Debatte über Dichtmachen oder Weiterspielen
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Alle Theater bis März schließen, dafür im nächsten Sommer keine Spielpause: Mit diesem Vorschlag hat Thomas Ostermeier von der Berliner Schaubühne eine Debatte ausgelöst. Was halten andere Intendanten von dieser Idee?
"Ostermeier hat recht", sagt Bernhard Helmich, Generalintendant des Theaters Bonn. "Dieses An-Aus, diese Vollbremsung und dann wieder Vollgas, das wird auf die Dauer an keinem Theater funktionieren", erklärt er. "Das ist eine organisatorische Überforderung, das ist auch von den Künstlerinnen und Künstlern emotional überhaupt nicht zu verlangen."
Doch mit dem zweiten Teil von Thomas Ostermeiers Vorschlag, im Sommer keine Ferien zu machen, hat Bernhard Helmich Probleme. In Berlin, meint er, könne das vielleicht funktionieren, aber nicht in Städten, die keinen starken Tourismus haben.
"Da wird keine Nachfrage sein. Gelegentliche Versuche haben das ja auch mal ergeben. Davon abgesehen: Dieser Versuch ist nur in einem reinen Schauspielhaus möglich. Mit den großen Kollektiven Chor und Orchester wird man da auch bei den Urlaubsregelungen mit Sicherheit nicht weiterkommen. Das sind ja auch alles Menschen mit Kindern und so weiter", sagt Bernhard Helmich.
"Ich finde das keine Alternative"
Ähnlich äußert sich Wilfried Schulz, Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, zu Ostermeiers Sommerplänen.
"Ich finde das keine Alternative, außer wir müssten jetzt wirklich die nächsten drei, vier Monate schließen - durch äußere Vorgaben. Aber im Moment kämpfen wir darum, dass wir spielen wollen", sagt der Düsseldorfer Intendant. "Für mich ist es ein ergänzender Vorschlag. Wir arbeiten im Moment an Plänen für Open-Air-Inszenierungen, Veranstaltungen et cetera. Das ist nicht so wahnsinnig originell. Wir sind nicht die Einzigen, die das im Moment denken. Aber es hat mit dem Gefühl von Freiheit zu tun, wenn ich draußen bin, kann mir nicht so viel passieren."
Bis März freiwillig zu pausieren, kommt für Schulz überhaupt nicht infrage: "Wenn wir spielen können, und wir sind ein sehr sicherer Ort, dann werden wir spielen. Das hat im September, Oktober geklappt, die Leute haben es sehr genossen und haben es gebraucht. Es gibt viele rührende Briefe, muss man sagen, dann werden wir das weiter tun."
"Der Vereinsamung, die droht, etwas entgegensetzen"
Das Publikum braucht Theater, gerade in schweren Zeiten, meint auch Florian Fiedler, Intendant in Oberhausen.
"Ich kann sehr gut verstehen, dass sich Thomas Ostermeier Planbarkeit wünscht", sagt er. "Was ich nicht verstehe, sind die Konsequenzen und der Zeitraum. Ich finde, dass die Theater gerade jetzt einen extrem wichtigen Auftrag haben. Und wir müssen als Theater gerade unserem seelischen Auftrag nachkommen und den Menschen in der depressiven Stimmung, die gerade herrscht, und in der Vereinsamung, die droht, etwas entgegensetzen, einen Ort anbieten."
Konkreter heißt das, Theater nicht nur als Ort der Kunst, sondern des Treffens und der Gemeinschaft zu begreifen, natürlich mit Abstand.
"Ich glaube, dass die Lösung darin liegt, die Theaterräume wieder einmal neu und anders zu bespielen", sagt Florian Fiedler. "Und die Räume mit dem Publikum anders und neu zu entdecken."
"Probenprozesse und Spielpläne permanent anpassen"
Musiktheater gelten als viel weniger flexibel als Schauspielhäuser. Einige von ihnen haben in den vergangenen Wochen das Gegenteil bewiesen, zum Beispiel die Oper Dortmund.
"Ich finde nicht, dass Theater bis März schließen sollten", sagt deren Intendant Heribert Germeshausen. "Wir dürfen uns nicht der Flexibilität berauben, stets auf die Krise reagieren zu können. Ich bin eher der Meinung, dass wir unsere Probenprozesse und Spielpläne permanent anpassen müssen, auch wenn das anstrengend ist. In anderen Bereichen, anderen Unternehmen und Betrieben funktioniert das ja auch."
Und René Heinersdorff, Sprecher der Privattheatergruppe im Deutschen Bühnenverein, wird sehr deutlich, wenn er auf Thomas Ostermeiers Ideen angesprochen wird.
"Im vorauseilenden Gehorsam zu schließen widerspricht einfach der Mentalität eines echten Theaterleiters, der ja der Auffassung ist, dass jede einzelne Vorstellung zu retten sei", kritisiert er. "Vielleicht inkludiert der Vorschlag von Herrn Ostermeier ja auch die Tatsache, dass er bis zum nächsten März auf sein Gehalt verzichtet. Das können viele nicht, vor allem die Privattheater nicht. Und trotz des Rumgeeieres der Politik, das so nicht weitergeht, muss man einfach dem Zuschauer klarmachen, dass Theater keine Hotspots sind und auch in diesen Zeiten wieder dringend an den Start gehören."