Ljudmila Ulitzkaja: Die Kehrseite des Himmels
Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt
Hanser Verlag, München 2015
224 Seiten, 19,90 Euro
Die Macht des Politischen über das Private
In ihrem neuen Buch "Die Kehrseite des Himmels“ zieht Ljudmila Ulitzkaja eine persönliche und auch politische Bilanz ihres Lebens. Aufgrund ihrer familiären Erfahrung in der Stalinzeit meint sie heute: "Je weniger der Staat in das Privatleben eingreift, desto besser ist der Staat."
Die Moskauer Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja gehört zu den wichtigsten kritischen Stimmen in Russland. In ihrem neuen Buch "Die Kehrseite des Himmels" verknüpft sie den aktuellen Zustand Russlands mit dem der Stalin-Zeit und ihrer eigenen Familiengeschichte. Sie erzählt auch von ihrer Kindheit und Jugend in Moskau, von geliebten Menschen und geschätzten Büchern.
Das Buch sei ursprünglich als eine "Art Autobiobiografie" gedacht gewesen, sagte Ulitzkaja im Deutschlandradio Kultur:
"Ein Buch, das Bilanz zieht, das bestimmte Dinge noch einmal sagt – auch über mich persönlich. Es sollte ursprünglich mein letztes Buch werden. Dann aber hat es sich so ergeben, dass ich jetzt gerade einen weiteren großen Roman beende. So steht das Buch 'Die Kehrseite des Himmels' eigentlich nicht am richtigen Platz."
Die Auswirkungen der erlebten politischen Gewalt in der Familie
Private Lebensgeschichten in Russland seien im 20. Jahrhundert kaum denkbar ohne politische Gewalt, so ist in dem Band zu lesen. Auch ihre Familie sei davon betroffen gewesen:
"Das ist ein Thema, das mich sehr bewegt und auch immer bewegt hat. Und so ist es eines der wichtigsten Themen des Buches geworden, das ich gerade beende: Nämlich wie der Staat in das persönliche und private Leben der Menschen eingreift. Und das wird an der Geschichte meiner Familie auch besonders deutlich. Ich bin der Ansicht: Je weniger der Staat in das Privatleben eingreift, desto besser ist der Staat."
Ihre beiden Großväter hätten in der Stalin-Zeit eine Lagerhaft erleiden müssen, so Ulitzkaja. Einer von ihnen habe nur "durch ein Wunder" überlebt. Diese familiäre Erfahrung habe ihr politisches Bewusstsein geprägt:
"Ich war nie ein typischer Vorzeige-Sowjetmensch. So hat mich der Untergang der Sowjetunion nicht erschüttert: Weil meine Beziehungen zu dieser Herrschaftsform, zu diesem System waren von vornherein klar. Ich mochte die Sowjetmacht nicht. Und sie mich eben so wenig."