Lochbihler: Menschenrechte in Myanmar werden nicht ausreichend geschützt
Die Europäische Union sollte nicht nur die Wirtschaft in Myanmar unterstützen, sondern auch die Einhaltung der Menschenrechte im Blick behalten, fordert die Europa-Abgeordnete Barbara Lochbihler. Die Grünen-Politikerin kritisiert vor allem den fehlenden Schutz für Muslime.
Christopher Ricke: Und wir beschäftigen uns jetzt mit Myanmar, dem früheren Birma, einem Land, das sich allmählich öffnet. In dieser Woche sind zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren private Tageszeitungen erschienen, ganz vorsichtig kommt also die Pressefreiheit zurück.
Die Regierung des Präsidenten Thein Sein arbeitet seit zwei Jahren an einer schrittweisen demokratischen Öffnung der Militärdiktatur, und ich spreche jetzt mit der grünen Europapolitikerin Barbara Lochbihler, die früher mal bei Amnesty International an führender Position gearbeitet hat und heute Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Europäischen Parlaments ist, und sie ist zurzeit in Myanmar. Guten Tag, Frau Lochbihler!
Barbara Lochbihler: Guten Tag!
Ricke: Was haben Sie denn bisher gesehen, das Sie überzeugt, dass das Land wirklich auf dem richtigen Weg ist?
Lochbihler: Also wir haben mit sehr vielen Vertretern der Zivilgesellschaft geredet, mit Intellektuellen, auch Journalisten, und was Sie gerade gesagt haben, dass jetzt mehr Medienfreiheit gibt, Zeitungen, da gab es ja zuerst auch einen Protest. Das neue Mediengesetz ist von der Regierung ohne Konsultationen vorgelegt worden, es bestand die Gefahr, indirekt hier wieder Zensur zuzulassen, und der Protest war möglich, laut, und wir haben jetzt im Parlament eine Situation, dass viele Änderungsvorschläge eingebracht wurden und dass erst im Juni abgestimmt wird. Wir haben gestern mit dem Informationsminister gesprochen. Ich glaube, sie begreifen so konkret schrittweise, dass sie nicht mehr alles zentral bestimmen können. Das ist positiv.
Wir haben gesehen, dass sie versuchen, mit den verschiedenen ethnischen Gruppen – da gab es jahrzehntelang Krieg – die Waffenstillstandsverhandlungen in Friedensprozesse umzuwandeln, das ist ein sehr schwieriger, ein sehr langwieriger Prozess, aber man versucht es. Das, denke ich auch, müssen wir von EU-Seite her gut nachhalten, dass es zu Verbesserungen kommt, hier geht es in die richtige Richtung.
Leider in die völlig falsche Richtung geht es gegen die muslimische Bevölkerung in Burma, da gibt es welche, die haben burmesische Staatsangehörigkeit, andere sind ganz früher von den Engländern aus Bangladesch hier reingebracht worden, und hier gibt es teilweise pogromartige Ausschreitungen, und …
Ricke: Frau Lochbihler, bevor wir gleich zu den Rohingyas kommen, lassen Sie uns das mal ein bisschen sortieren. Sie erleben ja gerade einen Prozess, der durchaus noch fragil sein könnte. Wie zerbrechlich ist der denn aus Ihrer Sicht?
Lochbihler: Ich denke, dass die ganze Verbesserung der Reform für die arme Bevölkerung - und der Großteil der Bevölkerung ist sehr arm, dass der noch überhaupt in keine Richtung gesteuert wird, dass also die Burmesen zukünftig ein besseres Leben haben werden. Es gibt große Investitionen, es gibt teilweise schon Konflikte mit den großen Unternehmen, aber noch keine Politik, auch nicht in den Ansätzen, dass es mal eine Wirtschaftsform werden soll, an der alle beteiligt sind.
Ich sehe jetzt im klassischen Sinne nichts, dass sich das Militär oder einige im Militär vorbereiten, wieder die Macht zu nehmen. Im Konkreten muss man sehen, wie weit die Reform der Verfassung kommt, weil hier wird dem Militär noch viel Vorrechte eingeräumt. Wir haben auch mit Aung San Suu Kyi gesprochen, auch sie sieht die - also das ist die Oppositionsführerin – sie sieht nicht direkt, dass es eine Gruppierung gibt, die den Prozess umkehren will, sie hat aber schon deutlich Enttäuschung geäußert, dass die ganzen Reformen zu langsam vorankommen.
Ricke: Myanmar ist ein Land mit zahlreichen ethnischen Minderheiten, Sie haben die Konflikte schon angesprochen, davon gibt es viele: Es gibt Diskriminierungen, es gibt Kämpfe, es gibt Not, Verzweiflung, Bootsflüchtlinge zum Beispiel nach Thailand, die dann wieder zurückgeschickt werden. Wie offen ist man denn, wie gut können Sie sich über diese dunkle Seite Myanmars informieren?
Lochbihler: Also, ich bin einen Tag früher schon nach Bangkok gereist und habe mit Organisationen gesprochen, die mit den ethnischen Flüchtlingen, die an der thailändisch-burmesischen Grenze sind, leben. Also, die Informationslage ist eigentlich gut, man sieht deutlich, es gibt viel weniger Vertriebene, viel weniger Flüchtlinge als früher.
In den Lagern herrscht eine Art Aufbruchsstimmung, sie wollen sich eigentlich dran beteiligen, wie ihr neues Burma aussehen soll, oder die Gebiete, in denen sie leben. Sie überlegen sich auch eventuell, eher für ein Föderalsystem einzutreten, und man hat Projekte ausgehandelt zum Beispiel, es gab ja auch da viel Zwangsarbeit oder Kindersoldaten, da gibt es Beobachtungsprozesse teilweise von internationalen Organisationen, dass es abgeschafft wird. Da muss ich also wirklich sagen, da wird im Konkreten gearbeitet.
Es ist nicht leicht, aber es geht in die richtige Richtung. Bei den Rohingyas, die würde ich gar nicht in die Gruppe setzen, die so lange jetzt einen Bürgerkrieg hatte, sondern das sind Leute, die teilweise keine Staatsangehörigkeit haben, die auch sehr arm sind, aber es gibt auch andere muslimische Leute, die im Zentralgebiet leben, und die sind in dem letzten Jahr wirklich wiederholt angegriffen worden.
Es gibt einzelne Hassprediger unter buddhistischen Mönchen, die da zündeln, und das ist eine Situation, wo ich sagen muss, da habe ich wenig Information direkt vor Ort bekommen, man kann dort auch nicht hinfahren, auch die Hilfsorganisationen nicht, und hier, meiner Meinung nach, tut die Regierung viel zu wenig. Das ist einfach, das ist ein Problem, dass die eigene Gebiete wollen, was ich nicht sehen kann, und sie sagen, die Polizei ist nicht gut ausgerüstet, den Mob zu bremsen. Aber die Polizei hat drei Tage lang überhaupt nicht reagiert.
Ricke: Mit welcher Botschaft kommen Sie denn zurück ins Europäische Parlament, wie schauen wir in Zukunft auf das Land?
Lochbihler: Ja, also die EU will ja ein großes Abkommen mit Burma über Investitionen abschließen. Im Mai im Plenum werden wir über eine Handelsbevorzugung für bestimmte Güter abstimmen. Da kann ich nur sagen, es ist gut, wenn es der wirtschaftlichen Entwicklung dient, wir dürfen das aber auf keinen Fall machen, ohne dass wir auch schauen, wie geht es den einzelnen Personen und Personengruppen dort. Also, wir müssen immer das konditionieren, wenn es Verbesserungen gibt beim Menschenrechtsschutz, wenn es Fortschritte gibt bei dem Aushandeln und Umsetzen von Friedensprozessen, dann sollte die EU da verstärkt tätig werden. Sie sollte nicht nur auf die Verbesserungen des Handels schauen.
Ricke: Barbara Lochbihler in Myanmar, dem früheren Birma. Sie ist die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Europäischen Parlaments und zurzeit im Land. Ich danke ihnen und wünsche einen guten Tag!
Lochbihler: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Regierung des Präsidenten Thein Sein arbeitet seit zwei Jahren an einer schrittweisen demokratischen Öffnung der Militärdiktatur, und ich spreche jetzt mit der grünen Europapolitikerin Barbara Lochbihler, die früher mal bei Amnesty International an führender Position gearbeitet hat und heute Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Europäischen Parlaments ist, und sie ist zurzeit in Myanmar. Guten Tag, Frau Lochbihler!
Barbara Lochbihler: Guten Tag!
Ricke: Was haben Sie denn bisher gesehen, das Sie überzeugt, dass das Land wirklich auf dem richtigen Weg ist?
Lochbihler: Also wir haben mit sehr vielen Vertretern der Zivilgesellschaft geredet, mit Intellektuellen, auch Journalisten, und was Sie gerade gesagt haben, dass jetzt mehr Medienfreiheit gibt, Zeitungen, da gab es ja zuerst auch einen Protest. Das neue Mediengesetz ist von der Regierung ohne Konsultationen vorgelegt worden, es bestand die Gefahr, indirekt hier wieder Zensur zuzulassen, und der Protest war möglich, laut, und wir haben jetzt im Parlament eine Situation, dass viele Änderungsvorschläge eingebracht wurden und dass erst im Juni abgestimmt wird. Wir haben gestern mit dem Informationsminister gesprochen. Ich glaube, sie begreifen so konkret schrittweise, dass sie nicht mehr alles zentral bestimmen können. Das ist positiv.
Wir haben gesehen, dass sie versuchen, mit den verschiedenen ethnischen Gruppen – da gab es jahrzehntelang Krieg – die Waffenstillstandsverhandlungen in Friedensprozesse umzuwandeln, das ist ein sehr schwieriger, ein sehr langwieriger Prozess, aber man versucht es. Das, denke ich auch, müssen wir von EU-Seite her gut nachhalten, dass es zu Verbesserungen kommt, hier geht es in die richtige Richtung.
Leider in die völlig falsche Richtung geht es gegen die muslimische Bevölkerung in Burma, da gibt es welche, die haben burmesische Staatsangehörigkeit, andere sind ganz früher von den Engländern aus Bangladesch hier reingebracht worden, und hier gibt es teilweise pogromartige Ausschreitungen, und …
Ricke: Frau Lochbihler, bevor wir gleich zu den Rohingyas kommen, lassen Sie uns das mal ein bisschen sortieren. Sie erleben ja gerade einen Prozess, der durchaus noch fragil sein könnte. Wie zerbrechlich ist der denn aus Ihrer Sicht?
Lochbihler: Ich denke, dass die ganze Verbesserung der Reform für die arme Bevölkerung - und der Großteil der Bevölkerung ist sehr arm, dass der noch überhaupt in keine Richtung gesteuert wird, dass also die Burmesen zukünftig ein besseres Leben haben werden. Es gibt große Investitionen, es gibt teilweise schon Konflikte mit den großen Unternehmen, aber noch keine Politik, auch nicht in den Ansätzen, dass es mal eine Wirtschaftsform werden soll, an der alle beteiligt sind.
Ich sehe jetzt im klassischen Sinne nichts, dass sich das Militär oder einige im Militär vorbereiten, wieder die Macht zu nehmen. Im Konkreten muss man sehen, wie weit die Reform der Verfassung kommt, weil hier wird dem Militär noch viel Vorrechte eingeräumt. Wir haben auch mit Aung San Suu Kyi gesprochen, auch sie sieht die - also das ist die Oppositionsführerin – sie sieht nicht direkt, dass es eine Gruppierung gibt, die den Prozess umkehren will, sie hat aber schon deutlich Enttäuschung geäußert, dass die ganzen Reformen zu langsam vorankommen.
Ricke: Myanmar ist ein Land mit zahlreichen ethnischen Minderheiten, Sie haben die Konflikte schon angesprochen, davon gibt es viele: Es gibt Diskriminierungen, es gibt Kämpfe, es gibt Not, Verzweiflung, Bootsflüchtlinge zum Beispiel nach Thailand, die dann wieder zurückgeschickt werden. Wie offen ist man denn, wie gut können Sie sich über diese dunkle Seite Myanmars informieren?
Lochbihler: Also, ich bin einen Tag früher schon nach Bangkok gereist und habe mit Organisationen gesprochen, die mit den ethnischen Flüchtlingen, die an der thailändisch-burmesischen Grenze sind, leben. Also, die Informationslage ist eigentlich gut, man sieht deutlich, es gibt viel weniger Vertriebene, viel weniger Flüchtlinge als früher.
In den Lagern herrscht eine Art Aufbruchsstimmung, sie wollen sich eigentlich dran beteiligen, wie ihr neues Burma aussehen soll, oder die Gebiete, in denen sie leben. Sie überlegen sich auch eventuell, eher für ein Föderalsystem einzutreten, und man hat Projekte ausgehandelt zum Beispiel, es gab ja auch da viel Zwangsarbeit oder Kindersoldaten, da gibt es Beobachtungsprozesse teilweise von internationalen Organisationen, dass es abgeschafft wird. Da muss ich also wirklich sagen, da wird im Konkreten gearbeitet.
Es ist nicht leicht, aber es geht in die richtige Richtung. Bei den Rohingyas, die würde ich gar nicht in die Gruppe setzen, die so lange jetzt einen Bürgerkrieg hatte, sondern das sind Leute, die teilweise keine Staatsangehörigkeit haben, die auch sehr arm sind, aber es gibt auch andere muslimische Leute, die im Zentralgebiet leben, und die sind in dem letzten Jahr wirklich wiederholt angegriffen worden.
Es gibt einzelne Hassprediger unter buddhistischen Mönchen, die da zündeln, und das ist eine Situation, wo ich sagen muss, da habe ich wenig Information direkt vor Ort bekommen, man kann dort auch nicht hinfahren, auch die Hilfsorganisationen nicht, und hier, meiner Meinung nach, tut die Regierung viel zu wenig. Das ist einfach, das ist ein Problem, dass die eigene Gebiete wollen, was ich nicht sehen kann, und sie sagen, die Polizei ist nicht gut ausgerüstet, den Mob zu bremsen. Aber die Polizei hat drei Tage lang überhaupt nicht reagiert.
Ricke: Mit welcher Botschaft kommen Sie denn zurück ins Europäische Parlament, wie schauen wir in Zukunft auf das Land?
Lochbihler: Ja, also die EU will ja ein großes Abkommen mit Burma über Investitionen abschließen. Im Mai im Plenum werden wir über eine Handelsbevorzugung für bestimmte Güter abstimmen. Da kann ich nur sagen, es ist gut, wenn es der wirtschaftlichen Entwicklung dient, wir dürfen das aber auf keinen Fall machen, ohne dass wir auch schauen, wie geht es den einzelnen Personen und Personengruppen dort. Also, wir müssen immer das konditionieren, wenn es Verbesserungen gibt beim Menschenrechtsschutz, wenn es Fortschritte gibt bei dem Aushandeln und Umsetzen von Friedensprozessen, dann sollte die EU da verstärkt tätig werden. Sie sollte nicht nur auf die Verbesserungen des Handels schauen.
Ricke: Barbara Lochbihler in Myanmar, dem früheren Birma. Sie ist die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Europäischen Parlaments und zurzeit im Land. Ich danke ihnen und wünsche einen guten Tag!
Lochbihler: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.