Gespräche mit dem Feind, der keiner mehr ist
In Israel findet sich kein Verlag, der das neue Buch von Lizzie Doron drucken will. Grund ist der Inhalt: Sie hat Gespräche mit den "Friedenskämpfern" geführt, die in der israelischen Öffentlichkeit als "Terroristen" oder "Verräter" gelten. Und Doron ist plötzlich eine "Kollaborateurin" - oder einfach nur "verrückt".
Lizzie Doron, Tochter einer Holocaust-Überlebenden, begann nach dem Tod ihrer Mutter, über die eigene Kindheit und Jugend in Tel Aviv zu schreiben. Ihre Texte drücken beispielhaft das Empfinden der sogenannten "2nd Generation" aus und fanden Eingang in israelische Schulbücher.
Mit ihrem Buch "Who the fuck is Kafka?" (2015) wandte Doron dann ihren Blick von der Vergangenheit in die Gegenwart und beschreibt den mühsamen Versuch einer Freundschaft mit einem Palästinenser aus Ost-Jerusalem. In Israel fand sich dafür kein Verleger. Und auch ihr neues Buch wird dort wohl nicht gedruckt werden.
"Sweet Occupation" ging direkt aus "Who the fuck is Kafka?" hervor: Mitglieder der israelisch-palästinensischen Organisation "Combatants for Peace" traten an die Autorin heran und baten sie, ihre Geschichte zu erzählen. Das hat sie dann getan, und die Geschichten von drei Palästinensern und zwei Israelis aufgezeichnet, die gemeinsam beschlossen haben, friedlich und mit strikter Ablehnung von Gewalt eine Perspektive für das Zusammenleben ihrer Völker zu suchen.
Das Problem: Die drei Palästinenser gelten in Israel als "Terroristen", weil sie unter anderem früher Brandsätze auf israelische Soldaten geworfen hatten. Und die beiden Israelis als "Verräter", weil sie sich weigerten, in der Armee zu dienen, ihr Land mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.
Die "Friedenskämpfer" veränderten ihre Perspektive
Die "Friedenskämpfer" hätten dann ihren Blick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt verändert, berichtete Doron im Deutschlandradio Kultur. Sie entwickelte durch lange Gespräche Empathie - und stellte ihre bisherigen Überzeugungen radikal in Frage. Freunde waren überrascht, dass sie ihre Meinung änderte, und plötzlich habe sie als "Kollaborateurin" oder "verrückte Frau" gegolten, erklärte Doron.
Laut Doron hat sich auch die israelische Literatur-Szene inzwischen von ihr abgewandt. Sie hält keine Lesungen mehr in ihrem Heimatland. Als "Holocaust-Autorin" sei sie noch beständig von Schulen und Universitäten eingeladen worden, berichtete sie. Aber durch den Wechsel ihres Themas sei sie zu "einer anderen Person geworden", sagte Doron. Sie teile ihre Geschichten nun mehr mit Menschen in europäischen Ländern. Das sei eine "radikale Veränderung" ihres Lebens.
Die Verlage in Israel haben laut Doron versucht, sie davon zu überzeugen, weiter Bücher über den Holocaust zu verfassen, anstatt über Palästinenser zu schreiben: "Denn Bücher über den Holocaust sind schnell Bestseller."
Doch Doron, die sich selbst ironisch eine "Ikone des Genres", eine "V.I.P-Holocaust-Autorin" nennt, hat sich anders entschieden. Es war für sie "an der Zeit, unsere Nachbarn zu hören". (ahe)