Livestream aus dem Bienenstock
Der Verhaltensbiologe Jürgen Tautz hat einen Bienenstock der besonderen Art eingerichtet: Er ist vollgestopft mit Messtechnik wie Temperaturfühlern, Endoskopkameras und Zähleinrichtungen. Über das Internet kann jeder diese Daten abrufen und einen Rund-um-die-Uhr-Einblick in das Leben der Insekten bekommen.
Reger Flugverkehr über der HOBOS-Station: Bienen sausen in Massen heran, vollgepackt mit Nektar und Pollen verschwinden sie durch ein kleines Loch in einem wuchtigen, dunkelbraunen Holzkasten auf dem Balkon des zweistöckigen Hauses im Biozentrum der Universität Würzburg. Dieser ist ein ganz besonderer Bienenstock - vollgestopft mit Messtechnik, die sich von außen nur erahnen lässt. Schwarze und rote Kabel führen hinten aus dem Holzkasten heraus. Was drinsteckt, schildert Techniker Hartmut Vierle:
"Wir haben hier eine ganze Reihe an Temperaturfühlern, verschiedene Endoskop-Kameras, eine Zähleinrichtung, die vor dem Flugloch sitzt und alle ein- und ausfliegenden Bienen zählt; eine Wärmebildkamera, die von oben auf das Flugloch schaut und dort dann die Körpertemperatur der Bienen in Grad Celsius darstellen kann; eine Waage, die das Gesamtgewicht des Stockes dann erfasst und ausgibt; verschiedene Webcams, die das Gelände und den Stockeingang überwachen; und das Ganze fließt dann hier in diesen Datenlogger zusammen, der mit einem dicken Kabel ins Haus führt."
Der Bienenstock ist das Herzstück von HOBOS. Dieses Kürzel steht für den englischen Begriff "HoneyBee Online Studies". Diese "Honigbienen Online Studie" gewährt jedem Interessierten - ob Forscher, Imker, Schüler oder Naturfreund - einen Rund-um-die-Uhr Einblick übers Internet in diesen speziell konzipierten Bienenstock. Alle Daten sind online abrufbar und werden langfristig gespeichert.
Die Messtechnik im HOBOS-Bienenstock liefert Ergebnisse, die selbst seinem Erfinder, Professor Jürgen Tautz von der Universität Würzburg, jeden Tag aufs Neue überraschen. So haben die winzigen Temperaturfühler in den Wabengassen Anfang Februar Bemerkenswertes gemeldet. Als draußen das Thermometer nach einem gewaltigen Temperatursturz zweistellige Minusgrade anzeigte, warfen die Bienen im HOBOS-Stock die Heizung an:
"In dieser Zeit können wir beobachten, dass immer wieder ein Tag lang dauernde Wärmespitzen auftreten, richtige Heizspitzen, bei denen die Bienen die Temperatur auf nahezu 30 Grad hoch bringen - von einer Basistemperatur von 2 bis 4 Grad etwa."
Von 2 bis 4 auf rund 30 Grad Celsius - das ist eine immense Heizleistung, die weltweit bislang noch keinem Bienenforscher aufgefallen war. Die Bienen erzeugen Wärme, indem sie mit ihren starken Flugmuskeln vibrieren. Die Bienen vermeiden durch dieses gemeinsame "Wärmezittern", dass die Temperatur im Stock auf den Gefrierpunkt fällt - was den Tod des Bienenvolkes bedeuten würde. Dennoch ist es verwunderlich, dass die Bienen ihren Stock dann gleich auf tropische 30 Grad hoch heizen:
"Die Idee, die wir dazu haben, ist dass der Honig, der auch diesen Temperaturen ausgesetzt ist, bei vier Grad plus natürlich derart fest ist, dass die Bienen ihn nicht aufnehmen können. Und dieses Hochheizen wohl zu einer Verflüssigung, zu einem Weichmachen zumindest des Honigs führt, der dann gegessen werden kann."
Den Honig wiederum brauchen die Bienen, um mit den Muskeln zittern und somit Wärme erzeugen zu können - Honig als Brennstoff, als Energiespeicher. Im Grunde haben es die Bienen im Laufe der Evolution geschafft, die in den Blütenpflanzen gespeicherte Sonnenenergie im Sommerhalbjahr zu sammeln und dann im Winter zu nutzen - wir Menschen sind mit unserer Photovoltaik noch lange nicht so weit.
Um durch den Winter zu kommen, braucht ein Bienenvolk etwa die 10- bis 15-fache Menge ihres Eigengewichtes. Der HOBOS-Bienenstock wiegt als Ganzes etwa 50 Kilo - da ist aber auch die aufwendige Messtechnik enthalten. Das Bienenvolk selbst ist etwa ein Kilo schwer, der Honig als Energie- und Nahrungsvorrat für den Winter somit 10 bis 15 Kilo. Davon ist zu Beginn des Frühjahrs kaum noch was da. Die Bienen haben den Wintervorrat fast aufgezehrt. Und das zeigt sich auch am Gewicht des HOBOS-Bienenstockes: Immer dann, wenn es draußen kalt ist und die Bienen im Stock die Heizung anwerfen, wird Honig verbraucht und der Bienenstock ein paar Gramm leichter. Die Messapparatur im Stock ist derart empfindlich, dass zu Beginn des Frühjahrs sogar jeder Toilettengang der Bienen sich auf der Waage niederschlägt:
"Wenn der Winter ´rum ist, ist der Darm der Biene bis zum Bersten gefüllt, muss also abgekotet werden. Und das machen die Bienen bei den sogenannten Reinigungsflügen, die wir auch in unserem System erfassen können: Dieser eine Reinigungsflug in dem Falle hier, das kann man hier ablesen: Der hat eine Gewichtserleichterung von 200 Gramm gebracht. Also, wenn man so will: 200 Gramm Kot nach draußen geschafft."
Jürgen Tautz schätzt, dass etwa 4000 bis 5000 Bienen für diesen Toilettengang unterwegs waren - also etwa jede vierte Biene in seinem Stock. Die anderen sind später auf Toilette gegangen. Für die Gesundheit des Bienenvolkes sind diese Reinigungsflüge überlebenswichtig, damit sich nicht auch noch Krankheiten im Stock ausbreiten. Denn Feinde hat die heimische Honigbiene ohnehin schon genug - weltweit grassiert ein Bienensterben. Die Ursachen dafür sind - je nach Weltregion - unterschiedlich. Hierzulande macht vor allem eine Milbe den Bienen zu schaffen, die vor Jahren aus Südostasien nach Mitteleuropa eingeschleppt wurde: Die Varroa-Milbe. Unter den Parasiten ist sie wahrhaft ein Riese. Der Biologe Dr. Ralph Büchler ist immer wieder aufs Neue beeindruckt. Mit bloßem Auge kann der Leiter des Hessischen Bieneninstituts in Kirchhain bei Marburg diesen Schmarotzer erkennen, wenn er auf den Bienen sitzt:
"Es ist eine der größten Milben, die überhaupt vorkommen. Sie ist braun ausgefärbt, quer oval, 1,2 Millimeter breit und dadurch mit dem bloßen Auge auf der Biene gut zu erkennen. Sie hat Mundwerkzeuge, mit denen sie durch die Haut der Biene hindurch Blutgefäße anstechen kann, aus denen sie dann Hämolymphe, also das Blut der Bienen saugt."
Und dabei versteckt sich die Milbe nicht nur bei den erwachsenen Bienen, sondern auch in den Brutzellen der Larven, die sie mit scharfen Mundwerkzeugen aufschneidet, um das Larvenblut zu saugen. Dann legt sie Eier in den Zellen ab und später befallen die schlüpfenden Milben die nächsten Larven. So werden mit der Zeit immer mehr Bienen im Stock heimgesucht, bedauert Dr. Thomas Klüner, Obmann für Bienengesundheit beim Landesverband der westfälischen und lippischen Imker:
"Das heißt, es werden dann Bienen mit Untergewicht, mit verkürzter Lebenserwartung schlüpfen; auf der anderen Art und Weise verbreitet die Varroa-Milbe verschiedene Viren; diese Viren wie Sackbrut, europäische Faulbrut schädigen ebenfalls die erwachsenen Bienen als auch die Bienenbrut; das Sozialgefüge der Völker bricht zusammen; wir haben also nicht mehr die Pflege der Königin, keine optimale Brutpflege, es kommen weitere Bruterkrankungen dazu, weil die Bienen ja kein entsprechendes Hygieneverhalten mehr haben und irgendwann können sie sich nicht mehr verteidigen, diese Völker; es dringen Bienen anderer Völker ein, rauben den Honig aus, aber dann haben die Milben wiederum die Möglichkeit, überzuspringen!"
Und jetzt verbreiten diese Bienen ihren Todfeind seuchenartig immer weiter - wie ein Milbentaxi. Bislang sind heimische Honigbienen häufig noch zu brav, um sich gegen die Varroa entschieden zu wehren. Erste Ansätze sind aber bereits zu erkennen. Mit Infrarotkameras konnten Forscher den Kampf gegen die Varroa-Milbe im Dunkel eines Bienenstockes filmen. Dabei zeigte sich sogar eine Arbeitsteilung unter den Bienen:
"Man hat dann gesehen, dass es Bienen gibt, die eben einen Zelldeckel öffnen - wo eine Larve sich ja in der Zelle befindet - und diese Milbe dann aus der Zelle herausläuft, gegebenenfalls von der Biene gefangen wird. Oder die gesamte Larve wird heraustransportiert und damit dann die Milbe ebenfalls entfernt. Man hat festgestellt, dass es Bienen gibt, die nur die Zelldeckel öffnen, also die Milben entdecken und andere, die dann ausräumen."
Doch sind diese Abwehrstrategien nur in Ansätzen zu beobachten. Ziel wird deshalb künftig sein, Arbeitsbienen zu züchten, die diese Aufgaben in den Völkern gezielt wahrnehmen. Dies wird aber noch viele Jahre dauern.Am HOBOS-Bienenstock von Jürgen Tautz am Biozentrum der Universität Würzburg kehren ständig weitere Bienen von ihren Sammelflügen zurück. Einige schaffen es jedoch nicht:
"Die sterben, die haben also ihre Lebenszeit hinter sich gebracht; haben noch die Aufgabe, ein paar Sammelflüge zu absolvieren, das schaffen die auch noch; und bei irgendeinem dieser Sammelflüge bleiben sie dann draußen im Feld, sterben und kommen nicht mehr zurück."
Die Messtechnik ist empfindlich genug, um über die Waage auch diese Abgänge zu erfassen. Das reicht den Würzburger Bienenforschern jedoch nicht. Um noch mehr zu erfahren, ist ein kleines Guckloch genau über der Einflugöffnung platziert:
"Das ist für die Kamera, die dann die Bienen in Zukunft individuell erfassen soll. Das heißt, jede Biene hat dann eine eigene Personalnummer; wir können den Bienen somit ein Gesicht geben und auch eine Stechuhr quasi liefern, wann die Biene ausfliegt, wann sie einfliegt; und somit können wir den individuellen Lebenslauf einer Biene viel besser verfolgen als es jetzt möglich ist."
Wer fliegt aus, wer kommt zurück, und wer nicht. Keine leichte Aufgabe, viele tausend Bienen individuell zu erfassen. Das Streifenmuster der emsigen Insekten ist nicht so spezifisch wie der menschliche Fingerabdruck. Also muss ein winziger Chip auf jeden einzelnen Bienenkörper:
"Wir haben da eine Technik entwickelt, über die ich leider noch nicht sehr viel verraten darf, mit denen wir die Bienen separieren können. Das heißt, wirklich individuell kennzeichnen und auch wieder individuell auslesen können. Das muss alles mit der Hand gemacht werden; da sind wir dann auf die Hilfe unserer Studenten angewiesen, um das Ganze dann manuell auf jede einzelne Biene anzubringen."
Bei 15.000 bis 20.000 Bienen, die sich im Herbst auf einen langen Winter im HOBOS-Bienenstock einrichten, werden die studentischen Hilfskräfte dann so fleißig sein müssen wie es die Bienen ihr ganzes Leben lang sind.
Link ins Netz:
HOneyBee Online Studies
"Wir haben hier eine ganze Reihe an Temperaturfühlern, verschiedene Endoskop-Kameras, eine Zähleinrichtung, die vor dem Flugloch sitzt und alle ein- und ausfliegenden Bienen zählt; eine Wärmebildkamera, die von oben auf das Flugloch schaut und dort dann die Körpertemperatur der Bienen in Grad Celsius darstellen kann; eine Waage, die das Gesamtgewicht des Stockes dann erfasst und ausgibt; verschiedene Webcams, die das Gelände und den Stockeingang überwachen; und das Ganze fließt dann hier in diesen Datenlogger zusammen, der mit einem dicken Kabel ins Haus führt."
Der Bienenstock ist das Herzstück von HOBOS. Dieses Kürzel steht für den englischen Begriff "HoneyBee Online Studies". Diese "Honigbienen Online Studie" gewährt jedem Interessierten - ob Forscher, Imker, Schüler oder Naturfreund - einen Rund-um-die-Uhr Einblick übers Internet in diesen speziell konzipierten Bienenstock. Alle Daten sind online abrufbar und werden langfristig gespeichert.
Die Messtechnik im HOBOS-Bienenstock liefert Ergebnisse, die selbst seinem Erfinder, Professor Jürgen Tautz von der Universität Würzburg, jeden Tag aufs Neue überraschen. So haben die winzigen Temperaturfühler in den Wabengassen Anfang Februar Bemerkenswertes gemeldet. Als draußen das Thermometer nach einem gewaltigen Temperatursturz zweistellige Minusgrade anzeigte, warfen die Bienen im HOBOS-Stock die Heizung an:
"In dieser Zeit können wir beobachten, dass immer wieder ein Tag lang dauernde Wärmespitzen auftreten, richtige Heizspitzen, bei denen die Bienen die Temperatur auf nahezu 30 Grad hoch bringen - von einer Basistemperatur von 2 bis 4 Grad etwa."
Von 2 bis 4 auf rund 30 Grad Celsius - das ist eine immense Heizleistung, die weltweit bislang noch keinem Bienenforscher aufgefallen war. Die Bienen erzeugen Wärme, indem sie mit ihren starken Flugmuskeln vibrieren. Die Bienen vermeiden durch dieses gemeinsame "Wärmezittern", dass die Temperatur im Stock auf den Gefrierpunkt fällt - was den Tod des Bienenvolkes bedeuten würde. Dennoch ist es verwunderlich, dass die Bienen ihren Stock dann gleich auf tropische 30 Grad hoch heizen:
"Die Idee, die wir dazu haben, ist dass der Honig, der auch diesen Temperaturen ausgesetzt ist, bei vier Grad plus natürlich derart fest ist, dass die Bienen ihn nicht aufnehmen können. Und dieses Hochheizen wohl zu einer Verflüssigung, zu einem Weichmachen zumindest des Honigs führt, der dann gegessen werden kann."
Den Honig wiederum brauchen die Bienen, um mit den Muskeln zittern und somit Wärme erzeugen zu können - Honig als Brennstoff, als Energiespeicher. Im Grunde haben es die Bienen im Laufe der Evolution geschafft, die in den Blütenpflanzen gespeicherte Sonnenenergie im Sommerhalbjahr zu sammeln und dann im Winter zu nutzen - wir Menschen sind mit unserer Photovoltaik noch lange nicht so weit.
Um durch den Winter zu kommen, braucht ein Bienenvolk etwa die 10- bis 15-fache Menge ihres Eigengewichtes. Der HOBOS-Bienenstock wiegt als Ganzes etwa 50 Kilo - da ist aber auch die aufwendige Messtechnik enthalten. Das Bienenvolk selbst ist etwa ein Kilo schwer, der Honig als Energie- und Nahrungsvorrat für den Winter somit 10 bis 15 Kilo. Davon ist zu Beginn des Frühjahrs kaum noch was da. Die Bienen haben den Wintervorrat fast aufgezehrt. Und das zeigt sich auch am Gewicht des HOBOS-Bienenstockes: Immer dann, wenn es draußen kalt ist und die Bienen im Stock die Heizung anwerfen, wird Honig verbraucht und der Bienenstock ein paar Gramm leichter. Die Messapparatur im Stock ist derart empfindlich, dass zu Beginn des Frühjahrs sogar jeder Toilettengang der Bienen sich auf der Waage niederschlägt:
"Wenn der Winter ´rum ist, ist der Darm der Biene bis zum Bersten gefüllt, muss also abgekotet werden. Und das machen die Bienen bei den sogenannten Reinigungsflügen, die wir auch in unserem System erfassen können: Dieser eine Reinigungsflug in dem Falle hier, das kann man hier ablesen: Der hat eine Gewichtserleichterung von 200 Gramm gebracht. Also, wenn man so will: 200 Gramm Kot nach draußen geschafft."
Jürgen Tautz schätzt, dass etwa 4000 bis 5000 Bienen für diesen Toilettengang unterwegs waren - also etwa jede vierte Biene in seinem Stock. Die anderen sind später auf Toilette gegangen. Für die Gesundheit des Bienenvolkes sind diese Reinigungsflüge überlebenswichtig, damit sich nicht auch noch Krankheiten im Stock ausbreiten. Denn Feinde hat die heimische Honigbiene ohnehin schon genug - weltweit grassiert ein Bienensterben. Die Ursachen dafür sind - je nach Weltregion - unterschiedlich. Hierzulande macht vor allem eine Milbe den Bienen zu schaffen, die vor Jahren aus Südostasien nach Mitteleuropa eingeschleppt wurde: Die Varroa-Milbe. Unter den Parasiten ist sie wahrhaft ein Riese. Der Biologe Dr. Ralph Büchler ist immer wieder aufs Neue beeindruckt. Mit bloßem Auge kann der Leiter des Hessischen Bieneninstituts in Kirchhain bei Marburg diesen Schmarotzer erkennen, wenn er auf den Bienen sitzt:
"Es ist eine der größten Milben, die überhaupt vorkommen. Sie ist braun ausgefärbt, quer oval, 1,2 Millimeter breit und dadurch mit dem bloßen Auge auf der Biene gut zu erkennen. Sie hat Mundwerkzeuge, mit denen sie durch die Haut der Biene hindurch Blutgefäße anstechen kann, aus denen sie dann Hämolymphe, also das Blut der Bienen saugt."
Und dabei versteckt sich die Milbe nicht nur bei den erwachsenen Bienen, sondern auch in den Brutzellen der Larven, die sie mit scharfen Mundwerkzeugen aufschneidet, um das Larvenblut zu saugen. Dann legt sie Eier in den Zellen ab und später befallen die schlüpfenden Milben die nächsten Larven. So werden mit der Zeit immer mehr Bienen im Stock heimgesucht, bedauert Dr. Thomas Klüner, Obmann für Bienengesundheit beim Landesverband der westfälischen und lippischen Imker:
"Das heißt, es werden dann Bienen mit Untergewicht, mit verkürzter Lebenserwartung schlüpfen; auf der anderen Art und Weise verbreitet die Varroa-Milbe verschiedene Viren; diese Viren wie Sackbrut, europäische Faulbrut schädigen ebenfalls die erwachsenen Bienen als auch die Bienenbrut; das Sozialgefüge der Völker bricht zusammen; wir haben also nicht mehr die Pflege der Königin, keine optimale Brutpflege, es kommen weitere Bruterkrankungen dazu, weil die Bienen ja kein entsprechendes Hygieneverhalten mehr haben und irgendwann können sie sich nicht mehr verteidigen, diese Völker; es dringen Bienen anderer Völker ein, rauben den Honig aus, aber dann haben die Milben wiederum die Möglichkeit, überzuspringen!"
Und jetzt verbreiten diese Bienen ihren Todfeind seuchenartig immer weiter - wie ein Milbentaxi. Bislang sind heimische Honigbienen häufig noch zu brav, um sich gegen die Varroa entschieden zu wehren. Erste Ansätze sind aber bereits zu erkennen. Mit Infrarotkameras konnten Forscher den Kampf gegen die Varroa-Milbe im Dunkel eines Bienenstockes filmen. Dabei zeigte sich sogar eine Arbeitsteilung unter den Bienen:
"Man hat dann gesehen, dass es Bienen gibt, die eben einen Zelldeckel öffnen - wo eine Larve sich ja in der Zelle befindet - und diese Milbe dann aus der Zelle herausläuft, gegebenenfalls von der Biene gefangen wird. Oder die gesamte Larve wird heraustransportiert und damit dann die Milbe ebenfalls entfernt. Man hat festgestellt, dass es Bienen gibt, die nur die Zelldeckel öffnen, also die Milben entdecken und andere, die dann ausräumen."
Doch sind diese Abwehrstrategien nur in Ansätzen zu beobachten. Ziel wird deshalb künftig sein, Arbeitsbienen zu züchten, die diese Aufgaben in den Völkern gezielt wahrnehmen. Dies wird aber noch viele Jahre dauern.Am HOBOS-Bienenstock von Jürgen Tautz am Biozentrum der Universität Würzburg kehren ständig weitere Bienen von ihren Sammelflügen zurück. Einige schaffen es jedoch nicht:
"Die sterben, die haben also ihre Lebenszeit hinter sich gebracht; haben noch die Aufgabe, ein paar Sammelflüge zu absolvieren, das schaffen die auch noch; und bei irgendeinem dieser Sammelflüge bleiben sie dann draußen im Feld, sterben und kommen nicht mehr zurück."
Die Messtechnik ist empfindlich genug, um über die Waage auch diese Abgänge zu erfassen. Das reicht den Würzburger Bienenforschern jedoch nicht. Um noch mehr zu erfahren, ist ein kleines Guckloch genau über der Einflugöffnung platziert:
"Das ist für die Kamera, die dann die Bienen in Zukunft individuell erfassen soll. Das heißt, jede Biene hat dann eine eigene Personalnummer; wir können den Bienen somit ein Gesicht geben und auch eine Stechuhr quasi liefern, wann die Biene ausfliegt, wann sie einfliegt; und somit können wir den individuellen Lebenslauf einer Biene viel besser verfolgen als es jetzt möglich ist."
Wer fliegt aus, wer kommt zurück, und wer nicht. Keine leichte Aufgabe, viele tausend Bienen individuell zu erfassen. Das Streifenmuster der emsigen Insekten ist nicht so spezifisch wie der menschliche Fingerabdruck. Also muss ein winziger Chip auf jeden einzelnen Bienenkörper:
"Wir haben da eine Technik entwickelt, über die ich leider noch nicht sehr viel verraten darf, mit denen wir die Bienen separieren können. Das heißt, wirklich individuell kennzeichnen und auch wieder individuell auslesen können. Das muss alles mit der Hand gemacht werden; da sind wir dann auf die Hilfe unserer Studenten angewiesen, um das Ganze dann manuell auf jede einzelne Biene anzubringen."
Bei 15.000 bis 20.000 Bienen, die sich im Herbst auf einen langen Winter im HOBOS-Bienenstock einrichten, werden die studentischen Hilfskräfte dann so fleißig sein müssen wie es die Bienen ihr ganzes Leben lang sind.
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