Lob der freien Intellektuellen und der Literatur
Die Schriftsteller Martin Walser und Günter de Bruyn sind mit dem Preis der Deutschen Gesellschaft für ihre Verdienste um die deutsche und europäische Verständigung geehrt worden. Während Martin Walser die Intellektuellen aufforderte, sich mehr einzumischen, verwies Günter de Bruyn auf die Rolle der Literatur bei der Wiedervereinigung. Die Laudatio hielt Bundestagspräsident Norbert Lammert. Die Auszeichnung ist mit einer Skulptur in Form eines Buchs verbunden, das Preisgeld von 5000 Euro geht traditionell an junge Künstler.
Feierliche Begrüßungen, wohlgesetzte Worte, ein schöner Aufreger und ein besänftigender Abschluss – das war die Dramaturgie dieser Preisverleihung der "Deutschen Gesellschaft" für Verdienste um die deutsche und europäische Verständigung an die Schriftsteller Martin Walser und Günter de Bruyn. Die Laudatio hielt Bundestagspräsident Norbert Lammert, der zunächst einen Begriff in den Mittelpunkt stellte: "Heimat" - verstanden als "Kultur": als Kultur einer Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart:
"Beide Autoren sind Wegbereiter auf dem schwierigen Rückweg der Deutschen zur Normalität, das heißt, zu einem aufgeklärten Verständnis der ganzen deutschen Geschichte, die weder 1933 begonnen hat noch 1945 zu Ende war."
Martin Walser wäre nicht Martin Walser, wenn er die Gelegenheit einer Dankesrede nicht für starke Worte genutzt hätte, für eine Abrechnung. Er klagt über die linken Intellektuellen, die in den 80er-Jahren die Zweiteilung Deutschlands guthießen und festschreiben wollten, er sieht kaum redlicheres Denken der geistigen Eliten der Gegenwart:
"Es bleibt interessant, was alles mit intellektuellen Vokabularen legitimiert werden kann. Am Vietnamkrieg konnten wir noch nicht mit Waffen und Soldaten teilnehmen, aber legitimierend waren wir allemal dabei. McNamara, der dort Oberbefehlshaber war, hat nachher geschrieben, dieser Krieg sei ein Fehler gewesen. Zwei Millionen Tote. Der Irakkrieg: Hunderttausend Tote. Der wurde uns durch Gerhard Schröder erspart. Obwohl Intellektuelle Saddam Hussein flink zu einer Art Hitler gemacht hatten, auf den man auch hätte Bomben werfen dürfen. Der Afghanistankrieg, den schon die Sowjetunion geführt und elend verloren hat, wird auch einmal ein Fehler gewesen sein. Aber die Bundeskanzlerin und ihr Minister und beste Intellektuelle des Landes sind fähig, diesem sinnlosen Krieg immer neue Legitimitäten zu verschaffen. Dass Deutschland überhaupt keinen Krieg mehr führen darf - und übrigens auch nicht muss - das ist der heutigen politischen Klasse und ihren zuarbeitenden Intellektuellen nicht zu vermitteln."
Auf die öffentlich auch in Deutschland diskutierten Argumente für den Krieg in Afghanistan geht Walser nicht ein, sondern sieht die Politiker in einem historischen Verhängnis gefangen, aus dem nur freie Intellektuelle und das Volk sie wieder herausholen können.
"Aus der Differenz zwischen Autorität und Kompetenz ergibt sich, was die freien Intellektuellen zu tun haben. Bei uns heißt es heute, 70 Prozent der Bevölkerung seien gegen diesen Krieg, das heißt, diese 70 Prozent könnten den Regierenden aus diesem Kriegsverhängnis heraushelfen durch Wahlboykott zum Beispiel. Auf den Transparenten stünde "Wir gehen wieder wählen, wenn Ihr aufhört Krieg zu führen" und die Demonstration darf an die friedliche Revolution drüben erinnern. Dass die Regierenden wissen, dass es das Volk noch gibt, denn ohne das Volk hätten sie auch damals nicht mehr herausgefunden aus dem historischen Verhängnis. Ich danke Ihnen!"
Das Publikum applaudierte, nicht herzenswarm oder gar euphorisch, aber immerhin es gab Beifall - keine Zwischenrufe. Und es gab einen Dankesredner Günter de Bruyn, der ein Thema aufgriff, das allenthalben als versöhnlich empfunden wurde: die Sprache, die Literatur:
"Vielleicht wird man einmal bei der historischen Betrachtung unserer Lebensjahre die Bedeutung der Literatur für das Weiterbestehen deutscher Gemeinsamkeiten in den Jahren der Trennung mit der großen Bedeutung der Literatur für die Nationwerdung der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert vergleichen, und dabei zu dem Ergebnis kommen, dass gegen Ende des 20. Jahrhunderts der Einfluss der Literatur auf die Wiedervereinigung ganz so gering, wie es den Zeitgenossen erschien, doch nicht war. Trotz der Kontroversen, die während des Kalten Krieges über die Grenzen hinweg immer mal wieder geführt wurden, ist die Teilung in der Literatur nie vollständig vollzogen worden."
Deutsche Gesellschaft - Verein zur Förderung politischer, kultureller und sozialer Beziehungen in Europa
"Beide Autoren sind Wegbereiter auf dem schwierigen Rückweg der Deutschen zur Normalität, das heißt, zu einem aufgeklärten Verständnis der ganzen deutschen Geschichte, die weder 1933 begonnen hat noch 1945 zu Ende war."
Martin Walser wäre nicht Martin Walser, wenn er die Gelegenheit einer Dankesrede nicht für starke Worte genutzt hätte, für eine Abrechnung. Er klagt über die linken Intellektuellen, die in den 80er-Jahren die Zweiteilung Deutschlands guthießen und festschreiben wollten, er sieht kaum redlicheres Denken der geistigen Eliten der Gegenwart:
"Es bleibt interessant, was alles mit intellektuellen Vokabularen legitimiert werden kann. Am Vietnamkrieg konnten wir noch nicht mit Waffen und Soldaten teilnehmen, aber legitimierend waren wir allemal dabei. McNamara, der dort Oberbefehlshaber war, hat nachher geschrieben, dieser Krieg sei ein Fehler gewesen. Zwei Millionen Tote. Der Irakkrieg: Hunderttausend Tote. Der wurde uns durch Gerhard Schröder erspart. Obwohl Intellektuelle Saddam Hussein flink zu einer Art Hitler gemacht hatten, auf den man auch hätte Bomben werfen dürfen. Der Afghanistankrieg, den schon die Sowjetunion geführt und elend verloren hat, wird auch einmal ein Fehler gewesen sein. Aber die Bundeskanzlerin und ihr Minister und beste Intellektuelle des Landes sind fähig, diesem sinnlosen Krieg immer neue Legitimitäten zu verschaffen. Dass Deutschland überhaupt keinen Krieg mehr führen darf - und übrigens auch nicht muss - das ist der heutigen politischen Klasse und ihren zuarbeitenden Intellektuellen nicht zu vermitteln."
Auf die öffentlich auch in Deutschland diskutierten Argumente für den Krieg in Afghanistan geht Walser nicht ein, sondern sieht die Politiker in einem historischen Verhängnis gefangen, aus dem nur freie Intellektuelle und das Volk sie wieder herausholen können.
"Aus der Differenz zwischen Autorität und Kompetenz ergibt sich, was die freien Intellektuellen zu tun haben. Bei uns heißt es heute, 70 Prozent der Bevölkerung seien gegen diesen Krieg, das heißt, diese 70 Prozent könnten den Regierenden aus diesem Kriegsverhängnis heraushelfen durch Wahlboykott zum Beispiel. Auf den Transparenten stünde "Wir gehen wieder wählen, wenn Ihr aufhört Krieg zu führen" und die Demonstration darf an die friedliche Revolution drüben erinnern. Dass die Regierenden wissen, dass es das Volk noch gibt, denn ohne das Volk hätten sie auch damals nicht mehr herausgefunden aus dem historischen Verhängnis. Ich danke Ihnen!"
Das Publikum applaudierte, nicht herzenswarm oder gar euphorisch, aber immerhin es gab Beifall - keine Zwischenrufe. Und es gab einen Dankesredner Günter de Bruyn, der ein Thema aufgriff, das allenthalben als versöhnlich empfunden wurde: die Sprache, die Literatur:
"Vielleicht wird man einmal bei der historischen Betrachtung unserer Lebensjahre die Bedeutung der Literatur für das Weiterbestehen deutscher Gemeinsamkeiten in den Jahren der Trennung mit der großen Bedeutung der Literatur für die Nationwerdung der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert vergleichen, und dabei zu dem Ergebnis kommen, dass gegen Ende des 20. Jahrhunderts der Einfluss der Literatur auf die Wiedervereinigung ganz so gering, wie es den Zeitgenossen erschien, doch nicht war. Trotz der Kontroversen, die während des Kalten Krieges über die Grenzen hinweg immer mal wieder geführt wurden, ist die Teilung in der Literatur nie vollständig vollzogen worden."
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