Löffel, Lauscher, Teller
Mitten durch Deutschland zieht sich ein grünes Band: 1400 Kilometer lang, aber nur maximal 200 Meter breit, vom Dreiländereck Böhmen (Tschechien), Bayern und Sachsen bis zur Ostsee – die ehemalige innerdeutsche Grenze ist heute ein Naturschutzgebiet.
Der durch seine Tierfilme bekannte Abenteurer und Journalist Andreas Kieling ist den früheren Grenzstreifen im Sommer 2009 mit seinem Hund Cleo entlang gewandert. Er war nicht der erste, der auf diese Idee kam, und doch ist ihm etwas Besonderes gelungen: Ein Buch, das anschaulich und lebendig von der Natur berichtet, von den Menschen im Grenzgebiet und den Folgen der deutschen Teilung.
Kielings Wanderung beginnt bei Mödlareuth, einem Dorf, durch das der Tannbach fließt. Der ist gerade mal einen Meter breit, bildete aber im 16. Jahrhundert die Grenze zwischen der Markgrafschaft Bayreuth und der Grafschaft Reuß-Schleiz und nach Ersten Weltkrieg die zwischen dem Freistaat Bayern und dem Land Thüringen. Eine Grenze, die Jahrhunderte lang niemanden interessierte, bis 1945 Bayern, also der Westteil Mödlareuths, in der amerikanischen, der Ostteil aber in der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR lag. Die Mauer führte jahrzehntelang mitten durchs Dorf.
Kieling wuchs nicht weit entfernt, in Thüringen, auf. Als 16-Jähriger flüchtete er aus der DDR. Er reiste in die damalige Tschechoslowakei, überwand dort den Grenzzaun, sprang in die Donau, wurde zwar von Grenzern in den Rücken geschossen, konnte sich aber ans österreichische Ufer retten. In der Bundesrepublik arbeitete Andreas Kieling als Förster und Jäger, bis seine Karriere als Naturfilmer begann.
Und in der Natur ist dieser Mann zu Hause. Wenn das Buch auch bei Ortsbeschreibungen ein wenig schwächelt, weil es sich da wie ein Reiseführer liest, wird es richtig spannend, wenn es in den Wald, in Moore oder ans Flussufer geht. Kieling beobachtet genau und kann gut gelaunt, begeisternd und anekdotenreich erzählen. Er vermittelt ein eindringliches Naturerlebnis, dazu jede Menge Fakten über die Lebensformen und -räume heimischer Tiere. So erfährt man, wie junge Eisvögel in der Bruthöhle gefüttert werden (sie stellen sich in Reihe auf, jeder erhält sein Futter und stellt sich dann wieder hinten an), wie in der Jägersprache die Ohren von Tieren heißen (der Hase hat Löffel, der Fuchs ein Gehör, das Rotwild Lauscher und das Wildschwein Teller), warum aus Bambi nie ein Hirsch werden konnte (weil Rehe und Hirsche zwar miteinander verwandt, aber nicht dieselbe Tierart sind), was Löwenzahnwiesen bedeuten (zuviel Stickstoff im Boden = Überdüngung) und wie die Lebenswanderung des europäischen Aals abläuft.
Kieling erklärt, wie er sich an Birkhähne anpirscht, wo die Chance am größten ist, einen Luchs zu beobachten, und beschreibt, wie er mit seinem Hund auf der Lauer liegt oder sich über eine frisch gefangene und gebratene Forelle aus einem Bergbach freut. Als Leser begleitet man ihn bei alldem mit Vergnügen und ein wenig Neid: Man wäre gern mitgewandert.
Besprochen von Günther Wessel
Andreas Kieling mit Sabine Wünsch, Ein deutscher Wandersommer. 1400 Kilometer durch unsere wilde Heimat
Malik Verlag, München 2011
304 Seiten, 22,95 Euro
Kielings Wanderung beginnt bei Mödlareuth, einem Dorf, durch das der Tannbach fließt. Der ist gerade mal einen Meter breit, bildete aber im 16. Jahrhundert die Grenze zwischen der Markgrafschaft Bayreuth und der Grafschaft Reuß-Schleiz und nach Ersten Weltkrieg die zwischen dem Freistaat Bayern und dem Land Thüringen. Eine Grenze, die Jahrhunderte lang niemanden interessierte, bis 1945 Bayern, also der Westteil Mödlareuths, in der amerikanischen, der Ostteil aber in der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR lag. Die Mauer führte jahrzehntelang mitten durchs Dorf.
Kieling wuchs nicht weit entfernt, in Thüringen, auf. Als 16-Jähriger flüchtete er aus der DDR. Er reiste in die damalige Tschechoslowakei, überwand dort den Grenzzaun, sprang in die Donau, wurde zwar von Grenzern in den Rücken geschossen, konnte sich aber ans österreichische Ufer retten. In der Bundesrepublik arbeitete Andreas Kieling als Förster und Jäger, bis seine Karriere als Naturfilmer begann.
Und in der Natur ist dieser Mann zu Hause. Wenn das Buch auch bei Ortsbeschreibungen ein wenig schwächelt, weil es sich da wie ein Reiseführer liest, wird es richtig spannend, wenn es in den Wald, in Moore oder ans Flussufer geht. Kieling beobachtet genau und kann gut gelaunt, begeisternd und anekdotenreich erzählen. Er vermittelt ein eindringliches Naturerlebnis, dazu jede Menge Fakten über die Lebensformen und -räume heimischer Tiere. So erfährt man, wie junge Eisvögel in der Bruthöhle gefüttert werden (sie stellen sich in Reihe auf, jeder erhält sein Futter und stellt sich dann wieder hinten an), wie in der Jägersprache die Ohren von Tieren heißen (der Hase hat Löffel, der Fuchs ein Gehör, das Rotwild Lauscher und das Wildschwein Teller), warum aus Bambi nie ein Hirsch werden konnte (weil Rehe und Hirsche zwar miteinander verwandt, aber nicht dieselbe Tierart sind), was Löwenzahnwiesen bedeuten (zuviel Stickstoff im Boden = Überdüngung) und wie die Lebenswanderung des europäischen Aals abläuft.
Kieling erklärt, wie er sich an Birkhähne anpirscht, wo die Chance am größten ist, einen Luchs zu beobachten, und beschreibt, wie er mit seinem Hund auf der Lauer liegt oder sich über eine frisch gefangene und gebratene Forelle aus einem Bergbach freut. Als Leser begleitet man ihn bei alldem mit Vergnügen und ein wenig Neid: Man wäre gern mitgewandert.
Besprochen von Günther Wessel
Andreas Kieling mit Sabine Wünsch, Ein deutscher Wandersommer. 1400 Kilometer durch unsere wilde Heimat
Malik Verlag, München 2011
304 Seiten, 22,95 Euro