LNG-Terminals an der Ostsee

Privatfirma plant Anlage in Lubmin

10:19 Minuten
Zwei Männer reichen sich die Hand. Im Hintergrund sind die Logos der Unternehmen Deutsche ReGas und Total Energies zu sehen.
Ingo Wagner von der Deutschen ReGas und Jerome Cousin von Total Energies haben in Rostock ein Eckpunktepapier unterzeichnet. Kurzfristig will ReGas LNG-Gas ins Fernleitungsnetz einspeisen, auf lange Sicht will das Unternehmen mit Wasserstoff Geschäfte machen. © picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck
Von Silke Hasselmann |
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Das Privatunternehmen Deutsche ReGas gibt an, in Mecklenburg-Vorpommern ab Dezember LNG-Gas verflüssigen und anlanden zu können. Noch wartet die Firma aber auf Genehmigungen vom Staat, der nun seinerseits eine andere Anlage auf den Weg gebracht hat.
Viel ist nicht los an diesem Juli-Montag am Lubminer Industriehafen. Lediglich für ein paar Minuten dringen Geräusche von Ladearbeiten über das Hafenbecken, das mit dem flachen Greifswalder Bodden verbunden ist. Schon bald könnte, nein, soll es erheblich geschäftiger hier zugehen, sagt Stephan Knabe am Hafenbecken.
"Ich bin einer der Gründer der Deutschen ReGas und zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen ReGas KGaA", stellt er sich vor. "An einen Kai dieses Hafenbeckens werden wir eine Re-Gasifizierungseinheit, ein Re-Gasifizierungsschiff anlegen. Damit das erfolgen kann, wird es bei den Hafenanlagen kleinere Ergänzungsmaßnahmen geben, also verstärkte Poller zum Beispiel oder Dalben, die dann ab September hier eingebracht werden. Da laufen zurzeit die Planungen und die Antragsverfahren, damit die Vorbereitungen getroffen werden, um im Herbst dann hier dieses Schiff anzulegen und ab dem 1. Dezember Erdgas nach Deutschland schicken zu können.“
Das Schiff werde rund zwei Fußballfelder groß sein, erläutert er. Der Firmenname leitet sich – man ahnt es – von „Re-Gasifizierung“ ab. Dieser technische Begriff geht dem Inhaber einer großen Potsdamer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüferfirma genauso leicht über die Lippen wie FSRU. Das Kürzel steht für: Floating Storage Regasification Unit. "Das ist dieses Re-Gasifierungsschiff. Mittlerweile wissen ja auch alle, was Proteinspikes auf Viren sind, und in Zukunft wissen alle, was FSRU ist. Da bin ich mal ein bisschen selbstbewusst.“ 

Lubmin lebt vom Gasgeschäft

Wie Stephan Knabe verfolgen auch die Einwohner des kleinen Seebades Lubmin bei Greifswald genau, ob der russische Energiekonzern Gazprom wieder Erdgas durch seine Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Lubmin schickt. Ihre Gemeinde lebt gut von den jährlich ein bis zwei Millionen Euro an Gewerbesteuern, die die Gasempfangsstation seit nunmehr zehn Jahren abwirft.
Die Lubminer hofften bis zuletzt auf die Inbetriebnahme von Nord Stream 2. Nun sorgen auch sie sich: Der Überfall Russlands auf die Ukraine. Die Sanktionen gegen Russland. Der seitdem stetig geringer werdende Gasfluss nach Deutschland…
"Kann man Putin trauen? - Ich trau' ihm nicht“, sagt ein Mann. „Da sehen Sie mal, wie sehr wir abhängig sind. Da hat sich keiner vorher so mit beschäftigt. Hahn aufgedreht, und dann war's gut“, sagt eine Frau.

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"Wir sind angetreten mit den Sanktionen, um Russland in die Schranken zu weisen, damit sie mit dem Krieg aufhören. Zum Beispiel, dass wir ihre Kriegskassen nicht weiter füllen wollen durch Gas oder Steinkohle oder Öl", sagt wieder ein Mann. "Aber momentan geht's ja genau in die andere Richtung: Die Sanktionen kommen uns ja mehr zu Schaden als dem, dem sie schaden sollen. Wenn wir zum Beispiel 'Gasmangel-Lage' haben, fahren wir unsere Wirtschaft gegen die Wand. Zu welchem Preis?“

Deutsche ReGas

Egal, ob und wie es mit russischem Gas weitergeht – die Deutsche ReGas will bis zu 4,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr nach Deutschland holen, aus anderen Regionen der Welt. Spezialtankschiffe sollen es zunächst in extrem verdichtetem, tiefgekühltem Flüssigzustand zu einem schwimmenden LNG-Depot vor der der Ostseeinsel Rügen bringen. Alles Weitere gehöre dann zum "Terminal Deutsche Ostsee", das vor allem helfen solle, den Wintergasbedarf im ostdeutschen Industrie- und Privatbereich zu decken, sagt Stephan Knabe.
"Das Terminal Deutsche Ostsee besteht aus dem Lagerschiff in der Ostsee, drei Shuttle-Schiffen, der Regasifizierung und diversen Hafenschleppern. Also ab diesem Lagerschiff in der Ostsee ist das unser Thema. Wir bilden dann eine virtuelle Pipeline, indem wir kleinere Schiffe mit geringem Tiefgang durch den Greifswalder Bodden pendeln lassen.“
Geschäftsführer Ingo Wagner, der das brandenburgische Unternehmen im April dieses Jahres mitgegründet hat, kennt sich aus mit solchen komplexen Projekten. Er managte jahrelang einen milliardenschwere Fonds in London, der in Solarparks, Windparks und LNG-Terminals investierte.  

Geschwindigkeitsvorteil für Lubmin

„Wir haben uns vorgenommen, in sehr kurzer Zeit ein Infrastrukturprojekt zu realisieren, das normalerweise viele Jahre in Anspruch nimmt“, sagt Ingo Wagner vor ein paar Tagen in Rostock, nachdem er dort eine weitreichende Kooperationserklärung mit dem französischen LNG-Unternehmen TotalEnergies unterzeichnet hat.
Zugegen ist mit Reinhard Meyer der Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern. Der findet den Plan der ReGas-Leute, die das Lubminer „Terminal Deutsche Ostsee“ ausschließlich mit Privatkapital durchziehen wollen, gut: „Hier gibt es einen Anbieter, der uns sagt, er kann noch dieses Jahr ins Netz einspeisen. Und alles hilft, was angesichts der aktuellen Diskussion noch in diesem Jahr den Weg als Flüssiggas ins deutsche Netz findet.“ 
Dass das auch mit einem jener vier Flüssiggasterminals gelingt, die die Bundesregierung chartern und vor den deutschen Nord- und Ostseeküsten installieren lassen will, ist höchst fraglich. Wilhelmshaven und Brunsbüttel haben längst eine Standortzusage erhalten. Doch es ist alles nicht so einfach, wie sich bislang zeigt.
Dass das erst im April gegründete brandenburgische Unternehmen ReGas bereits startklar ist, könnte mit diesem Umstand zu tun haben: "Das Projekt existiert schon in etwas veränderter Form relativ lange. Seit 2016 planen wir, hier am Standort Wasserstoff zu importieren", sagt Knabe. 2016 seien die Umstände nicht richtig gewesen, weswegen das Projekt dann nicht weiterverfolgt worden sei.
"Als sich dann im letzten Jahr der Gaspreis ganz wesentlich verändert hat und vor allen Dingen, als im Februar der Überfall Russlands auf die Ukraine stattfand, haben wir die alten Pläne wieder hervorgeholt und auf Flüssiggas umgeändert", erläutert Knabe weiter. "Mithilfe der Kontakte, die wir seit 2004 in die Energiebranche haben, haben wir sie relativ schnell zur Umsetzung gebracht.“

Staatlich oder privat finanziert

Am Dienstag gab das grüne Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium zwei weitere Standorte für schwimmende LNG-Terminals bekannt, die vom Steuerzahler mitfinanziert werden: Stade in Niedersachsen – und Lubmin in Vorpommern.
Zwar war auch Rostock als Ostsee-Standort im Gespräch. Doch weil der Überseehafen auf Wunsch von Bundeswirtschaftsminister Habeck dringend seine Kapazitäten als Öl-Umschlagplatz ausbauen soll, gilt es als sicherheitstechnisch zu riskant, parallel auch große Mengen an Gas in den Hafen zu bringen.
Nun also gleich zwei LNG-Terminals bei Lubmin? - Die Deutsche ReGas ist eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, bei der Gesellschafter auch persönlich haften, also ein finanzielles Risiko eingehen.  

Warten auf Genehmigungen

Von ReGas-Seite aus sei alles vorbereitet, sagt der Potsdamer Stephan Knabe, der wie sein Partner Ingo Wagner persönlich für die Unternehmensrisiken haftet. Was noch fehlt, seien Genehmigungen – vor allem von der Bundesnetzagentur. Kämen die bald, könne man ab dem 1. Dezember Gas ins deutsche Fernleitungsnetz speisen.
„Wir bereiten nicht nur vor, wir machen. Wir haben dieses LNG-Terminal besorgt, dieses schwimmende Schiff analog denen, die für Wilhelmshaven oder Brunsbüttel seitens der Bundesregierung vorgesehen sind", sagt Knabe. "Das gesamte Projekt wird ein privatfinanziertes mittelständisches Projekt im Vergleich zu den staatlich geförderten Industrieprojekten, die sonst in diesem Bereich angedacht sind. Und ja, wir sind in Vorleistung gegangen, weil wir davon ausgehen, dass das 'Terminal Deutsche Ostsee' im Winter dringend benötigt wird. Wir sind da ist auch sehr sicher, dass entsprechende Nachfrage besteht. Jedenfalls spiegelt uns das der Markt. Und LNG zu bekommen für dieses Terminal ist überhaupt kein Problem.“
Noch nicht gelöst ist hingegen die Frage, ob das Schiff der ReGas die nach Lubmin führenden Ostseepipelines „anbohren“ und damit eine bereits vorhandene Leitungsinfrastruktur nutzen dürfte. Das FSRU-Schiff sei im Gegensatz zu denen des Bundes technisch dafür ausgerüstet. Das Problem: Beide Nordstream-Röhren gehören dem russischen Energiekonzern Gazprom.
"Wir könnten das ab 2023 realisieren. Wir verfügen da über das entsprechende Know-how und die Ingenieurskenntnis. Allerdings wie gesagt: Der rechtliche Rahmen muss dafür noch geschaffen werden.“

Langfristziel Wasserstoff

Übrigens: Geldverdienen gehe auf anderen Wege schneller und sicherer, sagt Stephan Knabe mit einem wissenden Lächeln. Nein, sein Firmenpartner und er wollten kurzfristig helfen, dass im Winter niemand in Ostdeutschland wegen Gasmangels frieren oder seinen Laden dichtmachen müsse und wolle mittelfristig gucken, ob sich auf diesem Wege nicht doch bald Wasserstoff als Energiespeicher nach Deutschland bringen ließe.
„Und genauso wie Corona die Digitalisierung in Deutschland unglaublich befördert hat, hoffe ich, dass wir mit LNG die Umstellung auf Wasserstoff befördern werden. Denn ich stehe da im Versprechen gegenüber meinen Kindern, die gesagt haben: 'Papa, wir lassen dich das nur machen, wenn du dafür sorgt, dass es in Deutschland in Zukunft Wasserstoff gibt.'" Er habe zwei Töchter, 13 und 15 Jahre. "Und um das Versprechen einzulösen, ist das hier ein guter Ansatz. Wir lösen jetzt erst mal kurzfristig ein Problem. Aber mittelfristig möchten wir über Lubmin Wasserstoff importieren.“
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