LobbyControl: Lobbyist ist im Gesundheitsministerium fehl am Platz
Die Initiative LobbyControl hält nichts von der geplanten Berufung des Spitzen-Lobbyisten der privaten Krankenversicherung (PKV), Christian Weber, ins Bundesgesundheitsministerium.
Jörg Degenhardt: Wenn der Bock zum Gärtner gemacht wird, oder viel Lärm um nichts: Eine Personalentscheidung von Gesundheitsminister Philipp Rösler sorgt für Aufregung. Es geht um die Berufung des bisherigen Spitzenmanagers des Verbandes der privaten Krankenversicherung, Christian Weber, zum Abteilungsleiter für Grundsatzfragen. In dieser Funktion soll er sich mit der schrittweisen Umstellung der beitragsfinanzierten gesetzlichen Krankenversicherung auf Prämien und der Reform der Pflegeversicherung befassen. Das hat für manche ein Geschmäckle. Sie befürchten, dass Weber sich als verlängerter Arm seines bisherigen Arbeitgebers aufführt.
Umstrittene Personalrochaden zwischen Politik und Privatwirtschaft, darüber möchte ich reden mit Heidi Klein. Sie sitzt im Vorstand von LobbyControl. Guten Morgen! – Herr Rösler holt sich Sachverstand aus der Wirtschaft. Warum nennen Sie das schon Lobbyismus?
Heidi Klein: Guten Morgen! – In dem Fall ist es natürlich so, dass man die Sorge haben kann, dass mit einer Personalie, die lange mit der Interessensvertretung der privaten Krankenversicherung beauftragt war und da ja auch massiv Positionen vertreten hat, beispielsweise bei Anhörungen im Bundestag, die dem Arbeitgeber, also der privaten Krankenversicherung dienen sollen, dass so eine Person auch in ihrer neuen Funktion nicht unbedingt frei von diesen Positionen ist und damit ein spezieller Zugang für Interessen geschaffen wird, der nicht ausgeglichen ist. In der Position, denken wir, sollte eigentlich kein Wirtschaftslobbyist engagiert werden.
Degenhardt: Aber gilt für Herrn Weber in diesem Fall nicht auch erst einmal, ich nenne es mal so, die Unschuldsvermutung?
Klein: Ich würde sagen, es ist einfach von seiner Geschichte her klar, welche Positionen er in der Vergangenheit vertreten hat und dass er natürlich aus einer bestimmten Richtung kommt, und das ist eine Schlüsselposition, die da besetzt wird, eine Schlüsselposition, die Entscheidungen beeinflussen wird, die sehr umstritten sind in der öffentlichen Debatte, und an einer solchen Stelle sollte aus unserer Sicht keine Person eingesetzt werden, die in der Vergangenheit eine ganz dezidiert wirtschaftsnahe Position vertreten hat.
Degenhardt: Ist denn die Gesundheitspolitik besonders anfällig für solche, ich nenne sie mal so, Verquickungen?
Klein: Das haben wir ja auch in anderen Bereichen. Eine ähnlich umstrittene Entscheidung gibt es ja auch im Energiebereich. Die Berufung von Herrn Hennhöfer zum Leiter der Reaktorsicherheit, der ja auch aus der Atomwirtschaft kommt und immer wieder massiv Pro-Atom-Positionen vertreten hat, ist, denke ich, ein ähnlicher Fall, wo man genauso sagen kann, das ist ein sehr umstrittenes politisches Projekt, Atomkraft oder nicht, oder wie lange noch Atomkraft, und auch an der Stelle hat man Entscheidungen getroffen, wo ein Wirtschaftslobbyist eine Schaltstelle in der Politik besetzt.
Degenhardt: Das sind jetzt zwei Bereiche, die Sie genannt haben, beziehungsweise ich, also die Gesundheitspolitik und die Atomwirtschaft, wo es um sehr viel Geld geht. Das ist gewiss kein Zufall?
Klein: Sicherlich geht es oft um Entscheidungen, die auch wirtschaftliche Auswirkungen haben und wo wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen, und aus dem Grund sagen wir ja, da muss eine Besetzung stattfinden, die allen Interessen Rechnung trägt, also in dem Fall auch den Interessen von der Patientenseite, von der Seite der gesetzlichen Krankenkassen, von einer Position, die durchaus sich von der der privaten Krankenkassen unterscheiden kann und tut, oder im Fall von Atomkraft die Frage von Umweltinteressen, die möglicherweise zu kurz kommen, wenn man da diese Position mit einem Lobbyisten besetzt, der möglicherweise nicht frei ist von Interessen seiner vorherigen Arbeitgeber, die als Betreiber von Atomkraftwerken natürlich wirtschaftliche Interessen haben in dem Fall.
Degenhardt: Nun gibt es ja auch den umgekehrten Weg. Nicht selten gehen ehemalige Politiker in die Wirtschaft. Ich erinnere an zwei Minister aus der rot-grünen Regierungszeit, an Werner Müller oder auch an Wolfgang Clement. Dann gibt es auch den Fall neben anderen von Gunda Röstel. Die ehemalige Grünen-Chefin ist zu einem großen deutschen Unternehmen gegangen. Ist das auch etwas, was Ihnen Sorge bereitet?
Klein: Ja, das macht uns starke Bauchschmerzen. Das sieht man ja über alle Parteien hinweg, wie Sie angesprochen haben, dass es solche Wechsel von Politikern gibt, die direkt aus ihrem Amt in eine Lobbytätigkeit wechseln. Die sind als Lobbyisten natürlich auch sehr beliebt, weil sie eben entsprechend privilegierte Kontakte mitbringen. Sie kennen ihre ehemaligen Politikerkollegen, sie wissen, wie der Hase zum Beispiel in einem Ministerium läuft, und damit bringen sie ihrem neuen Arbeitgeber einen privilegierten Kontakt in die Politik. Wir von LobbyControl möchten an dieser Stelle diesem privilegierten Zugang für einzelne Interessensgruppen einen Riegel vorschieben durch eine sogenannte Karenzzeit, also eine Abkühlphase, in der dieses privilegierte Wissen, diese privilegierten Kontakte abkühlen können und somit eine Tür geschlossen wird, die den direkten Wechsel von Politik in Lobbyposten unterbindet.
Degenhardt: Sie sagen immer "wir". Wie arbeitet denn eigentlich Ihre Organisation? Wie können Sie überhaupt Verstöße aufdecken?
Klein: LobbyControl arbeitet erst mal relativ ähnlich wie Journalisten, wenn es darum geht, Sachen aufzudecken. Sie kennen das ja sicherlich aus der eigenen Arbeit. Man versucht, an Quellen zu kommen, man trägt Informationen zusammen, sei es die, die bereits schon in der Öffentlichkeit sind, sei es von Personen, die möglicherweise größeres Hintergrundwissen haben. Wir bekommen auch immer mehr Hinweise, über die wir uns sehr freuen, Leute, die Insiderwissen aus ihrem eigenen Beruf haben, oder weil sie irgendwas mitbekommen haben, die uns dann Hinweise geben, denen wir versuchen nachzugehen. Insofern ist unsere Arbeit in dem Feld einer journalistischen Arbeit sehr ähnlich.
Degenhardt: Und diese Erkenntnisse sollen dann zusammenfließen in eine Art Lobbyregister?
Klein: Das ist noch mal eine andere Frage. Das Lobbyregister ist nichts, was wir als LobbyControl aufsetzen wollen, sondern wir wollen ein gesetzliches Lobbyregister, also eines, was von der Politik aufgesetzt wird und was auch öffentlich kontrolliert wird, in dem jeder Lobbyist angeben muss, für wen er arbeitet, mit wie viel Geld er arbeitet und zu welchem Thema er oder sie arbeitet, was auch öffentlich kontrolliert und öffentlich sanktioniert wird. Wir versuchen, das bekannt zu machen, wir versuchen, dafür auch in der Politik Druck zu machen, haben da auch Unterschriften übergeben Ende letzten Jahres, aber das ist nicht ein Projekt, was wir als Organisation machen wollen, sondern für das wir werben als ein gesetzliches Lobbyregister.
Degenhardt: Gibt es denn schon ein Echo der Politik auf dieses Lobbyregister, ein positives Echo?
Klein: Ja. Das ist sehr erfreulich gewesen. Gerade in den letzten, sage ich mal, zwei, drei Jahren ist dieses Thema bekannter geworden. Ich denke, daran haben wir auch einen Anteil dran. Es ist im Wahlprogramm der jetzigen drei Oppositionsparteien gewesen. Es gab Ende der letzten Legislaturperiode, also kurz vor der Wahl, eine Anhörung im Bundestag, wo wir auch als Sachverständige geladen waren, und diese Idee ist im politischen Bewusstsein in Berlin angekommen. Es gilt jetzt aber, Druck dafür zu machen, dass dort tatsächlich auch was passiert, denn bisher hat sich Schwarz-Gelb in der Hinsicht nicht besonders progressiv gezeigt. Da ist auf jeden Fall noch Arbeit zu leisten.
Degenhardt: Die Initiative LobbyControl fordert ein Lobbyregister, um mehr Transparenz zu schaffen. Ich habe mit Heidi Klein gesprochen, sie sitzt im Vorstand der Organisation. Vielen Dank, Frau Klein, für das Gespräch.
Klein: Vielen Dank, Herr Degenhardt.
Umstrittene Personalrochaden zwischen Politik und Privatwirtschaft, darüber möchte ich reden mit Heidi Klein. Sie sitzt im Vorstand von LobbyControl. Guten Morgen! – Herr Rösler holt sich Sachverstand aus der Wirtschaft. Warum nennen Sie das schon Lobbyismus?
Heidi Klein: Guten Morgen! – In dem Fall ist es natürlich so, dass man die Sorge haben kann, dass mit einer Personalie, die lange mit der Interessensvertretung der privaten Krankenversicherung beauftragt war und da ja auch massiv Positionen vertreten hat, beispielsweise bei Anhörungen im Bundestag, die dem Arbeitgeber, also der privaten Krankenversicherung dienen sollen, dass so eine Person auch in ihrer neuen Funktion nicht unbedingt frei von diesen Positionen ist und damit ein spezieller Zugang für Interessen geschaffen wird, der nicht ausgeglichen ist. In der Position, denken wir, sollte eigentlich kein Wirtschaftslobbyist engagiert werden.
Degenhardt: Aber gilt für Herrn Weber in diesem Fall nicht auch erst einmal, ich nenne es mal so, die Unschuldsvermutung?
Klein: Ich würde sagen, es ist einfach von seiner Geschichte her klar, welche Positionen er in der Vergangenheit vertreten hat und dass er natürlich aus einer bestimmten Richtung kommt, und das ist eine Schlüsselposition, die da besetzt wird, eine Schlüsselposition, die Entscheidungen beeinflussen wird, die sehr umstritten sind in der öffentlichen Debatte, und an einer solchen Stelle sollte aus unserer Sicht keine Person eingesetzt werden, die in der Vergangenheit eine ganz dezidiert wirtschaftsnahe Position vertreten hat.
Degenhardt: Ist denn die Gesundheitspolitik besonders anfällig für solche, ich nenne sie mal so, Verquickungen?
Klein: Das haben wir ja auch in anderen Bereichen. Eine ähnlich umstrittene Entscheidung gibt es ja auch im Energiebereich. Die Berufung von Herrn Hennhöfer zum Leiter der Reaktorsicherheit, der ja auch aus der Atomwirtschaft kommt und immer wieder massiv Pro-Atom-Positionen vertreten hat, ist, denke ich, ein ähnlicher Fall, wo man genauso sagen kann, das ist ein sehr umstrittenes politisches Projekt, Atomkraft oder nicht, oder wie lange noch Atomkraft, und auch an der Stelle hat man Entscheidungen getroffen, wo ein Wirtschaftslobbyist eine Schaltstelle in der Politik besetzt.
Degenhardt: Das sind jetzt zwei Bereiche, die Sie genannt haben, beziehungsweise ich, also die Gesundheitspolitik und die Atomwirtschaft, wo es um sehr viel Geld geht. Das ist gewiss kein Zufall?
Klein: Sicherlich geht es oft um Entscheidungen, die auch wirtschaftliche Auswirkungen haben und wo wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen, und aus dem Grund sagen wir ja, da muss eine Besetzung stattfinden, die allen Interessen Rechnung trägt, also in dem Fall auch den Interessen von der Patientenseite, von der Seite der gesetzlichen Krankenkassen, von einer Position, die durchaus sich von der der privaten Krankenkassen unterscheiden kann und tut, oder im Fall von Atomkraft die Frage von Umweltinteressen, die möglicherweise zu kurz kommen, wenn man da diese Position mit einem Lobbyisten besetzt, der möglicherweise nicht frei ist von Interessen seiner vorherigen Arbeitgeber, die als Betreiber von Atomkraftwerken natürlich wirtschaftliche Interessen haben in dem Fall.
Degenhardt: Nun gibt es ja auch den umgekehrten Weg. Nicht selten gehen ehemalige Politiker in die Wirtschaft. Ich erinnere an zwei Minister aus der rot-grünen Regierungszeit, an Werner Müller oder auch an Wolfgang Clement. Dann gibt es auch den Fall neben anderen von Gunda Röstel. Die ehemalige Grünen-Chefin ist zu einem großen deutschen Unternehmen gegangen. Ist das auch etwas, was Ihnen Sorge bereitet?
Klein: Ja, das macht uns starke Bauchschmerzen. Das sieht man ja über alle Parteien hinweg, wie Sie angesprochen haben, dass es solche Wechsel von Politikern gibt, die direkt aus ihrem Amt in eine Lobbytätigkeit wechseln. Die sind als Lobbyisten natürlich auch sehr beliebt, weil sie eben entsprechend privilegierte Kontakte mitbringen. Sie kennen ihre ehemaligen Politikerkollegen, sie wissen, wie der Hase zum Beispiel in einem Ministerium läuft, und damit bringen sie ihrem neuen Arbeitgeber einen privilegierten Kontakt in die Politik. Wir von LobbyControl möchten an dieser Stelle diesem privilegierten Zugang für einzelne Interessensgruppen einen Riegel vorschieben durch eine sogenannte Karenzzeit, also eine Abkühlphase, in der dieses privilegierte Wissen, diese privilegierten Kontakte abkühlen können und somit eine Tür geschlossen wird, die den direkten Wechsel von Politik in Lobbyposten unterbindet.
Degenhardt: Sie sagen immer "wir". Wie arbeitet denn eigentlich Ihre Organisation? Wie können Sie überhaupt Verstöße aufdecken?
Klein: LobbyControl arbeitet erst mal relativ ähnlich wie Journalisten, wenn es darum geht, Sachen aufzudecken. Sie kennen das ja sicherlich aus der eigenen Arbeit. Man versucht, an Quellen zu kommen, man trägt Informationen zusammen, sei es die, die bereits schon in der Öffentlichkeit sind, sei es von Personen, die möglicherweise größeres Hintergrundwissen haben. Wir bekommen auch immer mehr Hinweise, über die wir uns sehr freuen, Leute, die Insiderwissen aus ihrem eigenen Beruf haben, oder weil sie irgendwas mitbekommen haben, die uns dann Hinweise geben, denen wir versuchen nachzugehen. Insofern ist unsere Arbeit in dem Feld einer journalistischen Arbeit sehr ähnlich.
Degenhardt: Und diese Erkenntnisse sollen dann zusammenfließen in eine Art Lobbyregister?
Klein: Das ist noch mal eine andere Frage. Das Lobbyregister ist nichts, was wir als LobbyControl aufsetzen wollen, sondern wir wollen ein gesetzliches Lobbyregister, also eines, was von der Politik aufgesetzt wird und was auch öffentlich kontrolliert wird, in dem jeder Lobbyist angeben muss, für wen er arbeitet, mit wie viel Geld er arbeitet und zu welchem Thema er oder sie arbeitet, was auch öffentlich kontrolliert und öffentlich sanktioniert wird. Wir versuchen, das bekannt zu machen, wir versuchen, dafür auch in der Politik Druck zu machen, haben da auch Unterschriften übergeben Ende letzten Jahres, aber das ist nicht ein Projekt, was wir als Organisation machen wollen, sondern für das wir werben als ein gesetzliches Lobbyregister.
Degenhardt: Gibt es denn schon ein Echo der Politik auf dieses Lobbyregister, ein positives Echo?
Klein: Ja. Das ist sehr erfreulich gewesen. Gerade in den letzten, sage ich mal, zwei, drei Jahren ist dieses Thema bekannter geworden. Ich denke, daran haben wir auch einen Anteil dran. Es ist im Wahlprogramm der jetzigen drei Oppositionsparteien gewesen. Es gab Ende der letzten Legislaturperiode, also kurz vor der Wahl, eine Anhörung im Bundestag, wo wir auch als Sachverständige geladen waren, und diese Idee ist im politischen Bewusstsein in Berlin angekommen. Es gilt jetzt aber, Druck dafür zu machen, dass dort tatsächlich auch was passiert, denn bisher hat sich Schwarz-Gelb in der Hinsicht nicht besonders progressiv gezeigt. Da ist auf jeden Fall noch Arbeit zu leisten.
Degenhardt: Die Initiative LobbyControl fordert ein Lobbyregister, um mehr Transparenz zu schaffen. Ich habe mit Heidi Klein gesprochen, sie sitzt im Vorstand der Organisation. Vielen Dank, Frau Klein, für das Gespräch.
Klein: Vielen Dank, Herr Degenhardt.