Kleidung von Pfarrern
Reformator Martin Luther trug keinen Talar. Der wurde erst im 19. Jahrhundert eingeführt. © picture alliance / Prisma Archivo
Warum nicht im Bademantel predigen?
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Zum Bild evangelischer Pastorinnen und Pastoren gehört der schwarze Talar. Auf Anordnung des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III. setzte er sich 1811 als Amtstracht durch. Viele Pfarrer sehen ihn als treuen Begleiter, doch manche hätten gern mehr Farbe.
Annina Ligniez ist Pfarrerin der westfälischen Landeskirche. Sie ist extrovertiert und mag auffällige Kleider. Doch mit dem Talar hat sie nie gefremdelt:
"Ich merkte von Beginn an, dass mir der Talar Sicherheit gibt, in die Rolle hineinzufinden und sie auch auszufüllen, Pfarrerin zu sein", sagt sie. "Das ist etwas, was man lernen muss. Man wird mit vielen Erwartungen konfrontiert."
Der Talar als treuer Begleiter
Mittlerweile hat die 46-Jährige, die eine eigene Website unter dem Titel "Talar-Art" kreiert hat, eine besondere Beziehung zu ihrem pastoralen Gewand: „Der Talar ist mein treuer Begleiter geworden, vielleicht ein bisschen wie in einer guten Ehe. Am Anfang die große Verliebtheit, und dann weiß man, dass man sich aufeinander verlassen kann."
Die Feministin Maike Schöfer macht gerade ihr Vikariat. Für sie ist es wichtig, dass sie sich auch im Pfarramt nicht zu sehr anpassen muss: „Ich trage meine Tattoos, meine Piercings. Grundsätzlich möchte ich mich nicht verbiegen für andere Menschen“, sagt sie.
Doch ihren Talar weiß sie zu schätzen: „Ich möchte gern als Christin erkannt werden, und das werde ich natürlich am Talar. Besonders im sehr atheistischen Berlin finde ich über den Talar Anknüpfungspunkte, wenn ich nach dem Gottesdienst im Talar vor der Kirche stehe.“
Kein liturgisches Gewand, sondern Amtstracht
Ein Talar ist ein weitärmeliges, knöchellanges, schwarzes Obergewand, das unter anderem von evangelischen Geistlichen getragen wird.
Thomas Klie, Professor für Praktische Theologie an der Universität Rostock, geht davon aus, dass viele Pastoren gar nicht wissen, dass sie kein liturgisches Gewand tragen, wenn sie den preußischen Talar tragen, sondern eine Amtstracht.
Er berichtet, dass Friedrich Wilhelm III. als König von Preußen 1811 verfügt hat, dass „um der Gleichförmigkeit Willen“ alle evangelischen Pfarrer eine einheitliche Tracht tragen sollten: den schwarzen Talar als Amtstracht. Das galt übrigens auch für Professoren, Juristen und sogar für Rabbiner.
Luther trug eine Art Minirock
Auf Gemälden wird auch Luther des Öfteren im Talar dargestellt: eine Geschichtsklitterung, wie Thomas Klie erklärt:
„Er ist in der Schaube aufgetreten. Wenn ich das mit einem Talar vergleiche, dann ist das eine Art Minirock mit einer kurzen Hose und langen schwarzen Kniestrümpfen, die sogenannte Gelehrtenschaube. Nach allem, was wir aus den Quellen wissen, hat sich Luther im Gottesdienst umgezogen. Wenn er von der Kanzel kam und zum Abendmahl ging, ist er wahrscheinlich in die Sakristei gegangen, hat sich das weiße Chorhemd übergezogen, also ist in ein liturgisches Gewand geschlüpft und hat das Abendmahl ausgeteilt.“
Evangelische „Messen“ mit farbigen Gewändern
Heute treten fast alle evangelischen Geistlichen im Talar auf. Pastorin Alexandra Dierks bedauert das:
„Das verrät ein bestimmtes Verständnis von Gottesdienst, nämlich ein tendenziell Didaktisches. Das halte ich für einen Irrtum. Das ist verständlich aus der Reformationszeit, wo Luther meinte, man müsste den Leuten erst mal was erklären. Aber Gottesdienst ist erst mal gefeierte Gottesbegegnung und das darf sich auch in den Textilien abbilden."
Alexandra Dierks feiert so genannte evangelische Messen – mit gregorianischen Wechselgesängen, mit Ministranten, manchmal auch mit Weihrauch und immer mit farbigen Pastorengewändern, ähnlich wie bei katholischen Priestern.
Für Jörg Müller, Liturgiereferent des katholischen Erzbistums Freiburg, gehört die Farbenpracht der Priesterkleidung zur Heiligen Messe dazu: „Ästhetische Schönheit ist gerade für die Liturgie nicht überflüssig, sondern als Überfluss ein Hinweis auf Gott. Und dadurch, dass liturgische Kleidung sich von Alltagskleidung abhebt, drückt sie den Festcharakter der liturgischen Feier aus. Aber es drückt auch aus, dass im Gottesdienst etwas geschieht, was kein Alltagsgeschehen ist, sondern den Alltag transzendiert in das, was wir Gottes Herrlichkeit nennen."
Neidisch auf katholische Kollegen
Die evangelische Pastorin Annina Liegniez ist manchmal ein bisschen neidisch auf das Erscheinungsbild der katholischen Kollegen: „In Bezug auf mediale Präsenz muss man klar sagen, dass das Abfilmen eines Kardinalskollegiums durch die Fernsehkameras viel wirkungsvoller ist als von mehreren Männern und Frauen im schwarzen Talar.“
Alexandra Dierks will in der Kleiderfrage auf die ökumenische Vielfalt der Kirchen zurückgreifen. „Das, was uns von anderen Konfessionen unterscheidet, ist die Lehre und nicht das Textil“, betont sie.
Der schwarze Talar ist eine deutsche Spezialität
Sie verweist auf andere protestantische Kirchen wie in Skandinavien und auf die Anglikaner, deren Geistliche farbenfroh auftreten: „Dass evangelisch gleich schwarzer Talar ist, ist eine deutsche Spezialität.“
Das hat aber wohl auch damit zu tun, dass sich das schwarze Kleidungsstück vor gut 200 Jahren durchsetzte.
"Schwarz war die Modefarbe", sagt der Rostocker Theologieprofessor Thomas Klie. "Im 19. Jahrhundert ging die Braut schwarz und nicht weiß zum Altar. Es war die Feiertagsfarbe und von daher lag es nahe, diese Mode von Preußen zu übernehmen."
Manche evangelischen Geistlichen suchen in der Kleiderfrage einen Kompromiss und tragen über dem schwarzen Talar eine farbige Stola. Dass gehe nun gar nicht, empört sich Alexandra Dierks: "Das ist so, als wenn Sie Stiefel zum Frack tragen. Das sollte man nicht miteinander kombinieren."
Gottesdienst auch ohne Talar
Stiefel zum Frack trägt Maximilian Bode zwar nicht. Aber der evangelische Pfarrer aus Bremerhaven verzichtet im Gottesdienst oft auf seinen Talar. „In meinen Gottesdiensten möchte ich persönlich rüberkommen", sagt er. "Da ist es mir wichtig, dass ich zeige: Ihr könnt hier so normal und verrückt sein wie alle anderen Menschen auch. Und dann ist es schwierig, wenn ich als Pastor so ein langes schwarzes Kleid anhabe.“
Allerdings: Aus Rücksicht auf die älteren Gemeindemitglieder treten die Pastoren bei jedem dritten Gottesdienst in der Emmaus-Kirche im Talar auf.
„Ich finde, es ist eine Kontextfrage. Mir ist wichtig, dass es kein ‚Das muss immer so sein‘ ist, sondern dass es verschiedene Gottesdienste und PastorInnentypen gibt, und die sich auch so präsentieren können, weil so ein Einheitsbrei niemanden glücklich macht“, sagt Bode.
Letztlich kommt es auf das Wort an
Vielleicht kein Zufall, dass er, ein Mann, gern ohne Talar auftritt. Alexandra Dierks merkt an: „Alle Frauen werden immer anders angeguckt als Männer. Bei Frauen guckt man: Ist der Rock zu kurz oder zu lang, wie sehen die Beine aus, wie tief ist der Ausschnitt. Und den ganzen Unsinn kann man sich sparen mit liturgischer Gewandung.“
Wobei die evangelische Pastorin zugleich betont, dass es letztlich immer um die Botschaft des Wortes gehe: „Wir könnten auch im Bademantel predigen, auch dann wäre es Evangelium.“