Die Urenkel der Hunde-Kosmonautin Laika
06:45 Minuten
Eine Moskauer Straßenhündin war das erste Lebewesen, das Menschen ins All schickten - und in einen schrecklichen Tod. Denn Laika verglühte in der Sputnik-2-Kapsel. Der Film "Space Dogs" spürt ihrem Geist nach - unter 35.000 Moskauer Straßenhunden.
Ute Welty: Ein Geist geht um in Moskau, nämlich der von Laika, dem ersten Hund im All. So jedenfalls erzählt es die Legende. Elsa Kremser und Levin Peter haben sich vorgenommen, die Geschichte von Laikas Nachfahren zu erzählen, von den Moskauer Straßenhunden, denn auch Laika hat auf der Straße gelebt, bevor das Tier im Namen der Wissenschaft in den Tod geschickt wird. "Space Dogs" heißt der Dokumentarfilm, der jetzt auf dem Filmfestival in Locarno seine Welturaufführung erlebt hat, und am Morgen danach begrüße ich Levin. Sie heften sich ja auf die Fersen oder an die Fersen von zweien dieser rund 35.000 Moskauer Straßenhunde. Wie haben Sie die beiden gefunden?
Peter: Wir haben wirklich ganz Moskau abgesucht, sind einfach in alle Ecken gefahren, die uns empfohlen wurden, natürlich meistens Ecken, wo die Stadt auch kaputtgeht und zerfällt und für Hunde auch Platz ist. Dann war das eigentlich ein Zufall, dass wir gesehen haben, dass es eine Bar gibt, wo Hunde immer wieder davorliegen, und da waren zwei Hunde, die wir dann die ganze Zeit begleitet haben.
Welty: Mit diesen beiden Hunden auf Augenhöhe erlebt man ja berührende Szenen, auch komische und vor allem eine Sequenz, die sehr brutal ist. Wie hat das Premierenpublikum darauf reagiert?
Peter: Entspannter, als wir das vermutet hatten. Es ist schon so, dass wir natürlich drauf vorbereitet waren, dass das mitunter schockieren kann, auch dass Leute wegen so einer Szene den Kinosaal verlassen. Es haben natürlich auch Leute gemacht, aber dann doch weniger als wir dachten.
Welty: Wir als Publikum werden ja schon etwas vorbereitet, aber Sie sind ja beim Dreh davon völlig überrascht worden, denn die Hunde haben ja vorher nicht gesagt, pass auf, wir fangen jetzt mal an zu jagen. Was ist das für ein Gefühl, wenn auf einmal das Tier die Regie übernimmt?
Peter: Also in dem Moment war es wirklich kein Gefühl. Das ist so, dass man, wenn man sich vornimmt, man folgt Hunden durch die Stadt und das jahrelang plant und vorbereitet, dass man in so einem Moment, wo sowas passiert, eigentlich auch nicht mehr nachdenkt. Das kam erst sehr viel später. Klar, wir wussten irgendwie alle als Team in der Nacht, in der das passiert ist, an dem Tag danach, dass das was ist, was wir machen, was man so wirklich noch nicht gesehen hat.
Welty: Mit welchen Konsequenzen?
Peter: Mit den Konsequenzen, dass man auch ertragen muss, dass das Tiere sind, die wir in der Art und Weise sonst eben so nicht sehen im Kino, dem wir nicht so begegnen, weil die wirklich tun, was sie immer tun.
"Wir haben Laika überall gefunden"
Welty: Sie zeigen Laikas mögliche Nachfahren, sie zeigen aber auch Bilder der Hundekosmonauten und deren Vorbereitung. Auch das ist manchmal schwer zu ertragen. Welche Bedeutung hat Laika für Sie?
Peter: Laika ist für uns schon deutlich mehr geworden als das, was wir am Anfang dachten. Also wir steigen ja in den Film ein mit dem Mythos, dass sie möglicherweise als Geist zurückgekehrt ist, nachdem sie im All verglüht ist, aber wir haben sie natürlich überall gefunden, wo wir Hunden begegnet sind auf der Straße. Die Bedeutung, die sie natürlich für uns hat, ist schon der Todeskampf, den sie durchleben musste, als es in der Kapsel immer heißer wurde und sie letztendlich verglüht ist.
Welty: Vor vier Wochen haben alle den ersten Mann auf dem Mond gefeiert. Wollen Sie jetzt mit dieser Geschichte des ersten Hundes im All so etwas wie einen Kontrapunkt setzen?
Peter: Das war jetzt nicht so bewusst angesetzt, dass wir den Film so positionieren, dass der genau jetzt kommt zum Jubiläum der Mondlandung. Ein Kontrapunkt ist es definitiv, wir hatten schon immer früher das Gefühl, dass wir eigentlich so den Anti-Tierfilm machen, also sowas, was man kennt an Naturfilmen, an Tierbeobachtung, dass wir dagegen was setzen.
Welty: Aber ist es nicht auch ein Anti-Mensch-Film im Grunde genommen?
Welty: Aber ist es nicht auch ein Anti-Mensch-Film im Grunde genommen?
Peter: Also Menschen haben natürlich ganz merkwürdige Rollen in dem Film. Die singen entweder schief aus einer Bar raus, wo die Hunde langrennen …
Welty: Tragen Affen durch die Gegend.
Peter: Tragen Affen durch die Gegend. Ja, es ist erst mal ein Film, und das ist eigentlich das, was wir als erstes im Kopf hatten, als wir dachten, wir wollen den Film unbedingt machen, der zeigt, dass es auch eine Welt gibt, in der wir sind, in einer Hundewelt. Also es gibt dieses Moskau der Hunde, wo wir ganz verschiedene Rollen haben, und bevor wir den Film gemacht haben, kannten wir natürlich nur Hunde als Teil unserer Welt.
"Ein Anti-Tierfilm"
Welty: Welche Rolle spielt der Kommentar? Der ist ja, ich will mal sagen: höchst untypisch für einen Dokumentarfilm, weil er wenig erklärt.
Peter: Wir wollten das so gestalten, dass man das Gefühl haben kann zumindest, das ist derjenige, der immer wieder spricht im Film, und das ist ja wirklich wenig. Der Text im Film passt eigentlich bei 90 Minuten auf drei gedruckte Seiten. Genau, wir wollten das Gefühl kreieren, dass es auch ein verirrter, vergessener Wissenschaftler sein kann, der die Hunde möglicherweise trainiert hat und jetzt aus seinen Tagebuchaufzeichnungen spricht, und es sollte ein gebrochener Mensch sein. Das war uns ganz wichtig. Deshalb klingt er auch nicht wie ein Kommentar, den wir aus dem Fernsehen kennen.
Welty: Aber gibt es denn in Ihrem Film eine nicht gebrochene Figur?
Peter: Muss ich überlegen, habe ich noch nicht drüber nachgedacht. Vielleicht wirklich der junge Hund. Also es gibt ja diesen einen jungen Hund. Es gibt den etwas älteren, der auch schon hinkt, weil er sich an einem Bein verletzt hat. An den denke ich als erstes, wenn ich an eine nichtgebrochene Figur denke, also an den jungen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.