Loblied einer Weltbürgerin
Mit "Wahlheimat" legt die in Istanbul geborene Juristin Seyran Ates ein kompliziertes Liebesbekenntnis zu Deutschland ab. Ihr neues Buch ist kein intellektueller Wurf - eher ein gut gemeintes Loblied auf die Werte der westlichen Demokratie.
"Wahlheimat" ist eines dieser Bücher, die den Rezensenten in die Bredouille bringen. Denn Seyran Ates, Juristin, Frauenrechtlerin und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, hat ein starkes politisches Rückgrat. Sie hielt und hält der Türkei und bestimmten türkischen Migranten in Deutschland unentwegt Aufklärungsdefizite, fehlendes Rechts- und Demokratiebewusstsein, Chauvinismus und sonstige Unbotmäßigkeiten vor. Sie erlebte Schmähungen und bekam - namentlich nach der Veröffentlichung von "Der Islam braucht eine sexuelle Revolution" - Morddrohungen.
Kurz: Ates' Haltung ist mutig, ihr Engagement bemerkenswert. Die in Istanbul geborene Autorin ist vorbildlich integriert, aber bleibt auch gegenüber der hiesigen Gesellschaft kritisch. Sie verficht das Konzept der "Transkulturalität", das die Konsequenzen aus dem "Multikulti-Irrtum" zieht, dem sie selbst ein Werk gewidmet hat. Weltbürgerin und Citoyen in ihrer Wahlheimat Deutschland: Beides ist Seyran Ates und ihr Selbstbewusstsein intakt - "weil ich viel leiste für das gute Zusammenleben in diesem Land."
Gleichwohl ist ihr neues Buch, im Umschlagtext als "leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit" ausgezeichnet, kein großer intellektueller Wurf. Sondern eher eine gut gemeinte Herzensergießung, in der die Autorin ihre persönliche türkisch-deutsche Geschichte mit der Feier der westlich-demokratischen Werteordnung verquickt. Am Anfang geht Ates ins türkische Konsulat in Berlin, um zum zweiten und letzten Mal ihren türkischen Pass abzugeben. Am Ende lobsingt sie: "Ja, es ist möglich, Deutschland zu lieben, es für seine Verfassung zu lieben."
Dazwischen denkt Ates auf 170 Seiten über die großen Themen der Zeit nach: über die Heimat als Begriff und Gefühl, die deutsche Wiedervereinigung, das "Sommermärchen" von 2006, Nationalismus, kulturelle Identität, Religion, Freiheit, Demokratie und eben Verfassungspatriotismus. Man erfährt (erneut), wie Ates die Welt sieht - und zumal ihre "zwei Heimaten".
In Einzelfällen, etwa, wenn sie das Kölner Beschneidungsurteil diskutiert und ihr Fachwissen aktiviert, sind die Ausführungen substanziell. Allzu oft aber erklingt der Sonntagsreden-Ton: "Religion liefert Orientierung und bietet transzendente Heimat." Allzu oft schreibt Ates Schülerzeitungs-Jargon: "Es wäre schön, wenn sich in der ganzen Welt ein Demokratisierungsprozess vollziehen würde." Allzu dicht drängen sich die Phrasen: "Es passiert viel Neues in unserer Welt ... Die Welt ändert sich in rasanter Weise."
Lesern, die sich für Seyran Ates als tapfere Person der Zeitgeschichte und außerdem für jede Neuerscheinung zur Migrations-Problematik interessieren, wird die Lektüre von "Wahlheimat" (überschaubaren) Gewinn gewähren. Auch als ein etwas verdruckstes, womöglich angemessen kompliziertes Liebesbekenntnis zu Deutschland, der Demokratie und dem Westen geht das Buch durch. Wer aber so viele große Begriffe so oft und so emphatisch ausspricht wie Ates, der riskiert, dass sie schließlich hohl klingen und zur Litanei werden. Mitreißend ist das gewiss nicht.
Besprochen von Arno Orzessek
Seyran Ates: Wahlheimat. Warum ich Deutschland lieben möchte
Ullstein Verlag, Berlin 2013
176 Seiten, 16,99 Euro
Kurz: Ates' Haltung ist mutig, ihr Engagement bemerkenswert. Die in Istanbul geborene Autorin ist vorbildlich integriert, aber bleibt auch gegenüber der hiesigen Gesellschaft kritisch. Sie verficht das Konzept der "Transkulturalität", das die Konsequenzen aus dem "Multikulti-Irrtum" zieht, dem sie selbst ein Werk gewidmet hat. Weltbürgerin und Citoyen in ihrer Wahlheimat Deutschland: Beides ist Seyran Ates und ihr Selbstbewusstsein intakt - "weil ich viel leiste für das gute Zusammenleben in diesem Land."
Gleichwohl ist ihr neues Buch, im Umschlagtext als "leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit" ausgezeichnet, kein großer intellektueller Wurf. Sondern eher eine gut gemeinte Herzensergießung, in der die Autorin ihre persönliche türkisch-deutsche Geschichte mit der Feier der westlich-demokratischen Werteordnung verquickt. Am Anfang geht Ates ins türkische Konsulat in Berlin, um zum zweiten und letzten Mal ihren türkischen Pass abzugeben. Am Ende lobsingt sie: "Ja, es ist möglich, Deutschland zu lieben, es für seine Verfassung zu lieben."
Dazwischen denkt Ates auf 170 Seiten über die großen Themen der Zeit nach: über die Heimat als Begriff und Gefühl, die deutsche Wiedervereinigung, das "Sommermärchen" von 2006, Nationalismus, kulturelle Identität, Religion, Freiheit, Demokratie und eben Verfassungspatriotismus. Man erfährt (erneut), wie Ates die Welt sieht - und zumal ihre "zwei Heimaten".
In Einzelfällen, etwa, wenn sie das Kölner Beschneidungsurteil diskutiert und ihr Fachwissen aktiviert, sind die Ausführungen substanziell. Allzu oft aber erklingt der Sonntagsreden-Ton: "Religion liefert Orientierung und bietet transzendente Heimat." Allzu oft schreibt Ates Schülerzeitungs-Jargon: "Es wäre schön, wenn sich in der ganzen Welt ein Demokratisierungsprozess vollziehen würde." Allzu dicht drängen sich die Phrasen: "Es passiert viel Neues in unserer Welt ... Die Welt ändert sich in rasanter Weise."
Lesern, die sich für Seyran Ates als tapfere Person der Zeitgeschichte und außerdem für jede Neuerscheinung zur Migrations-Problematik interessieren, wird die Lektüre von "Wahlheimat" (überschaubaren) Gewinn gewähren. Auch als ein etwas verdruckstes, womöglich angemessen kompliziertes Liebesbekenntnis zu Deutschland, der Demokratie und dem Westen geht das Buch durch. Wer aber so viele große Begriffe so oft und so emphatisch ausspricht wie Ates, der riskiert, dass sie schließlich hohl klingen und zur Litanei werden. Mitreißend ist das gewiss nicht.
Besprochen von Arno Orzessek
Seyran Ates: Wahlheimat. Warum ich Deutschland lieben möchte
Ullstein Verlag, Berlin 2013
176 Seiten, 16,99 Euro