritisieren Umweltorganisationen und Vereinigungen von Ureinwohnern.
Alberto Echazú distanziert sich von dieser umweltschädlichen Praxis: "Wir werden das nicht wie in anderen Ländern machen, in denen nur das Lithium herausgeholt und der Rest wieder in den Salar geworfen wird."
2008 wurde eine Pilotanlage für die Lithium-Verarbeitung in Llipi am Rande des "Salar de Uyuni" eingeweiht. Aber es fehlte das Know-how und die nötige Technologie. Es ging deshalb nur langsam voran. Doch schließlich lenkte die Regierung ein. Auslandskapital war kein Tabu mehr.
Deutsches Unternehmen erhielt Zuschlag
Den ersten Zuschlag für eine Kooperation bei der industriellen Verarbeitung der riesigen Vorkommen in Bolivien erhielt zur großen Überraschung der Mitbewerber aus China - ein Unternehmen aus Deutschland.
Am 12. Dezember 2018 gründeten das bolivianische Staatsunternehmen "Yacimientos de Litio Bolivianos", kurz YLB genannt, und die deutsche "ACI Systems Alemania GmbH", ACISA, ein Joint Venture. Stefan Kosel ist der Bolivien-Repräsentant von ACISA, der Tochter eines mittelständischen Unternehmens aus Baden-Württemberg.
2017 hatte sich ACISA an einer Ausschreibung für das Lithium-Projekt beteiligt, auf Einladung der bolivianischen Regierung. Die Bundesregierung in Berlin unterstützte das Projekt tatkräftig. ACISA überzeugte Boliviens Regierung mit seinem Angebot, Lithium bis zur Batterieherstellung zu verarbeiten.
"Du musst ja eine Win-Win-Situation schaffen, nach dem Motto: Ich möchte das, wir wollen das, ihr wollt das - dass beide Seiten zufrieden sind." Von der Win-Win-Situation ist nicht nur Kosel, sondern auch Alberto Echazú vom bolivianischen Energieministerium überzeugt:
"Wir steuern Technologie, Geld, Wissen, Dienstleistungen, eine enorme Infrastruktur für die wissenschaftliche und technologische Forschung bei. Die andere Seite verpflichtet sich, Technologie einzubringen und zu transferieren, die Finanzierung sicherzustellen, staatliche Zuschüsse zu akzeptieren und den Marktzugang zu öffnen. Das ist uns recht, weil es für uns noch nie so gelaufen ist."
Für die Bolivianer ist der Zugang zum europäischen Markt von großer Bedeutung. Für die Deutschen der Zugriff auf das "weiße Gold". Die deutsche Automobilindustrie wird es dringend brauchen. Elektromobilität ohne Lithium, die gibt es nicht.
Dafür sind die Deutschen neue Wege gegangen: "Wir haben hier ja eine Firma gegründet, eine 'empresa mixta', also ein Joint Venture, überhaupt in Bolivien, wo der bolivianische Staat 51 Prozent hat, wir 49 Prozent."
Es soll ein "grünes" Projekt werden
Der Vertrag zwischen ACISA und YLB hat eine Laufzeit von 70 Jahren. 51 Prozent Anteile für die staatliche Lithium-Gesellschaft bedeuten allerdings nicht, dass ACISA mit einfacher Mehrheit überstimmt werden kann:
"51 Prozent ist richtig, aber für die ganz wichtigen Entscheidungen brauchen die trotzdem immer unsere Zustimmung. Das heißt, wir kontrollieren die Finanzströme, die Finanzen und die Technik. Das ist ganz klar festgelegt."
Es soll ein "grünes" Projekt werden, Ressourcen schonend, wie Stefan Kosel betont. Abbau und Verdunstung von Lithium sind extrem wasserintensiv und drohen den Grundwasserspiegel zu senken. Bolivien will deshalb die größtmögliche Menge an Wasser aus der Salzlake recyceln.
Und ACISA verspricht, die Hälfte des Energieverbrauchs durch Solartechnik zu gewinnen: "Da hat das ganze Land was davon. Das haben die Leute schon verstanden. Nicht alle, es gibt immer noch genug, die das nicht gut finden."
Die haben eher auf die chinesische Karte gesetzt.
"Die Chinesen waren ja mit zwei, drei Staatskonzernen vertreten und wollten Uyuni unbedingt für sich sichern. Wenn die sich das gesichert hätten, würden die 75 Prozent des Weltmarktes, des Lithium-Weltmarktes kontrollieren!"
70 Prozent des Lithiums in Südamerika, Australien und China
Aber die Chinesen gingen auch nicht leer aus. Sie dürfen zwar nicht am großen Uyuni-Salzsee Lithium verarbeiten, aber in zwei anderen Salaren in der Grenzregion zu Chile.
Lithium-Vorkommen gibt es vielerorts, meistens aber lediglich in ganz kleinen Mengen. Der Abbau lohnt sich fast nur in Südamerika, Australien und China. In diesen drei Regionen lagern geschätzt 70 Prozent der weltweiten Reserven des weißen Goldes. Bislang beherrschen vier große Unternehmen aus den USA, China und Chile geschätzt 90 Prozent der weltweiten Lithium-Gewinnung.
Die Nachfrage ist rasant gestiegen, ebenso der Preis. Kostete 2003 eine Tonne Lithium 450 Dollar, so schwankt der Weltmarktpreis heute zwischen 15.000 und 17.000 Dollar.
Salzsee in Uyuni als Touristenmagnet
Uyuni. Strahlender Sonnenschein, keine noch so kleine Wolke am Himmel. Eine Militärkapelle spielt im Zentrum der Stadt auf. Hinter den Musikern in Uniform wird ein mehrstöckiges Glasbeton-Gebäude für eine Telefongesellschaft hochgezogen. Neue Hotels, Hostels, Restaurants - Uyuni hat sich entwickelt, wegen der attraktiven Salzwüste. Täglich werden Hunderte von Touristen auf die schneeweiße Kruste transportiert.
Juan Batista, der Fahrer des Geländewagens, der mich zu den Förder- und Fabrikanlagen in Llipi transportieren soll, hat bisher nichts von Protesten gegen die Lithium-Förderung gehört. Der Abbau behindere jedenfalls nicht den Tourismus, meint er, der Salar habe mit seinen 10.000 Quadratkilometer für viele Platz.
Juan steuert sein Gefährt über die schier endlos erscheinende Salzwüste. Vulkane sind für ihn Orientierungspunkte in dem glitzernden Weiß.
Nach zwei Stunden Fahrt stoppt unser Geländewagen vor einem Schlagbaum. Soldaten kontrollieren die Ausweise. Dann geht der Schlagbaum hoch. Über aufgeschüttete Dämme, die im Weiß des Salar angelegt sind, gelangen wir zu den riesigen Verdunstungsbecken, auch Schwimmbäder genannt. Dort wartet Oscar Roman Quiñones. Er hat die Oberaufsicht über die gesamte Anlage in Llipi.
Bisher nur Gewinnung ohne industrielle Verarbeitung
Aus einem Rohr ergießt sich eine graue Flüssigkeit in das Becken. Es ist Salzlake. Quiñones erklärt woraus die besteht: "In ihrem Wasser ist salzhaltige Materie. Sie ist reich an Lithium, Kalium, Magnesium, Sulfaten und Chlorid."
Die Salzlake verdunstet und das Lithium wird zusammen mit anderen chemischen Stoffen herausgefiltert. In den Labors werden diese Stoffe auf ihre Verwendbarkeit analysiert und wenn möglich eines nicht zu fernen Tages industriell verarbeitet. Das ist bereits mit Kalium geschehen.
Quiñones deutet auf einen mehrstöckigen weiß angestrichenen Bau. In Sichtweite der Schwimmbecken. Eine Kalium-Fabrik, in der Säcke mit Dünger für den Export ins Nachbarland Brasilien abgefüllt werden. Direkt daneben werden die Fundamente für die industrielle Lithium-Karbonat-Anlage gegossen.
In einer Pilotanlage hatten seit 2008 bolivianische Fachkräfte gelernt, Lithium-Karbonat herzustellen. Das Karbonat eignet sich nicht nur für Batterien, sondern auch für die Produktion von Keramik, Glas und Zement.
Doch mit der Herstellung von Lithium-Hydroxid, das aus der Restsole gewonnen wird, sind die bolivianischen Techniker nicht vertraut. Lithium-Hydroxid hat gegenüber Lithium-Karbonat einige Vorteile: Es erhöht die Lebensdauer von Autobatterien, garantiert eine größere Reichweite der Autos und erzielt höhere Preise.
Und da springt ACISA mit seinem Know How und seiner geplanten Produktionskette vom Hydroxid bis zur Batterieherstellung ein: "Bei der Verarbeitung der Salzlake fallen jährlich 35.000 bis 40.000 Tonnen Hydroxid an, aber wir brauchen für unsere Batterie-Herstellung nur 8000 Tonnen. Der Rest geht nach Europa."
Und wird dort von ACISA kommerzialisiert. Es wird geschätzt, dass damit Batterien für 800.000 Fahrzeuge produziert werden können.
Lithium-Verarbeitung in 4000 Meter Höhe
Die Industrialisierung in Bolivien wird jedoch nicht am Salar de Uyuni realisiert, sondern in La Palca. La Palca liegt bei Potosí, etwa 150 Kilometer von Uyuni entfernt. Mit einer kleinen Verspätung startet der Bus in Uyuni. In Serpentinen klettert der Omnibus die Berghänge hinauf.
Die Straße windet sich durch enge Schluchten, vorbei an kahlen schroffen Bergrücken, Lamas und Alpacas, erklimmt Pässe, um dann wieder abwärts zu gleiten. Nach einer vierstündigen Reise kommt Potosí in Sicht, gelegen auf über 4000 Meter Höhe.
Autos stauen sich in einer engen Gasse. Ein Trauerzug zieht unbeirrt durch die Gasse. Der Blick verweilt auf dem alles überragenden kegelförmigen "Cerro Rico". Potosí wurde mit dem Edelmetall Silber zu einer der reichsten Städte auf der Erde, bis der koloniale Silber-Boom endete.
Etwa zehn Kilometer außerhalb von Potosí biegt eine schmale Straße zu den Versuchsanlagen der Staatsfirma YLB in La Palca ab. Ein junger Soldat fordert mich auf, ihm zu den Laboratorien für Forschung und Batterieproduktion zu folgen. Ich halte immer wieder inne, schnappe nach Luft. Sauerstoffmangel.
Neue Maschinen backen Metallpulver zu Akkuzellen
Vor einer Halle kurvt langsam ein vierrädriges Gefährt, batteriegetrieben. Ein Experiment. Schneeweiße Laboranzüge beherrschen das Bild in den Räumen der Versuchsanlagen. Techniker experimentieren mit Lithium-Karbonat aus Llipi. Brandneue Maschinen backen Metallpulver, streichen es auf Folien und wickeln sie zu Akkuzellen.
Die Pilotfabrik für kleinere aufladbare Batterien hat fast drei Millionen Dollar gekostet. Sie wurde von einem chinesischen Konzern gebaut. Eine bolivianisch-chinesische Kooperation?
Herwing Borja, YLB-Direktor für Batterien, winkt ab: "Das war keine Kooperation. Das waren Kauf und Übergabe einer schlüsselfertigen Anlage. Wir hatten Geld, wir haben verhandelt und sind mit einem chinesischen Unternehmen übereingekommen, dass sie uns eine Pilotfabrik mit Technologie-Transfer und Ausbildung der Techniker verkauft. Die Installation, Montage und die Maschinen, das alles ist bezahlt worden. Das hat nichts mit Kooperation zu tun. Das ist alles Geschäft."
Tito Churqui experimentiert in der Pilotanlage für Batterien: "Mit dem Know-how, das uns die Chinesen überlassen haben, und der Weiterentwicklung in den darauf folgenden Jahren haben wir uns allmählich verbessert."
Das erhoffen sich die Techniker auch von ACISA.
Seit 2018 werden Akkus aus Bolivien verkauft
Batterien für Fahrräder und Handys können bereits heute in La Palca gefertigt werden. Es sind nicht die allerletzten Modelle, aber die Techniker in La Palca haben ihre Lektion begriffen: "Damit können wir nun die Batterien selber zusammensetzen. Seit dem vergangenen Jahr werden sie sogar verkauft. Sie werden in Photovoltaik-Systemen auf dem Lande eingesetzt."
Alberto Echazú, der für Energie und HiTec zuständige Vizeminister, ist stolz auf das Erreichte: "Es ist ein Projekt für 200 Haushalte, 30 sind bereits angeschlossen. Dort wo es kein Stromnetz gibt, wo die Häuser weit und verstreut auseinander liegen."
In La Palca wartet man ungeduldig auf die weitere Entwicklung, besonders auf die Batteriefabrik von ACISA. Auch bei YLB und in verschiedenen Ministerien würde man gerne aufs Tempo drücken. Doch der Weg zur Autobatterie "Made in Bolivia" scheint noch weit.
"Klar gibt es einen Druck: Lass uns gleich Batterie und das und das."
Zuerst müsse die industrielle Verarbeitung von Lithium-Hydroxid klappen. Stefan Kosel lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: "Wir werden auch eine kleine Batteriefabrik aufbauen, also erst mal im kleinen Rahmen."
Kritiker: Wieder nur Export von Rohstoffen
Skepsis spricht aus den Worten von Héctor Córdova, der früher die staatliche Bergbaugesellschaft COMIBOL leitete. Er sitzt in La Paz vor einem Mikrofon des freien Internet-Radios "Cabildeo Digital", das sich schon mehrfach mit der Lithium-Problematik beschäftigt hat. Córdova nimmt kein Blatt vor den Mund:
"Es scheint mir, dass wir allzu viele Zugeständnisse gemacht haben, um etwas zu erreichen, was wir alle herbeisehnen: eine Batterie-Fabrik und einen Absatzmarkt. Doch die Realität zeigt uns, dass das nicht so bald der Fall ist, wie uns anfangs gesagt wurde."
Bei dem Vertrag geht es weiterhin vor allem um den Rohstoff-Export, argwöhnt Héctor Córdova. Das Misstrauen ist groß und die Firma ACISA zeigt keine Eile.
"Mit ACISA könnte uns passieren, was wir schon viele Male in der bolivianischen Geschichte erlebt haben: eine frustrierte Illusion und wieder mal nur der Export von Rohstoffen."
Stefan Kosel versucht die Zweifel auszuräumen: "Nachdem unsere Anlage dann steht und das mal läuft, geht man den nächsten Schritt, dass auch die Bolivianer selbst Lithium-Batterien herstellen. Dass sozusagen die ganze Wertschöpfungskette im Land ist."
Mit dem Einstieg in die Industrialisierung von Lithium wagt die Morales-Regierung einen Schritt, den die meisten südamerikanischen Länder meiden. Die belassen es beim Export ihrer Rohstoffe.
Proteste gegen vierte Amtszeit von Präsident Morales
Zurück in Uyuni. In einer staubigen Seitenstraße, abseits des Touristengetriebes, ist auf eine bröckelnde Mauer in großen Buchstaben gepinselt:
"Evo 20-25"
Am 20. Oktober sind in Bolivien Präsidentschaftswahlen. Evo Morales kandidiert wieder für das höchste Amt. Noch steht allerdings nicht fest, ob er von 2020 bis 2025 regieren kann. Das sei nicht verfassungskonform, protestiert die Opposition. 2016 lehnten die bolivianischen Wähler in einem Referendum die erneute Wiederwahl ab. Doch Verfassungsgericht und Oberstes Wahlgericht entschieden: Morales darf antreten.
Es stellt sich die Frage: Was werden eventuelle Nachfolger von Evo Morales machen? Alles umkippen und YLB und damit die Gewinne aus dem Lithium privatisieren? Für ACISA wäre das kein Problem. Auf jeden Fall ist der Rohstoff für die deutsche Batterieproduktion sichergestellt: "Wir haben einen Vertrag unterschrieben über 70 Jahre, über 70 Jahre!"
Die Win-Win Situation, die Stefan Kosel nicht müde wird zu propagieren, könnte sich in Bolivien einstellen, wenn die Regierung in La Paz nicht nur an die Märkte der mächtigen Autoländer denkt, sondern ebenfalls Batterien für den eigenen Bedarf entwickelt. Das müssen nicht nur Autobatterien sein.
Akkus beispielsweise für dezentrale Solaranlagen in Regionen ohne Stromnetz etwa, kann Bolivien gut gebrauchen. Es gäbe dem Motto "Nie wieder Potosí" noch mehr Sinn.
Bescheidener drückt es Lourdes Montero, Mitarbeiterin der unabhängigen internationalen Hilfsorganisation "Oxfam", aus: "Wir haben einen Traum und eine sehr große Erwartung: Dass wir auf keinen Fall nur einen Rohstoff an die globale Wirtschaft liefern, die nach dem Mineral giert, sondern unsere Chance wahrnehmen, wenigstens einige Nischen der technologischen Entwicklung zu nutzen. Das ist unser Traum."