Ray Chen, Violine
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Peter Ruzicka
Herbstelegien mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Der Dirigent Peter Ruzicka stellt ein Programm vor, das sich um unvollendete Werke und letzte Botschaften großer Komponisten dreht. Seine eigene "Elegie" zum Beispiel spinnt sich um die letzten Takte, die Richard Wagner hinterließ.
Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin wird an diesem Abend im Konzerthaus ein wahrliches Herbsprogramm bieten, voller melancholischer Momente und Erinnerungsstürmen, die Donner und Groll vorausschicken: Werke von Peter Ruzicka und George Ensecu, die von Max Bruchs erstem Violinkonzert ergänzt werden − eine herrlich romantische Atempause.
Die letzte Liebeserklärung
Die "Elegie − Erinnerung für Orchester" hat Peter Ruzicka einem Dirigentenkollegen gewidmet, dem Wagnerianer Christian Thielemann. "In Wagnertreue" steht auf der Partitur. Das Werk kreist um die letzten 13 Takte, die Richard Wagner am Vorabend seines Todes im Pallzzo Vendramin sogar noch Freunden vorgestellt haben soll.
"Diese Takte sind eine Liebeserklärung an Cosima", schreibt Ruzicka zu seinem Werk. "Ich wählte hierfür das klangliche Potential eines Streichorchesters, dem Impulse und 'Schattenklänge' dreier Flöten und des Schlagzeugs unterlegt sind."
Geliebtes Konzert, das viel gehasste
"Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger. Alle 14 Tage kommt Einer und will mir das 1. Concert vorspielen; ich bin schon grob geworden und habe ihnen gesagt: Ich kann dies Concert nicht mehr hören", schreibt Max Bruch verzweifelt an seinen Verleger Simrock. Mit diesem Welterfolg haderte Bruch bis ans Lebensende, weil sich alle anderen seiner Kompositionen nicht aus diesem Schatten befreien konnten.
Auch der taiwanesisch-australische Geiger Ray Chen setzt sich liebend gern über diesen Hass hinweg. Er spielt heute Abend auf seiner Stradivari, die einst dem Geiger gehörte, für den das Konzert geschrieben wurde, die Geige von Josef Joachim. Somit dürfte nicht nur dem Geiger, sondern dem Instrument selbst dieses Werk besonders bekannt vorkommen.
Wolken ziehen auf
"Nuages d’automne sur les forêts" (Herbstwolken über den Wäldern) hat der rumänische Komponist George Enescu nicht vollendet. Eigentlich hatte er einen dreiteiligen Naturzyklus geplant, den er aber nicht vollendete. Dieses Stück endet nach 43 Partiturseiten. Dunkle Streicherklänge lassen den Hörer sofort vermuten, dass sich etwas zusammenbraut. Die Mischung aus dunklen Streicherklängen und hohen Flöten- und den glockenhellen Celesta-Tönen erinnern an Debussy.
Aber diese Stimmung hat etwas Unheimliches, etwas Nordisches, wie man es in den Werken von Jean Sibelius kennt − als ob er Enescu mit erdigen Farben ausgeholfen hätte für sein unvollendetes Landschaftsgemälde.
Gewitter und Sturm
Zu Beginn der 4. Sinfonie von George Enescu wird der Hörer gleich in ein gewaltiges Klangbett gewirbelt. Pauken und auftrumpfende Bläserklänge entwickeln einen starken Sog. Die dreisätzige Sinfonie hat der Komponist vollständig skizziert, allerdings nur den ersten und Teile des zweiten Satzes in einer Partitur ausformuliert. Erst im Jahr 1996 übernahm der Enescu-Forscher und -Biograf Pascal Bentoiu die Ausführung aller Instrumentalstimmen, um eine Uraufführung zu ermöglichen.
Peter Ruzicka hat sich dieses unbekannten, großen Enescu angenommen, ist unermüdlich dabei, ihn für das Konzertrepertoire wiederzuentdecken.
Live aus dem Konzerthaus Berlin
Peter Ruzicka
"Elegie - Erinnerung für Orchester"
"Elegie - Erinnerung für Orchester"
Max Bruch
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 g-Moll op. 26
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 g-Moll op. 26
ca. 20.45 Uhr Konzertpause
George Enescu
"Voix de la Nature (Nuages d’automne sur les forêts)", Fragment für Orchester op. post.
"Voix de la Nature (Nuages d’automne sur les forêts)", Fragment für Orchester op. post.
George Enescu
Sinfonie Nr. 4 e-Moll (beendet von Pascal Bentoiu)
Sinfonie Nr. 4 e-Moll (beendet von Pascal Bentoiu)