Der Beitrag ist eine Wiederholung und wurde am 06.04.2021 erstmalig gesendet.
Lange Fahrten für wenig Geld
30:24 Minuten
Monatelang unterwegs, ohne jemals ein Hotel zu sehen, zu Dumpinglöhnen: Die Ausbeutung von Lkw-Fahrern auch auf Straßen hierzulande spitzt sich zu. Kontrollen sind schwierig und die Methoden der osteuropäischen Speditionsfirmen werden immer krimineller.
Die Autobahnraststätte Michendorf, 35 Kilometer südlich von Berlin. Ein Samstagvormittag Mitte Februar, es liegt Schnee, ein eisiger Wind weht über den Parkplatz, auf dem dicht an dicht schwere Lastwagen stehen. Fast alle kommen aus Osteuropa, aus Polen, Rumänien oder Litauen.
Michael Wahl ist mit einem kleinen Team ausgerückt, er arbeitet für das DGB-Projekt "Faire Mobilität". Er holt Infomaterial aus seinem Rucksack, Broschüren, in denen die Rechte der Lkw-Fahrer erklärt werden. Das Recht auf regelmäßige Ruhezeiten und auf angemessene Bezahlung zum Beispiel.
Michael Wahl spricht einen Fahrer aus der Ukraine an. Oleg ist 26 Jahre alt, er steht vor einem Kleintransporter am Rande der Raststätte.
"Wenn Du in Deutschland fährst, auf deutschem Territorium, dann hast Du bestimmte Rechte. Und ganz oft werden diese Rechte gebrochen."
Oleg schaut interessiert, aber auch ein bisschen skeptisch. Er hat eine dicke Winterjacke an, die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen. Er macht gerade Mittagspause. Er hat die Plane seines Lkws zur Seite geschoben, auf der Ladefläche steht ein Camping-Kocher. Daneben ein Holzbrett, ein scharfes Messer, und ein Teller. Er hat gerade gekocht.
"Ich muss hier draußen kochen, in der Kabine ist ja kein Platz, da ist es zu eng. Deshalb koche ich hier auf der Ladefläche. Ja, jetzt ist es sehr kalt, aber was soll ich machen. So ist mein Leben hier."
Michael Wahl ist mit einem kleinen Team ausgerückt, er arbeitet für das DGB-Projekt "Faire Mobilität". Er holt Infomaterial aus seinem Rucksack, Broschüren, in denen die Rechte der Lkw-Fahrer erklärt werden. Das Recht auf regelmäßige Ruhezeiten und auf angemessene Bezahlung zum Beispiel.
Michael Wahl spricht einen Fahrer aus der Ukraine an. Oleg ist 26 Jahre alt, er steht vor einem Kleintransporter am Rande der Raststätte.
"Wenn Du in Deutschland fährst, auf deutschem Territorium, dann hast Du bestimmte Rechte. Und ganz oft werden diese Rechte gebrochen."
Oleg schaut interessiert, aber auch ein bisschen skeptisch. Er hat eine dicke Winterjacke an, die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen. Er macht gerade Mittagspause. Er hat die Plane seines Lkws zur Seite geschoben, auf der Ladefläche steht ein Camping-Kocher. Daneben ein Holzbrett, ein scharfes Messer, und ein Teller. Er hat gerade gekocht.
"Ich muss hier draußen kochen, in der Kabine ist ja kein Platz, da ist es zu eng. Deshalb koche ich hier auf der Ladefläche. Ja, jetzt ist es sehr kalt, aber was soll ich machen. So ist mein Leben hier."
Oleg stapft mit den Füßen im Schnee und zieht die Mütze noch ein bisschen tiefer ins Gesicht. Seit drei Jahren macht er das jetzt, sagt er, mit dem Kleintransporter durch Westeuropa fahren, wochentags Waren ausliefern, die Wochenenden auf Rastplätzen verbringen.
"Ich bin die ganze Zeit in Westeuropa unterwegs. In Deutschland, in Belgien, Niederlande, Österreich. Die ganze Zeit. Das entscheidet sich immer kurzfristig, von Tag zu Tag, wo ich als nächstes hinfahre. Je nachdem, welche Transporte es gibt. Als nächstes fahre ich nach Berlin."
"Ich bin die ganze Zeit in Westeuropa unterwegs. In Deutschland, in Belgien, Niederlande, Österreich. Die ganze Zeit. Das entscheidet sich immer kurzfristig, von Tag zu Tag, wo ich als nächstes hinfahre. Je nachdem, welche Transporte es gibt. Als nächstes fahre ich nach Berlin."
Lkw als Wohnort, Autobahnraststätten als Zuhause
Oleg fährt für eine polnische Spedition. Der Lkw ist zu seinem Wohnort geworden, die Autobahnraststätten sind sein Zuhause. Dort verbringt er - wie viele andere Lkw-Fahrer aus Osteuropa - die Wochenenden, in der Fahrerkabine, schaut Videos auf dem Tablet, kocht für die kommende Woche vor. Viel kann man auf so einer Raststätte an der Autobahn ja nicht machen, sagt er.
"Richtig zufrieden kann man damit nicht sein, so wie ich lebe, immer im Lkw. Ich wäre gern öfter zuhause. Bei meiner Familie in der Ukraine."
Oleg zuckt die Achseln. Er kommt aus der Nähe von Dnipro in der Ostukraine. Die polnische Spedition zahlt ihm den polnischen Mindestlohn, knapp 600 Euro, dazu kommen Spesen, so kommt er auf rund 1100 Euro im Monat. Für Oleg ist das viel Geld.
"Für mich ist das in Ordnung. Auch wenn das Leben im Lkw hart ist. Aber es ist auf jeden Fall besser als alles, was ich in der Ukraine machen kann. Dort herrscht Krieg, es gibt kaum Jobs. Da kann ich vielleicht 300 Euro im Monat verdienen. Ich sehe da keine Perspektiven."
Oleg zeigt uns die kleine Fahrerkabine, auf dem Beifahrersitz liegt eine Reisetasche, darauf zwei Handtücher. Hinter dem Sitz ist sein Schlafplatz: eine kleine Nische, nicht mal einen halben Meter breit. Dort liegt eine dünne Matratze, darauf eine Decke.
"Ja, das ist mein Zuhause. Hier schlafe ich. Es ist ein bisschen eng, aber das ist in Ordnung. Ich habe Lkw gesehen, da ist noch weniger Platz."
"Richtig zufrieden kann man damit nicht sein, so wie ich lebe, immer im Lkw. Ich wäre gern öfter zuhause. Bei meiner Familie in der Ukraine."
Oleg zuckt die Achseln. Er kommt aus der Nähe von Dnipro in der Ostukraine. Die polnische Spedition zahlt ihm den polnischen Mindestlohn, knapp 600 Euro, dazu kommen Spesen, so kommt er auf rund 1100 Euro im Monat. Für Oleg ist das viel Geld.
"Für mich ist das in Ordnung. Auch wenn das Leben im Lkw hart ist. Aber es ist auf jeden Fall besser als alles, was ich in der Ukraine machen kann. Dort herrscht Krieg, es gibt kaum Jobs. Da kann ich vielleicht 300 Euro im Monat verdienen. Ich sehe da keine Perspektiven."
Oleg zeigt uns die kleine Fahrerkabine, auf dem Beifahrersitz liegt eine Reisetasche, darauf zwei Handtücher. Hinter dem Sitz ist sein Schlafplatz: eine kleine Nische, nicht mal einen halben Meter breit. Dort liegt eine dünne Matratze, darauf eine Decke.
"Ja, das ist mein Zuhause. Hier schlafe ich. Es ist ein bisschen eng, aber das ist in Ordnung. Ich habe Lkw gesehen, da ist noch weniger Platz."
Zu Dumpinglöhnen in Westeuropa unterwegs
Michael Wahl kennt diese Geschichten von Lkw-Fahrern aus Osteuropa, die zu Dumpinglöhnen in Westeuropa unterwegs sind, monatelang in ihren Lkw leben und auf Autobahnraststätten campieren. Wahl hält das für einen Skandal, für die Speditionen ist es ein lohnendes Geschäft.
"Man nutzt immer mehr aus, dass Menschen keine Chance auf einen fairen Arbeitsplatz haben. Und aktuell scheint es so zu sein, dass man ausnutzt, wie schlecht die Lebenssituation in Weißrussland, in der Ukraine, in Moldawien, in Kirgistan ist. Und das nutzt man gnadenlos aus."
"Man nutzt immer mehr aus, dass Menschen keine Chance auf einen fairen Arbeitsplatz haben. Und aktuell scheint es so zu sein, dass man ausnutzt, wie schlecht die Lebenssituation in Weißrussland, in der Ukraine, in Moldawien, in Kirgistan ist. Und das nutzt man gnadenlos aus."
Die Coronakrise hat die Lage der Fahrer zusätzlich verschärft. Viele Raststätten haben auf Notbetrieb umgestellt, viele Duschen sind geschlossen, auch hier in Michendorf.
"Ich bin extra auf diese Raststätte gefahren, weil ich gehört hatte, dass es hier Duschen gibt. Jetzt ist alles zu. In einigen Raststätten sind auch die Toiletten geschlossen. Das ist wirklich sehr schwierig in Deutschland."
Igor sitzt in der Fahrerkabine seines 40-Tonners. Seit knapp zehn Jahren ist das sein Lebensmittelpunkt. Er ist 51 Jahre alt und kommt aus Belarus. In guten Monaten kann er – mit Spesen - auf 1500 Euro kommen, sagt er. Aber oft bekommt er viel weniger, dann zieht ihm sein Arbeitgeber einfach 100 oder 200 Euro vom Lohn ab, weil es Kratzer am Lkw gibt oder er angeblich zu viel Sprit verbraucht hat.
"Die Firma gibt dir mit einer Hand Geld, und mit der anderen Hand zieht sie es dir wieder aus der Tasche. Im vergangenen Monat hatte ich viele Transporte von Deutschland nach Italien und Österreich, da musste ich durch die Berge fahren, da habe ich natürlich mehr Sprit verbraucht. Deshalb hat mir die Firma 100 Euro vom Lohn abgezogen. Und das ist etwas, was mich unglaublich sauer macht."
"Ich bin extra auf diese Raststätte gefahren, weil ich gehört hatte, dass es hier Duschen gibt. Jetzt ist alles zu. In einigen Raststätten sind auch die Toiletten geschlossen. Das ist wirklich sehr schwierig in Deutschland."
Igor sitzt in der Fahrerkabine seines 40-Tonners. Seit knapp zehn Jahren ist das sein Lebensmittelpunkt. Er ist 51 Jahre alt und kommt aus Belarus. In guten Monaten kann er – mit Spesen - auf 1500 Euro kommen, sagt er. Aber oft bekommt er viel weniger, dann zieht ihm sein Arbeitgeber einfach 100 oder 200 Euro vom Lohn ab, weil es Kratzer am Lkw gibt oder er angeblich zu viel Sprit verbraucht hat.
"Die Firma gibt dir mit einer Hand Geld, und mit der anderen Hand zieht sie es dir wieder aus der Tasche. Im vergangenen Monat hatte ich viele Transporte von Deutschland nach Italien und Österreich, da musste ich durch die Berge fahren, da habe ich natürlich mehr Sprit verbraucht. Deshalb hat mir die Firma 100 Euro vom Lohn abgezogen. Und das ist etwas, was mich unglaublich sauer macht."
Dramatische Lohnsenkungen
Ohnehin hat sich die Lage vieler Fahrer verschlechtert, weil viele osteuropäische Speditionen die Löhne im vergangenen Jahr dramatisch gesenkt haben, um bis zu 40 Prozent. Bei Konstantin Shevchenko zum Beispiel, einem Fahrer aus der Ukraine.
"Ich bin im letzten Jahr sehr viel gefahren, auch als die Coronakrise losging. Vor allem Lebensmittel, für Lidl und Aldi, ich hatte wirklich sehr viel zu tun. Und da kam plötzlich die Meldung von meinem Arbeitgeber: Der Lohn wird um 30 Prozent gekürzt. Das war schon eine Riesensauerei."
50.000 litauische Lkw-Fahrer waren von den Lohnkürzungen betroffen. Einige protestierten, weigerten sich weiterzufahren – und wurden kurzerhand entlassen.
Die Rechte der Fahrer interessieren hier niemanden, sagt Konstantin Shevchenko. Er hat in den vergangenen Jahren für viele litauische Speditionen gearbeitet.
"Der Lohn wird immer zu spät überwiesen, man muss immer nachfragen, wann das Geld kommt. Sie wollen, dass wir uns wie Bettler fühlen, die um Almosen bitten. Nicht wie Arbeiter, die auch Rechte haben. Sie behandeln uns schlecht, und denken, sie können sich das leisten, weil wir doch immer wieder zurückkommen."
Manche Speditionen halten ganz bewusst einen Teil des Lohnes zurück, damit die Fahrer nach den Touren, wenn sie zu ihren Familien fahren, wieder zurückkommen. So wollen sie verhindern, dass die Fahrer sich einen neuen Job suchen, sagt Shevchenko.
"Das ist wie ein Pfand. So wollen sie uns zwingen, dass wir wieder zurückkommen. Und wenn wir das nicht tun, wenn wir uns eine andere Firma suchen, weil wir unzufrieden sind, dann ist das Geld weg. Mein alter Arbeitgeber schuldet mir noch 300 Euro. Ich finde das wirklich lächerlich."
"Ich bin im letzten Jahr sehr viel gefahren, auch als die Coronakrise losging. Vor allem Lebensmittel, für Lidl und Aldi, ich hatte wirklich sehr viel zu tun. Und da kam plötzlich die Meldung von meinem Arbeitgeber: Der Lohn wird um 30 Prozent gekürzt. Das war schon eine Riesensauerei."
50.000 litauische Lkw-Fahrer waren von den Lohnkürzungen betroffen. Einige protestierten, weigerten sich weiterzufahren – und wurden kurzerhand entlassen.
Die Rechte der Fahrer interessieren hier niemanden, sagt Konstantin Shevchenko. Er hat in den vergangenen Jahren für viele litauische Speditionen gearbeitet.
"Der Lohn wird immer zu spät überwiesen, man muss immer nachfragen, wann das Geld kommt. Sie wollen, dass wir uns wie Bettler fühlen, die um Almosen bitten. Nicht wie Arbeiter, die auch Rechte haben. Sie behandeln uns schlecht, und denken, sie können sich das leisten, weil wir doch immer wieder zurückkommen."
Manche Speditionen halten ganz bewusst einen Teil des Lohnes zurück, damit die Fahrer nach den Touren, wenn sie zu ihren Familien fahren, wieder zurückkommen. So wollen sie verhindern, dass die Fahrer sich einen neuen Job suchen, sagt Shevchenko.
"Das ist wie ein Pfand. So wollen sie uns zwingen, dass wir wieder zurückkommen. Und wenn wir das nicht tun, wenn wir uns eine andere Firma suchen, weil wir unzufrieden sind, dann ist das Geld weg. Mein alter Arbeitgeber schuldet mir noch 300 Euro. Ich finde das wirklich lächerlich."
Noch billigere Arbeitskräfte aus Asien
Auf der Suche nach billigen Arbeitskräften dringen die Speditionen immer weiter nach Osten vor, weit über die Grenzen der EU hinaus, sagt Edwin Atema. Er war früher selbst Lkw-Fahrer, er arbeitet jetzt bei der niederländischen Transportarbeitergewerkschaft FNV.
"Es begann vor einigen Jahren mit Fahrern aus Belarus, Ukraine und Russland. Und seit zwei, drei Jahren sehen wir einen geradezu explosionsartigen Anstieg von Fahrern aus Zentral- und Südostasien, von den Philippinen, aus Usbekistan, Kasachstan, Tadschikistan. Das ist unglaublich."
Es ist die Fortsetzung einer Strategie, die auf aggressivem Lohndumping beruht, sagt Edwin Atema. So können die Speditionen aus Polen, Rumänien oder Litauen die Lohnkosten drücken und Transporte in Westeuropa viel billiger anbieten als deutsche oder französische Konkurrenten. So haben die osteuropäischen Speditionen inzwischen über 40 Prozent des europäischen Transportmarktes erobert, sagt Dirk Engelhardt, der Vorstandschef des Speditionsverbandes BGL.
"Wenn sie sich mit einem Konkurrenten im Markt wiederfinden, der einen Mindestlohn hat von zum Beispiel ein Euro 85 in Bulgarien oder etwas über drei Euro im Baltikum, dann ist das einfach für den deutschen Mittelstand schlichtweg nicht möglich. Von daher ist es nicht ein fairer Wettbewerb."
Dabei sind die Regeln eigentlich klar, sagen Arbeitgebervertreter wie Dirk Engelhardt und Gewerkschafter wie Michael Wahl. Ausländische Firmen, die ihre Arbeiter nach Westeuropa schicken, um dort Waren zu transportieren, müssen sich auch an westeuropäische Regeln halten.
"Wer in Deutschland Arbeitsleistung vollbringt, der hat Anspruch auf deutschen Mindestlohn, steht im Gesetz, das ist ein Satz. Und das ist völlig egal, wo der Arbeitgeber herkommt. Das ist so einfach gefasst, dass es da keine Diskussionen drum geben dürfte. Die Realität sieht anders aus", sagt er. "Bei fast allen Fahrern, die wir heute getroffen haben, gibt es dagegen Verstöße. Ich verstehe nicht, wie das so systematisch geschehen kann."
"Wenn sie sich mit einem Konkurrenten im Markt wiederfinden, der einen Mindestlohn hat von zum Beispiel ein Euro 85 in Bulgarien oder etwas über drei Euro im Baltikum, dann ist das einfach für den deutschen Mittelstand schlichtweg nicht möglich. Von daher ist es nicht ein fairer Wettbewerb."
Dabei sind die Regeln eigentlich klar, sagen Arbeitgebervertreter wie Dirk Engelhardt und Gewerkschafter wie Michael Wahl. Ausländische Firmen, die ihre Arbeiter nach Westeuropa schicken, um dort Waren zu transportieren, müssen sich auch an westeuropäische Regeln halten.
"Wer in Deutschland Arbeitsleistung vollbringt, der hat Anspruch auf deutschen Mindestlohn, steht im Gesetz, das ist ein Satz. Und das ist völlig egal, wo der Arbeitgeber herkommt. Das ist so einfach gefasst, dass es da keine Diskussionen drum geben dürfte. Die Realität sieht anders aus", sagt er. "Bei fast allen Fahrern, die wir heute getroffen haben, gibt es dagegen Verstöße. Ich verstehe nicht, wie das so systematisch geschehen kann."
Regeln werden nicht eingehalten
Das gilt auch für die Lenk- und Ruhezeiten, für die wöchentlichen Pausen, die ausländische Fahrer eigentlich gar nicht in ihren Lkw verbringen dürfen, sondern in einer festen Unterkunft, einem Hotel oder einer Pension. Nur hält sich niemand daran, sagt der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema.
"Diese Firmen brechen ständig die Gesetze. Sie arbeiten mit gefälschten Dokumenten, sie zwingen die Fahrer, die Tachografen auszustellen. Das ist kriminelles Verhalten, das hat nichts mit einem freien europäischen Markt zu tun. Das ist schlicht Wirtschaftskriminalität."
Edwin Atema nennt ein besonders extremes Beispiel. Der Fall von ein paar Dutzend philippinischen Arbeitern, die von einer dänischen Spedition über eine polnische Firma angeheuert wurden. Sie arbeiteten dann vor allem für einen deutschen Auftraggeber, eine Spedition in der Nähe von Dortmund. Die Fahrer waren monatelang in den Lkws unterwegs, werktags und an den Wochenenden, ohne jemals ein Hotel zu sehen. Einige anderthalb Jahre lang. Für 1000 Euro im Monat.
"Wir haben es hier mit einem Fall von Menschenhandel zu tun", sagt Edwin Atema. "Als wir die Fahrer trafen, war das erste, was sie sagten: ‚Habt Ihr Trinkwasser für uns, denn wir haben keins.‘ Können Sie sich das vorstellen. Im 21. Jahrhundert, Lkw-Fahrer aus Asien, die Transporte für große multinationale Konzerne in Europa fahren, ohne Zugang zu Trinkwasser. Das ist unglaublich."
Die Gewerkschaften brachten den Fall vor Gericht und erreichten, dass die philippinischen Fahrer eine kräftige Lohnnachzahlung bekamen: 1500 Euro pro Monat. Für die Fahrer war das ein großer Erfolg. Trotzdem endete die Geschichte für sie enttäuschend: Sie verloren ihre Jobs, damit auch ihre Aufenthaltsberechtigung und mussten in ihre Heimat zurückkehren.
"Die Fahrer waren total enttäuscht. Die haben gesagt, wir dachten, dass ist hier Europa! Wir haben vorher mal in Saudi-Arabien gearbeitet, selbst da war es besser. Und das fasst, glaube ich, auch ganz gut zusammen, was wir hier im Transport tagtäglich erleben: Das ist absolute Ausbeutung und es passiert jeden Tag", sagt Michael Wahl vom DGB-Projekt Faire Mobilität.
"Diese Firmen brechen ständig die Gesetze. Sie arbeiten mit gefälschten Dokumenten, sie zwingen die Fahrer, die Tachografen auszustellen. Das ist kriminelles Verhalten, das hat nichts mit einem freien europäischen Markt zu tun. Das ist schlicht Wirtschaftskriminalität."
Edwin Atema nennt ein besonders extremes Beispiel. Der Fall von ein paar Dutzend philippinischen Arbeitern, die von einer dänischen Spedition über eine polnische Firma angeheuert wurden. Sie arbeiteten dann vor allem für einen deutschen Auftraggeber, eine Spedition in der Nähe von Dortmund. Die Fahrer waren monatelang in den Lkws unterwegs, werktags und an den Wochenenden, ohne jemals ein Hotel zu sehen. Einige anderthalb Jahre lang. Für 1000 Euro im Monat.
"Wir haben es hier mit einem Fall von Menschenhandel zu tun", sagt Edwin Atema. "Als wir die Fahrer trafen, war das erste, was sie sagten: ‚Habt Ihr Trinkwasser für uns, denn wir haben keins.‘ Können Sie sich das vorstellen. Im 21. Jahrhundert, Lkw-Fahrer aus Asien, die Transporte für große multinationale Konzerne in Europa fahren, ohne Zugang zu Trinkwasser. Das ist unglaublich."
Die Gewerkschaften brachten den Fall vor Gericht und erreichten, dass die philippinischen Fahrer eine kräftige Lohnnachzahlung bekamen: 1500 Euro pro Monat. Für die Fahrer war das ein großer Erfolg. Trotzdem endete die Geschichte für sie enttäuschend: Sie verloren ihre Jobs, damit auch ihre Aufenthaltsberechtigung und mussten in ihre Heimat zurückkehren.
"Die Fahrer waren total enttäuscht. Die haben gesagt, wir dachten, dass ist hier Europa! Wir haben vorher mal in Saudi-Arabien gearbeitet, selbst da war es besser. Und das fasst, glaube ich, auch ganz gut zusammen, was wir hier im Transport tagtäglich erleben: Das ist absolute Ausbeutung und es passiert jeden Tag", sagt Michael Wahl vom DGB-Projekt Faire Mobilität.
Sozialdumping trifft deutschen Mittelstand
Leidtragende sind nicht nur die ausländischen Fahrer, die in Deutschland unter prekären Bedingungen arbeiten müssen, sondern auch die Firmen, die sich an die Regeln halten und noch ordentliche Jobs bieten, mit angemessenen Löhnen, sagt Dirk Engelhardt vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung BGL.
"Sozialdumping, das ist das größte Problem, das den deutschen Mittelstand jetzt schon seit 2008, 2009 trifft. Das Problem wird jedes Jahr größer."
Berlin, 24. Juli 2020. Über 100 Lastwagen rollen auf das Brandenburger Tor zu. An den Zugmaschinen sind große Banner befestigt. "Stoppt Preisdumping", steht darauf. Und: "Rettet das Transportgewerbe".
Michael Finkbeiner ist aus Süddeutschland angereist. Er ist Inhaber einer kleinen Spedition im Schwarzwald, 40 Kilometer von Freiburg entfernt. Die Geschäfte laufen schlecht, sagt er. Die Coronakrise hat ihn schwer getroffen. Und die zunehmende Billigkonkurrenz aus Osteuropa.
"Selbst mit Qualität kann ich da nicht dagegenhalten, wenn der Kunde nur 50 Prozent beim Gegner zahlen muss, gilt das. Wenn sich nicht schnell etwas ändert, da werd ich aufhören müssen, dann ist das Thema zu Ende für mich. Ich hatte schon zehn Autos, jetzt sind es nur noch sechs. Und jetzt muss ich mir halt überlegen, reduziere ich weiter. Ich kann die Preise nicht mitgehen, das ist unmöglich."
Finkbeiner fährt sich mit der Hand durch den dichten Vollbart. Er ist stolz auf seine Firma, die er in den vergangenen 20 Jahren aufgebaut hat. Er lege viel Wert auf Qualität, die Lkw seien alle top, sagt er. Und die Fahrer hochmotiviert. Und trotzdem sei es immer schwieriger, gegen die Billigkonkurrenten aus Osteuropa bestehen zu können.
"Ich habe ausschließlich deutsche Fahrer. Die verdienen ordentliches Geld. Aber wie will ich mit 2500 Euro für einen Fahrer mithalten gegen die Ostblock-Konkurrenz, wo 300 Euro Lohn bekommt? Geht nicht. Das ist nicht möglich."
"Sozialdumping, das ist das größte Problem, das den deutschen Mittelstand jetzt schon seit 2008, 2009 trifft. Das Problem wird jedes Jahr größer."
Berlin, 24. Juli 2020. Über 100 Lastwagen rollen auf das Brandenburger Tor zu. An den Zugmaschinen sind große Banner befestigt. "Stoppt Preisdumping", steht darauf. Und: "Rettet das Transportgewerbe".
Michael Finkbeiner ist aus Süddeutschland angereist. Er ist Inhaber einer kleinen Spedition im Schwarzwald, 40 Kilometer von Freiburg entfernt. Die Geschäfte laufen schlecht, sagt er. Die Coronakrise hat ihn schwer getroffen. Und die zunehmende Billigkonkurrenz aus Osteuropa.
"Selbst mit Qualität kann ich da nicht dagegenhalten, wenn der Kunde nur 50 Prozent beim Gegner zahlen muss, gilt das. Wenn sich nicht schnell etwas ändert, da werd ich aufhören müssen, dann ist das Thema zu Ende für mich. Ich hatte schon zehn Autos, jetzt sind es nur noch sechs. Und jetzt muss ich mir halt überlegen, reduziere ich weiter. Ich kann die Preise nicht mitgehen, das ist unmöglich."
Finkbeiner fährt sich mit der Hand durch den dichten Vollbart. Er ist stolz auf seine Firma, die er in den vergangenen 20 Jahren aufgebaut hat. Er lege viel Wert auf Qualität, die Lkw seien alle top, sagt er. Und die Fahrer hochmotiviert. Und trotzdem sei es immer schwieriger, gegen die Billigkonkurrenten aus Osteuropa bestehen zu können.
"Ich habe ausschließlich deutsche Fahrer. Die verdienen ordentliches Geld. Aber wie will ich mit 2500 Euro für einen Fahrer mithalten gegen die Ostblock-Konkurrenz, wo 300 Euro Lohn bekommt? Geht nicht. Das ist nicht möglich."
Billiganbieter setzen sich durch
Ein halbes Jahr später treffe ich Michael Finkbeiner wieder. Er sitzt in seinem Lkw, im Schwarzwald, auf seinem Firmengelände. Ein Lastwagen, das ist derzeit alles, was ihm geblieben ist. Der zweite ist derzeit in Reparatur, die übrigen hat er verkauft. Es ging nicht mehr, sagt er.
"Also wir haben rund 30 Prozent Umsatzeinbußen. Und diese 30 Prozent waren eigentlich … Ja, es ist der langsame Tod, wo mir gestorben sind."
Selbst langjährige Kunden, wie die Großspedition Dachser, für die er viele Transporte in Deutschland gefahren hat, geben ihm keine Aufträge mehr, weil es andere billiger machen.
"Es ist Marktwirtschaft. Da kann man nichts machen. Ich weiß, wenn die ihre Ladungen im Internet verkaufen, was ich früher bekommen habe und was sie jetzt zahlen. Es ist ein unglaublicher Unterschied. Also 50 Prozent."
Coronahilfen hat Finkbeiner nicht bekommen, dafür sei es der Firma offenbar noch zu gut gegangen, sagt er. Deshalb hat er Anfang Dezember, als der zweite Lockdown kam, die Reißleine gezogen - und alle Angestellten entlassen.
"Das war die schwerste Entscheidung in meinem Leben. Das waren ja nicht nur Angestellte. Wir waren Freunde. Es war eine richtig tolle Zeit. Die haben sich nichts zuschulden kommen lassen. Die Leute, die haben gekämpft, auch für mich. Und ich muss dann so eine Entscheidung treffe. Und das tut weh. Das tut richtig weh."
Kurz vor Ostern war Finkbeiner wieder in Berlin, erneut demonstrierten Lkw-Fahrer gegen den aus ihrer Sicht unfairen Wettbewerb in der Transportbranche. Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.
"Da kann man nicht von fairem Wettbewerb sprechen, sondern hier herrscht massives Sozialdumping", sagt Dirk Engelhardt, der Chef des Spediteursverbands BGL. "Da brauchen unsere mittelständischen Transportunternehmer eine Lösung."
"Also wir haben rund 30 Prozent Umsatzeinbußen. Und diese 30 Prozent waren eigentlich … Ja, es ist der langsame Tod, wo mir gestorben sind."
Selbst langjährige Kunden, wie die Großspedition Dachser, für die er viele Transporte in Deutschland gefahren hat, geben ihm keine Aufträge mehr, weil es andere billiger machen.
"Es ist Marktwirtschaft. Da kann man nichts machen. Ich weiß, wenn die ihre Ladungen im Internet verkaufen, was ich früher bekommen habe und was sie jetzt zahlen. Es ist ein unglaublicher Unterschied. Also 50 Prozent."
Coronahilfen hat Finkbeiner nicht bekommen, dafür sei es der Firma offenbar noch zu gut gegangen, sagt er. Deshalb hat er Anfang Dezember, als der zweite Lockdown kam, die Reißleine gezogen - und alle Angestellten entlassen.
"Das war die schwerste Entscheidung in meinem Leben. Das waren ja nicht nur Angestellte. Wir waren Freunde. Es war eine richtig tolle Zeit. Die haben sich nichts zuschulden kommen lassen. Die Leute, die haben gekämpft, auch für mich. Und ich muss dann so eine Entscheidung treffe. Und das tut weh. Das tut richtig weh."
Kurz vor Ostern war Finkbeiner wieder in Berlin, erneut demonstrierten Lkw-Fahrer gegen den aus ihrer Sicht unfairen Wettbewerb in der Transportbranche. Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.
"Da kann man nicht von fairem Wettbewerb sprechen, sondern hier herrscht massives Sozialdumping", sagt Dirk Engelhardt, der Chef des Spediteursverbands BGL. "Da brauchen unsere mittelständischen Transportunternehmer eine Lösung."
Europäische Lösung für den Transportsektor gefragt
Wie aber könnte so eine Lösung aussehen? Das ist eine Frage, mit der sich Ismail Ertug seit vielen Jahren beschäftigt. Er ist sozialdemokratischer Abgeordneter im Europaparlament. Seine wichtigste Aufgabe in den letzten fünf, sechs Jahren: eine europäische Lösung für den Transportsektor finden.
"Es ist kein Geheimnis, dass ich Sozialdemokrat bin und für mich die Arbeitsbedingungen und natürlich die Arbeiterschaft im Vordergrund stehen, bei ordentlicher Bezahlung und vor allem auch bei fairen Unternehmen. Also den Unternehmen, die fair sind, auch die Möglichkeit einzuräumen, dass sie weiter existieren können."
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das muss auch für Lkw-Fahrer gelten, sagt Ertug. Aber so einfach ist das nicht in Europa. Als die deutsche Bundesregierung 2015 den allgemeinen Mindestlohn einführte und den auch auf das Transportgewerbe übertragen wollte, liefen die osteuropäischen Staaten Sturm dagegen. Sie sahen das als Versuch, ihnen den Zugang zum westeuropäischen Transportmarkt zu versperren. Und sie erreichten, dass die EU-Kommission ein Strafverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitete.
"Es ist kein Geheimnis, dass ich Sozialdemokrat bin und für mich die Arbeitsbedingungen und natürlich die Arbeiterschaft im Vordergrund stehen, bei ordentlicher Bezahlung und vor allem auch bei fairen Unternehmen. Also den Unternehmen, die fair sind, auch die Möglichkeit einzuräumen, dass sie weiter existieren können."
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das muss auch für Lkw-Fahrer gelten, sagt Ertug. Aber so einfach ist das nicht in Europa. Als die deutsche Bundesregierung 2015 den allgemeinen Mindestlohn einführte und den auch auf das Transportgewerbe übertragen wollte, liefen die osteuropäischen Staaten Sturm dagegen. Sie sahen das als Versuch, ihnen den Zugang zum westeuropäischen Transportmarkt zu versperren. Und sie erreichten, dass die EU-Kommission ein Strafverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitete.
Die europäischen Staats- und Regierungschefs vereinbarten wenig später: Für den Transportsektor sollen Sonderregeln gelten. Welche genau, das sollte im sogenannten Mobilitätspaket festgelegt werden.
"Und um dieses ganze Dickicht zu lösen, haben wir auch bewusst in diesem Mobilitätspaket einen europäischen Ansatz gewählt und der, glaube ich, jetzt mittlerweile auch klare Regeln gibt bei der Bezahlung, bei der Entsendung und vor allem auch bei den Kontrollen."
Sozialdumping bekämpfen, ohne den Niedriglohnländern den Marktzutritt zu versperren. Freien Warenverkehr und Wettbewerb ermöglichen, ohne soziale Mindeststandards außer Kraft zu setzen. Eine schwierige Aufgabe.
"Und um dieses ganze Dickicht zu lösen, haben wir auch bewusst in diesem Mobilitätspaket einen europäischen Ansatz gewählt und der, glaube ich, jetzt mittlerweile auch klare Regeln gibt bei der Bezahlung, bei der Entsendung und vor allem auch bei den Kontrollen."
Sozialdumping bekämpfen, ohne den Niedriglohnländern den Marktzutritt zu versperren. Freien Warenverkehr und Wettbewerb ermöglichen, ohne soziale Mindeststandards außer Kraft zu setzen. Eine schwierige Aufgabe.
Mobilitätspakt - ein kompliziertes Regelwerk
Herausgekommen ist dabei – nach jahrelangem Tauziehen - ein kompliziertes Regelwerk, das im vergangenen Sommer verabschiedet wurde und jetzt schrittweise eingeführt wird. Darin sind viele Dinge geregelt: nationale und internationale Transporte, die Bezahlung und die Lenk- und Ruhezeiten, Aufzeichnungspflichten und die Einführung neuer Kontrollmethoden.
"Und da haben wir jetzt klare Regeln gefasst. Im Sinne des Mobilitätspakets ist, dass auch das Prinzip gilt: Dort, wo ich arbeite, ist auch letztendlich die Bezahlung zu erfolgen."
2022 soll das in Kraft treten. Ein Grundsatz, den auch die Bundesregierung unterstützt. Konkret heißt das: Ein ukrainischer Fahrer, der für eine litauische Firma Waren von Deutschland nach Frankreich fährt, darf nicht mit dem litauischen Mindestlohn abgespeist werden, sondern muss nach deutschem oder französischem Tarif bezahlt werden.
"Und da haben wir jetzt klare Regeln gefasst. Im Sinne des Mobilitätspakets ist, dass auch das Prinzip gilt: Dort, wo ich arbeite, ist auch letztendlich die Bezahlung zu erfolgen."
2022 soll das in Kraft treten. Ein Grundsatz, den auch die Bundesregierung unterstützt. Konkret heißt das: Ein ukrainischer Fahrer, der für eine litauische Firma Waren von Deutschland nach Frankreich fährt, darf nicht mit dem litauischen Mindestlohn abgespeist werden, sondern muss nach deutschem oder französischem Tarif bezahlt werden.
Allerdings gibt es Ausnahmen, eine begrenzte Anzahl von Transporten können osteuropäische Firmen auch in Zukunft zu Billigtarifen abwickeln, kritisiert Stefan Thyroke von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
"Das heißt, man schreibt rein: Es gibt eine Ausnahmeregelung, die Ausnahmen sind aber so hoch, dass letztendlich die Entsenderichtlinie kaum gelten wird für die Fahrer. Dann hat es überhaupt keine Wirkung, wird es nie eine Wirkung entfalten. Das ist das größte Problem am Mobilitätspaket."
Thyroke hätte sich ein klareres Signal gewünscht, auch an die Adresse der großen westdeutschen Speditionen, die ihre Flotten in den vergangenen Jahren über Briefkastenfirmen nach Osteuropa verlegt haben, um billige Fahrer rekrutieren zu können.
"Das ist ein riesiges Problem. Viele Unternehmen aus Osteuropa oder auch deutsche Unternehmen gründen in Osteuropa eine Niederlassung und lassen die Lkws dann aber in Westeuropa fahren. Und so werden die hohen Mindestlöhne und auch die tariflichen Löhne umgangen."
"Das heißt, man schreibt rein: Es gibt eine Ausnahmeregelung, die Ausnahmen sind aber so hoch, dass letztendlich die Entsenderichtlinie kaum gelten wird für die Fahrer. Dann hat es überhaupt keine Wirkung, wird es nie eine Wirkung entfalten. Das ist das größte Problem am Mobilitätspaket."
Thyroke hätte sich ein klareres Signal gewünscht, auch an die Adresse der großen westdeutschen Speditionen, die ihre Flotten in den vergangenen Jahren über Briefkastenfirmen nach Osteuropa verlegt haben, um billige Fahrer rekrutieren zu können.
"Das ist ein riesiges Problem. Viele Unternehmen aus Osteuropa oder auch deutsche Unternehmen gründen in Osteuropa eine Niederlassung und lassen die Lkws dann aber in Westeuropa fahren. Und so werden die hohen Mindestlöhne und auch die tariflichen Löhne umgangen."
Wer kontrolliert die neuen Regeln?
Mit dem Mobilitätspaket, so glaubt der SPD-Abgeordnete Ismail Ertug, werde diesem Geschäftsmodell die Grundlage entzogen. Ein wichtiger Punkt dabei ist die sogenannte Rückkehrpflicht der Lkw.
Bislang ist es so: Die meisten osteuropäischen Lastwagen sind dauerhaft im Westen im Einsatz, kehren nur ein- oder zweimal im Jahr nach Polen oder Litauen zurück. In Zukunft muss das alle zwei Monate geschehen. Das sei teuer, und deshalb, so hofft Ertug, werden viele Firmen zurückkehren und ihre Flotten wieder in Deutschland, Frankreich oder Italien anmelden. Und sich dann auch an die dortigen Regeln halten.
Das aber ist das größte Problem: Wie werden die neuen Regeln kontrolliert? Und wer sorgt dafür, dass sie auch eingehalten werden?
Auch für Dirk Engelhardt, den Vorstandschef des Transportverbands BGL, ist das der Knackpunkt.
"Fakt ist, dass es im Moment kaum kontrolliert wird und auch schwer kontrollierbar ist. Deswegen setzen wir uns als Verband massiv dafür ein, dass wir hier andere Kontrollmechanismen, eine andere Kontrollintensität bekommen, damit diese Praxis einfach dann auch aufhört und dass dort andere Regelungen geschaffen werden."
Das aber ist das größte Problem: Wie werden die neuen Regeln kontrolliert? Und wer sorgt dafür, dass sie auch eingehalten werden?
Auch für Dirk Engelhardt, den Vorstandschef des Transportverbands BGL, ist das der Knackpunkt.
"Fakt ist, dass es im Moment kaum kontrolliert wird und auch schwer kontrollierbar ist. Deswegen setzen wir uns als Verband massiv dafür ein, dass wir hier andere Kontrollmechanismen, eine andere Kontrollintensität bekommen, damit diese Praxis einfach dann auch aufhört und dass dort andere Regelungen geschaffen werden."
Strafen für Fahrer und Transportfirmen
Montagmorgen, 7 Uhr.
Eine Lkw-Kontrolle des Bundesamtes für Güterverkehr auf der Raststätte Auerswalder Blick auf der A4 zwischen Dresden und Chemnitz. Mit 20 Kontrolleuren ist Patrick Lange, der Leiter der Straßenkontrolleinheit 15, ausgerückt.
Lange spricht einen polnischen Lkw-Fahrer an, lässt sich die Fahrzeugpapiere aushändigen, dann zückt er einen USB-Stick. Den schließt er an den Fahrtenschreiber des Lkw an und liest die Daten aus. Die wird er später überprüfen, jetzt wird erstmal die Ladung kontrolliert.
Der Fahrer öffnet die Hecktüren des Anhängers. Zu sehen sind fünf Meter lange Stahlrohre, insgesamt 23,9 Tonnen schwer. Lange nickt, das ist in Ordnung, 24 Tonnen darf der Lkw laden. Dann aber runzelt er die Stirn. Die Ladung ist nicht ausreichend gesichert, es gibt zu wenig Gurte und keine rutschfesten Matten. Der Lkw darf erstmal nicht weiterfahren.
"Er bekommt jetzt die Weiterfahrt untersagt, solange bis die Ladung ordentlich gesichert ist."
Eine Lkw-Kontrolle des Bundesamtes für Güterverkehr auf der Raststätte Auerswalder Blick auf der A4 zwischen Dresden und Chemnitz. Mit 20 Kontrolleuren ist Patrick Lange, der Leiter der Straßenkontrolleinheit 15, ausgerückt.
Lange spricht einen polnischen Lkw-Fahrer an, lässt sich die Fahrzeugpapiere aushändigen, dann zückt er einen USB-Stick. Den schließt er an den Fahrtenschreiber des Lkw an und liest die Daten aus. Die wird er später überprüfen, jetzt wird erstmal die Ladung kontrolliert.
Der Fahrer öffnet die Hecktüren des Anhängers. Zu sehen sind fünf Meter lange Stahlrohre, insgesamt 23,9 Tonnen schwer. Lange nickt, das ist in Ordnung, 24 Tonnen darf der Lkw laden. Dann aber runzelt er die Stirn. Die Ladung ist nicht ausreichend gesichert, es gibt zu wenig Gurte und keine rutschfesten Matten. Der Lkw darf erstmal nicht weiterfahren.
"Er bekommt jetzt die Weiterfahrt untersagt, solange bis die Ladung ordentlich gesichert ist."
Lange geht zum nächsten Lkw, die gleiche Prozedur. Fahrzeugpapiere kontrollieren, Daten auslesen, Ladung überprüfen. Dann geht er mit den Papieren und dem Stick zur mobilen Einsatzzentrale, ein kleiner Kastenwagen, mit PC, Scanner und Lesegeräten. Dort werden Papiere und Daten gecheckt, Tabellen und Routenverläufe ausgedruckt.
Ein Fahrer aus Rumänien steht vor dem Einsatzwagen, spricht aufgeregt in sein Handy, er telefoniert mit seinem Arbeitgeber in Litauen. Es gibt ein Problem: Der Fahrer hat das Wochenende im Lkw verbracht, so wie die meisten Fahrer es tun. Nach EU-Recht sei das aber nicht erlaubt, erklärt Patrick Lange.
"Wir haben jetzt mal geprüft, die zurückliegenden 28 Tage, da hat er immer wieder eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 Stunden eingehalten, allerdings in seinem Fahrzeug, so hat er das bei der Anhörung hier auch mitgeteilt."
Deshalb wird jetzt eine Strafe fällig, 500 Euro für den Fahrer, 1500 Euro für die Transportfirma.
"Der Fahrer verfügt über eine Kreditkarte und bespricht jetzt mit seiner Firma, ob er die Strafe, wie gerade besprochen, auch bezahlen kann."
Ein Fahrer aus Rumänien steht vor dem Einsatzwagen, spricht aufgeregt in sein Handy, er telefoniert mit seinem Arbeitgeber in Litauen. Es gibt ein Problem: Der Fahrer hat das Wochenende im Lkw verbracht, so wie die meisten Fahrer es tun. Nach EU-Recht sei das aber nicht erlaubt, erklärt Patrick Lange.
"Wir haben jetzt mal geprüft, die zurückliegenden 28 Tage, da hat er immer wieder eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 Stunden eingehalten, allerdings in seinem Fahrzeug, so hat er das bei der Anhörung hier auch mitgeteilt."
Deshalb wird jetzt eine Strafe fällig, 500 Euro für den Fahrer, 1500 Euro für die Transportfirma.
"Der Fahrer verfügt über eine Kreditkarte und bespricht jetzt mit seiner Firma, ob er die Strafe, wie gerade besprochen, auch bezahlen kann."
Fahrerkarten und Tachografen werden manipuliert
Insgesamt kontrollieren Patrick Lange und sein Team an diesem Morgen 39 Lastwagen. 14 Fahrzeuge werden beanstandet, fünf Lkw wird die Weiterfahrt untersagt. Insgesamt werden Strafgelder in Höhe von rund 5000 Euro verhängt.
Bundesweit sind 300 BAG-Kontrolleure im Einsatz, 2019 haben sie 623 Tausend Lkw überprüft, das sind weniger als ein Prozent der Lastwagen, die auf deutschen Autobahnen insgesamt unterwegs sind. Die Gefahr für schwarze Schafe, erwischt zu werden, ist also ziemlich gering.
Bundesweit sind 300 BAG-Kontrolleure im Einsatz, 2019 haben sie 623 Tausend Lkw überprüft, das sind weniger als ein Prozent der Lastwagen, die auf deutschen Autobahnen insgesamt unterwegs sind. Die Gefahr für schwarze Schafe, erwischt zu werden, ist also ziemlich gering.
Die Bundesregierung hat zwar inzwischen 80 weitere Stellen genehmigt, aber das allein wird wenig helfen, sagt Andreas Marquardt. Er ist Präsident des Bundesamts für den Güterverkehr. Deshalb setzt er auf neue und bessere Technik.
"Wir haben ein Pilotprojekt, das nennt sich Straßenkontrolldienst digital, indem wir in der Lage sind, schon beim Vorbeifahren an dem zu kontrollierenden Lkw durch Sensorik Daten zu bekommen, sodass wir dann ganz gut in der Lage sind, tatsächlich effektiver und effizienter die Kontrollen durchzuführen."
Allerdings rüstet auch die Gegenseite auf. Mit immer intelligenteren Methoden, so Marquardt, versuchten Speditionen, die Kontrollen zu unterlaufen, zum Beispiel indem sie Fahrerkarten und Tachografen manipulieren.
"Was wirklich schlimm ist, dass immer mehr Eingriffe elektronischer Form vorgenommen werden, die auch immer schwerer zu erkennen sind. Das ist richtig kriminell. Das ist aber auch nicht mehr in jeder Hinterhofwerkstatt zu machen. Da gibt es inzwischen regelrecht organisierte Kriminalität, die auch grenzüberschreitend tätig ist. Und das ist eine Tendenz, die muss wirklich Angst machen."
"Wir haben ein Pilotprojekt, das nennt sich Straßenkontrolldienst digital, indem wir in der Lage sind, schon beim Vorbeifahren an dem zu kontrollierenden Lkw durch Sensorik Daten zu bekommen, sodass wir dann ganz gut in der Lage sind, tatsächlich effektiver und effizienter die Kontrollen durchzuführen."
Allerdings rüstet auch die Gegenseite auf. Mit immer intelligenteren Methoden, so Marquardt, versuchten Speditionen, die Kontrollen zu unterlaufen, zum Beispiel indem sie Fahrerkarten und Tachografen manipulieren.
"Was wirklich schlimm ist, dass immer mehr Eingriffe elektronischer Form vorgenommen werden, die auch immer schwerer zu erkennen sind. Das ist richtig kriminell. Das ist aber auch nicht mehr in jeder Hinterhofwerkstatt zu machen. Da gibt es inzwischen regelrecht organisierte Kriminalität, die auch grenzüberschreitend tätig ist. Und das ist eine Tendenz, die muss wirklich Angst machen."
Arbeitgeber zwingen Fahrer, Gesetze zu unterlaufen
Für Lkw-Fahrer wie Artjom Sajzew gehört das zum Alltag. Er sitzt im Büro der litauischen Transportarbeitergewerkschaft in Vilnius. In wenigen Tagen wird er sich auf den Weg nach Westeuropa machen. Wir sind per Videokonferenz miteinander verbunden. Der 36-jährige Russe erzählt, wie die Arbeitgeber die Fahrer zwingen, ständig die Gesetze zu unterlaufen.
"Sie sagen, ich müsste mehr fahren, ich dürfte nicht so lange Pausen machen. Und wenn ich mich weigere und auf meine Ruhezeiten zum Beispiel am Wochenende bestehe, dann ziehen sie mir einfach 50 Euro vom Lohn ab. Und wenn ich mich beim nächsten Mal wieder weigere, dann ziehen sie wieder etwas ab."
So setzen die Speditionen die osteuropäischen Fahrer unter Druck, damit sie kürzere Pausen machen, die Lkw überladen oder sogenannte Kabotage-Fahrten machen. Das sind Inlandstransporte, die ausländischen Spediteuren nur in sehr geringem Umfang gestattet sind. Die Speditionen interessiert das nicht. Sie wissen, sie werden selten kontrolliert. Und die Strafen sind nicht hoch. Also halten sie sich einfach nicht daran, sagt Artjom Sajzew.
"Die Arbeitgeber hier kümmern sich einen feuchten Kehricht um die Gesetze. Die ignorieren das einfach. Die Lkw werden auch ständig überladen. Das ist natürlich illegal. Und es ist auch gefährlich. Wenn ich nachfrage, heißt es dann einfach: Das ist nicht Deine Sache, mach das einfach."
All das geschieht in Europa, vor unseren Augen, sagt der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema. Und er findet, dass wir das nicht mehr zulassen dürfen, die prekären Arbeitsbedingungen vieler Fahrer, die ständigen Verstöße gegen grundlegende Arbeitsrechte.
"Es gibt viele Absichtserklärungen, schon seit Jahren. Aber jetzt muss endlich auch gehandelt werden, jetzt muss das in die Praxis umgesetzt werden, sonst werden die neuen Gesetze nicht das Papier wert sein, auf dem sie geschrieben sind."
"Sie sagen, ich müsste mehr fahren, ich dürfte nicht so lange Pausen machen. Und wenn ich mich weigere und auf meine Ruhezeiten zum Beispiel am Wochenende bestehe, dann ziehen sie mir einfach 50 Euro vom Lohn ab. Und wenn ich mich beim nächsten Mal wieder weigere, dann ziehen sie wieder etwas ab."
So setzen die Speditionen die osteuropäischen Fahrer unter Druck, damit sie kürzere Pausen machen, die Lkw überladen oder sogenannte Kabotage-Fahrten machen. Das sind Inlandstransporte, die ausländischen Spediteuren nur in sehr geringem Umfang gestattet sind. Die Speditionen interessiert das nicht. Sie wissen, sie werden selten kontrolliert. Und die Strafen sind nicht hoch. Also halten sie sich einfach nicht daran, sagt Artjom Sajzew.
"Die Arbeitgeber hier kümmern sich einen feuchten Kehricht um die Gesetze. Die ignorieren das einfach. Die Lkw werden auch ständig überladen. Das ist natürlich illegal. Und es ist auch gefährlich. Wenn ich nachfrage, heißt es dann einfach: Das ist nicht Deine Sache, mach das einfach."
All das geschieht in Europa, vor unseren Augen, sagt der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema. Und er findet, dass wir das nicht mehr zulassen dürfen, die prekären Arbeitsbedingungen vieler Fahrer, die ständigen Verstöße gegen grundlegende Arbeitsrechte.
"Es gibt viele Absichtserklärungen, schon seit Jahren. Aber jetzt muss endlich auch gehandelt werden, jetzt muss das in die Praxis umgesetzt werden, sonst werden die neuen Gesetze nicht das Papier wert sein, auf dem sie geschrieben sind."
Große Konzerne in die Pflicht nehmen
Für Atema bedeutet das auch, die in die Pflicht zu nehmen, die am Anfang der Lieferketten stehen, die großen Konzerne, die Autohersteller, die Supermarktketten, die Möbelhäuser, also all jene, die die Transporte in Auftrag geben und zulassen, dass sie dann über Subunternehmer irgendwann bei denen landen, die es am billigsten machen.
"Wir sind in Verhandlungen mit einigen Konzernen, die ihre Verantwortung für die Lieferketten wirklich ernst nehmen. Wir wollen Vereinbarungen mit ihnen abschließen und die dann auch kontrollieren. Ich glaube, das ist ein guter Weg, das macht mir wirklich Hoffnung, dass wir diese Unternehmen gewinnen können, wieder faire Unternehmen zu sein."
Zurück auf dem Rastplatz Michendorf im Süden von Berlin, die Sonne ist hinter dem Horizont verschwunden. Es ist kalt geworden. Oleg hat das Geschirr weggeräumt, die Plane seines Lkws wieder festgezurrt und sich in die Fahrerkabine zurückgezogen. Vielleicht wird er noch einen Film auf seinem Tablet schauen, vielleicht noch ein Bier trinken. Und dann am Montag seine Tour durch Europa fortsetzen. Ein Leben im Lkw: So ist sein Leben.
"Wir sind in Verhandlungen mit einigen Konzernen, die ihre Verantwortung für die Lieferketten wirklich ernst nehmen. Wir wollen Vereinbarungen mit ihnen abschließen und die dann auch kontrollieren. Ich glaube, das ist ein guter Weg, das macht mir wirklich Hoffnung, dass wir diese Unternehmen gewinnen können, wieder faire Unternehmen zu sein."
Zurück auf dem Rastplatz Michendorf im Süden von Berlin, die Sonne ist hinter dem Horizont verschwunden. Es ist kalt geworden. Oleg hat das Geschirr weggeräumt, die Plane seines Lkws wieder festgezurrt und sich in die Fahrerkabine zurückgezogen. Vielleicht wird er noch einen Film auf seinem Tablet schauen, vielleicht noch ein Bier trinken. Und dann am Montag seine Tour durch Europa fortsetzen. Ein Leben im Lkw: So ist sein Leben.