Live-Schaltung zum schlagenden Herzen

Von Carolin Hoffrogge · 09.03.2011
Göttinger Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie ist es gelungen, mit einem Magnetresonanztomographen (MRT) einen Film von einem schlagenden Herzen in Echtzeit aufzunehmen.
"So, jetzt sind wir hier unten in unserem Raum. Sie können mitkommen, wir können natürlich nicht bis an den Magneten herangehen, weil es ein gewisses magnetisches Streufeld gibt und wir ja keine Anziehungskräfte wünschen auf ihr Mikrofon oder ihren Rekorder."

Jens Frahm steht im weiß getünchten Keller des Max-Planck-Instituts für biopyhsikalische Chemie in Göttingen. Motivierend klopft er seinem heutigen Probanden Dani D´Souza auf die Schulter. Der 30-jährige Inder wird gleich für eine Stunde in die tonnenschwere Röhre, den Magnetresonantomographen geschoben.

D´Souza: "Das ist meine erste Teilnahme an einer Herzmessung. Das ist ein Formular, das jeder Proband ausfüllen muss, nur dann kann er an der Untersuchung teilnehmen."

Frahm: "Also das Oberteil der Antennen werden auf den Oberkörper draufgelegt und befestigt, damit sie nicht verrutschen. Das sieht aus wie ein Brustpanzer, ist aber nicht viel. Jetzt fährt die Liege nach oben und der Proband wird positioniert. Dann bekommt er noch eine Decke, damit er nicht friert. Wir gehen jetzt zurück in den Kontrollraum."

Der Kontrollraum steht voller Computer. Mit Höchstleistung rechnen die Computer die Daten des Tomographen um. Physikprofessor Jens Frahm ist begeistert von der Qualität dieser Bilder. Bei der Aufnahme entsteht ein Film von Dani D´Souzas Herzen:

"Wir sehen das Herz in einem seiner typischen Schnitte. Ganz wichtig ist dieser Blick, der sogenannte Kurzachsenblick, der senkrecht durch die linke Herzkammer geht, sodass man wunderschön die Wandverdickung und die Kontraktion in der Phase, die die Pumpbewegung einleitet, die das Blut aus der Herzkammer wieder herauspumpt darstellen kann."

Wie ein mit Reis gefülltes Sushiröllchen sieht das schlagende Herz von Dani D´Souza aus.

"Die Messzeit der einzelnen Bilder, die wir hier sehen, betrug 33 Millisekunden, das heißt wir haben eine Bildrate von 30 Bilder pro Sekunde, also besser als die Standardvideofrequenz."

Um diese schnelle Frequenz hinzubekommen, haben die Max-Planck-Forscher lange getüftelt. Sie haben Computerprogramme für ihre Röhre geschrieben. Dass ihr Gerät jetzt in der Lage ist, Herzen, Gelenke oder Organe in Bewegung und damit in Echtzeit abzubilden, verdanken die Göttinger Physiker ihrer eigenen Methode, die ihnen vor 25 Jahren patentiert wurde und die sie jetzt weiterentwickelt haben.

Jens Frahm: "Wir positionieren den Patienten in ein starkes Magnetfeld, etwas stärker als das Erdmagnetfeld, aber im Prinzip genau das Gleiche und benutzen dann einen Rundfunksender, also Radio und zwar auch im UKW-Bereich, das was sie jetzt gerade hören, um Signale im Körper anzuregen und entsprechende Signale aus dem Körper zurückzubekommen. Diese Signale machen nur Sinn, wenn wir sie räumlich differenzieren können und auflösen können, wenn wir sie in einem zweidimensionalem Schnittbild verrechnen. Diese Vorschriften haben wir für die ganz schnellen Bilder auf die Spitze getrieben, also so schnell realisiert, wie es überhaupt nur technisch geht und wie es physiologisch zugelassen ist."

Dabei haben die Göttinger Physiker und Informatiker um Jens Frahm eine Divise verfolgt: Weniger ist mehr. Ihre genau berechneten und beschleunigten Bilder haben sie mit weniger Daten hinbekommen. Professor Frahm erklärt diesen paradoxen Weg zum besseren Messergebnis:

"Wir haben gesehen, wenn wir das auf unsere Echtzeitversuche anwenden, kommen wir erheblich weiter mit diesem Unterabtasten, also dem Weglassen von Daten. Der Trick besteht darin, dass wir den Rechenprozess umkehren. Wenn wir aus den Daten das Bild nicht berechnen können, nehmen wir ein Schätzbild und vergleichen die Schätzdaten mit den richtigen gemessenen Daten. Dann gehen wir wieder zurück und schätzen ein besseres Bild."

Es wird also gerechnet, gemessen und verglichen. All das geschieht mit einem Computerprogramm, das der promovierte Physiker Martin Uecker für das MRT-Gerät geschrieben hat. Martin Uecker und Jens Frahm stehen im Nebenraum, einem kühlen Serverraum, dort wo alle Fäden zusammenlaufen.

"Die Daten werden in Echtzeit aus dem Scanner während der Messung exportiert, in einem externen Rechner. Das ist also ein Rechnersystem, was wir selber aufgebaut haben, getrennt von dem MRT-System, das wir verwenden. In unserem Serverschrank befinden sich unsere Rechner, zwei davon sind unsere Bildrekonstruktionsrechner, einer davon ist ausgestattet mit vier Grafikkarten, auf denen dann die Echtzeitvideos berechnet werden."

In zwei bis drei Jahren hofft Jens Frahm, schnellere Computer zu haben, die die MRT-Filme drehen können:

"Wir benutzen jetzt Grafikkartenrechner, auf denen man Prozesse parallel implementieren kann, um es schneller zu machen. Der Computerfreak kennt sowas aus Computerspielen, wo Grafikkarten entwickelt wurden, um dreidimensionale Visualisierungen zu ermöglichen. Die kann man auch für intelligentes Rechnen benutzen, um die Rechenprozesse zu deutlich zu beschleunigen."

Die Bilder sind schneller und - das ist neu – bewegungsunempfindlich. Mit diesen schnellen unempfindlichen Bildern sind jetzt Aufnahmen möglich, die nicht nur Leben retten, sondern auch bisher aufwendige Untersuchungen für Patienten angenehmer machen, sagt Joachim Lotz, Professor für Radiologie am Universitätsklinikum Göttingen. Der Radiologe arbeitet eng mit Professor Frahm und seinen Kollegen zusammen.

"Als ich das hier zum ersten Mal gesehen habe, die Bilder, war ich tief beeindruckt von der Qualität. Jetzt auf einmal ist es möglich, in Echtzeit eine ganz hochauflösende Bildgebung vom Herzen zu bekommen. Das ist vor allem dann wichtig, wenn die Patienten nicht so gut mitmachen können, nicht so gut die Luft anhalten können, was sie sonst machen müssen. Dafür ist diese Entwicklung wirklich bahnbrechend für uns."

Die Echtzeitfilme aus dem MRT können viele Inhalte behandeln und die Regisseure der Filme kommen dann aus allen klinischen Bereichen, meint Joachim Lotz.

"Man könnte auch Kniebewegungen machen, oder Wirbelsäulenbewegungen oder wie der Schluckakt tatsächlich abläuft, die Methode ist wirklich sehr umfassend einsetzbar."

Neben der verbesserten Diagnostik ermöglicht das Echtzeit MRT aus Göttingen auch eine bessere Therapie.

"Denken sie daran, dass viele kleine minimal invasive Operationen unter Röntgenkontrolle durchgeführt werden. Uns schwebt natürlich schon vor, dass wir dieses Verfahren für die interventionelle MRT nutzen, dass also Katheter setzen vielleicht mit MRT-Geräten mit solchen Messtechniken begleitet werden, ohne dass der Patient ständig Röntgenstrahlen belastet wird und der behandelnde Arzt ebenfalls nicht."

Neben der verbesserten Diagnostik ermöglicht das Echtzeit MRT aus Göttingen auch eine bessere Therapie. Zukünftig laufen minimal invasive Operationen, die zur Zeit noch mit Röntgenkontrolle durchgeführt werden, dank der MRT Technik viel schonender ab, nämlich ohne Strahlenbelastung für Arzt und Patient.