Löhrmann: Bund und Länder müssen bei Bildung kooperieren
Sylvia Löhrmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Schule und Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen, hat sich gegen das Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildung ausgesprochen. Löhrmann sagte, sie sei für eine gesamtstaatliche Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen, "damit wir die Zukunftsaufgabe Bildung auch im Bereich Schule gemeinschaftlich angehen und gemeinschaftlich stärken".
Jörg Degenhardt: Über die Schule in Deutschland lässt sich immer wieder trefflich streiten, wer darf worüber bestimmen? Jetzt ist ein neuer Stein ins Wasser geworfen worden, mit einem Staatsvertrag wollen Bayern, Niedersachsen und Sachsen die Qualität der Bildung deutschlandweit sichern und Lehrkräften und Familien den Wechsel in ein anderes Bundesland erleichtern. Das klingt doch nicht schlecht, wer hat schon etwas gegen mehr Mobilität? Trotzdem gibt es Kritik, auch aus Düsseldorf.
Die Ministerin für Schule und Weiterbildung und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann von den Grünen, ist jetzt für uns am Telefon. Guten Morgen, Frau Löhrmann!
Sylvia Löhrmann: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Neu ist die Zusammenarbeit der Länder im Bildungsbereich zwar nicht, Sie sind gleichwohl dagegen. Warum?
Löhrmann: Nein, ich bin überhaupt nicht gegen Zusammenarbeit, aber die Frage des Weges ist ja entscheidend. Und das, was gestern die drei Länder vorgelegt haben, ist nun wahrlich nichts Neues, weil, alles, was dort jetzt im Staatsvertrag geregelt werden soll, haben wir durch Beschlüsse der Kultusministerkonferenz schon getan. Nämlich Bildungsstandards für die Sekundarstufe eins, im Oktober letzten Jahres einvernehmlich übrigens immer, Abschlussvergleichbarkeit, was das Abitur angeht. Insofern ist das aus meiner Sicht ein Ablenkungsmanöver, soll vielleicht Herrn Spaenle im Wahlkampf noch ein bisschen helfen, aber es sind ja noch nicht mal alle CDU-geführten Bundesländer dabei. Das wirft schon ein entsprechendes Licht darauf.
Wir haben die Dinge geklärt und geregelt, man muss allerdings im Schulbereich wissen: Ein Beschluss sichert noch keine Umsetzung, und Herr Spaenle will ja vermeintlich den Bildungsföderalismus stärken, aber dann könnte er ja letztlich nach einem Bundesgesetz rufen, das das alles regelt. Und da bin ich ausdrücklich dagegen. Ich bin aber für mehr Kooperation und für eine gesamtstaatliche Verantwortung von Bund, Ländern und den so wichtigen Gemeinden hier zum Beispiel bei uns in Nordrhein-Westfalen, damit wir die Zukunftsaufgabe Bildung auch im Bereich Schule gemeinschaftlich angehen und gemeinschaftlich stärken.
Degenhardt: Ganz kurz zur Erklärung, Herr Spaenle, das ist der zuständige Minister im Freistaat Bayern. Und Sie wollen sich also künftig von Berlin, vom Bund aus in die Schulpolitik hineinregieren lassen?
Löhrmann: Das will ich dezidiert auch nicht, sondern es geht darum, dass etwas möglich ist, was es früher ja schon gegeben hat. Und da gab es auch die Bildungshoheit, zum Beispiel ein Ganztagsausbauprogramm. Das hatte Rot-Grün gemacht, vier Milliarden Euro, damit ist der Ganztagsausbau in den Ländern massiv unterstützt worden. Und zwar nicht, indem etwa der Bund jetzt die Lehrer bezahlt, darum geht es gar nicht, aber der Bund hat Ressourcen für die Gebäudeumbauten gegeben, wir haben jetzt das Thema Inklusion, das hat sogar der Bund beschlossen, die UN-Behindertenrechtskonvention, also gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Handicap. Das ist auch eine sozialpolitische Frage, ob wir und wie wir Kindern Zugang zu Bildung ermöglichen und wie wir den verbessern. Und da sollte der Bund in die Verantwortung, indem er etwa Integrationshelfer bezahlt.
Die Frage des Bildungs- und Teilhabepakets hat uns beschäftigt, auch in der Kultusministerkonferenz, es ist doch absurd, dass der Bund jetzt Geld gibt auf Umwegen für Lernförderung und Geld in private Nachhilfeinstitute fließt, weil der Bund nicht direkt etwa Schulsozialarbeit bezahlen kann! Darum geht es, um die sozial- und integrationspolitische Dimension, die Schule heute hat, die sie vor 50, 60 Jahren gar nicht hatte, als wir die Republik gegründet haben. Darum geht es, und nicht, dass der Bund die Schulgesetze macht. Die machen wir gerne selber und ich möchte nicht, dass Frau Merkel und Herr Rösler unsere Schulgesetze machen.
Degenhardt: Was ich dann nicht verstehe, Frau Löhrmann: Das Kooperationsverbot ist doch gerade erst gewissermaßen von der Großen Koalition, 2006 war das, glaube ich, beschlossen worden!
Löhrmann: Ja.
Degenhardt: Sicherlich nicht gedankenlos?
Löhrmann: Das war damals eine Debatte, es wird alles besser, wenn jetzt die Länder das eine ganz machen und der Bund macht das andere ganz und die Kommunen machen das ganz. Das war großkoalitionär, da sehen wir, was wir haben von der Großen Koalition. Frau Schavan hat sich ja vorsichtig distanziert, hat es jetzt für den, will es für den Hochschulbereich lockern. Da sage ich, es geht nicht um Eliteuniförderung, sondern es geht um den Acker, den wir bestellen müssen, nicht einzelne Orchideen, weil die Bildung ja viel mehr ist. Und die SPD bereut, glaube ich, diesen Schritt sehr und erkennt und räumt ein, dass das ein großer Fehler war. Die Grünen waren damals dagegen und ich als Landesministerin habe immer gesagt, Schulgesetze auf Landesebene, viel Freiheit für die Schulen, viel Freiheit für die Kommunen in der Gestaltung, aber die sozialpolitische, integrationspolitische Dimension von Bildung, die muss auch vom Bund gestärkt werden.
Degenhardt: Der GEW-Vorsitzende Herr Thöne, der möchte gleich einen verfassungsrechtlichen Rahmen, der mehr Kooperation zwischen Bund und Ländern in der gesamten Bildungspolitik zulässt. Würden Sie auch so weit gehen wie er?
Löhrmann: Das kommt ja immer darauf an, wie man das setzt. Witzigerweise haben wir ja in vielen Bereichen auch Kooperationen, die dann aber immer sehr umständlich sind. Also, wie gesagt, das Bildungs- und Teilhabepaket ist da wirklich ein sehr bürokratisches Beispiel und man könnte das einfacher haben. Im Bereich Kita haben wir Kooperationen, im Bereich Hochschule haben wir auch bestimmte Kooperationen, es geht jetzt erst mal darum, dass wir eine rechtlich saubere Möglichkeit finden, Bund und Länder gemeinsam, weil wir Zweidrittelmehrheiten brauchen, um auch Kooperation und Unterstützung im Bereich Schule möglich zu machen. Und ich sage noch mal die Hauptstichworte, das ist das Thema Ganztag und das ist das Thema Inklusion und das ist das Thema geordnete Unterstützung in der sozialen Frage, wenn Kinder von Bildung benachteiligt sind, weil sie in prekären Situationen leben und aufwachsen.
Degenhardt: Die Ministerin für Schule und Weiterbildung und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann von den Grünen. Frau Löhrmann, ich bedanke mich für das Gespräch!
Löhrmann: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Ministerin für Schule und Weiterbildung und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann von den Grünen, ist jetzt für uns am Telefon. Guten Morgen, Frau Löhrmann!
Sylvia Löhrmann: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Neu ist die Zusammenarbeit der Länder im Bildungsbereich zwar nicht, Sie sind gleichwohl dagegen. Warum?
Löhrmann: Nein, ich bin überhaupt nicht gegen Zusammenarbeit, aber die Frage des Weges ist ja entscheidend. Und das, was gestern die drei Länder vorgelegt haben, ist nun wahrlich nichts Neues, weil, alles, was dort jetzt im Staatsvertrag geregelt werden soll, haben wir durch Beschlüsse der Kultusministerkonferenz schon getan. Nämlich Bildungsstandards für die Sekundarstufe eins, im Oktober letzten Jahres einvernehmlich übrigens immer, Abschlussvergleichbarkeit, was das Abitur angeht. Insofern ist das aus meiner Sicht ein Ablenkungsmanöver, soll vielleicht Herrn Spaenle im Wahlkampf noch ein bisschen helfen, aber es sind ja noch nicht mal alle CDU-geführten Bundesländer dabei. Das wirft schon ein entsprechendes Licht darauf.
Wir haben die Dinge geklärt und geregelt, man muss allerdings im Schulbereich wissen: Ein Beschluss sichert noch keine Umsetzung, und Herr Spaenle will ja vermeintlich den Bildungsföderalismus stärken, aber dann könnte er ja letztlich nach einem Bundesgesetz rufen, das das alles regelt. Und da bin ich ausdrücklich dagegen. Ich bin aber für mehr Kooperation und für eine gesamtstaatliche Verantwortung von Bund, Ländern und den so wichtigen Gemeinden hier zum Beispiel bei uns in Nordrhein-Westfalen, damit wir die Zukunftsaufgabe Bildung auch im Bereich Schule gemeinschaftlich angehen und gemeinschaftlich stärken.
Degenhardt: Ganz kurz zur Erklärung, Herr Spaenle, das ist der zuständige Minister im Freistaat Bayern. Und Sie wollen sich also künftig von Berlin, vom Bund aus in die Schulpolitik hineinregieren lassen?
Löhrmann: Das will ich dezidiert auch nicht, sondern es geht darum, dass etwas möglich ist, was es früher ja schon gegeben hat. Und da gab es auch die Bildungshoheit, zum Beispiel ein Ganztagsausbauprogramm. Das hatte Rot-Grün gemacht, vier Milliarden Euro, damit ist der Ganztagsausbau in den Ländern massiv unterstützt worden. Und zwar nicht, indem etwa der Bund jetzt die Lehrer bezahlt, darum geht es gar nicht, aber der Bund hat Ressourcen für die Gebäudeumbauten gegeben, wir haben jetzt das Thema Inklusion, das hat sogar der Bund beschlossen, die UN-Behindertenrechtskonvention, also gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Handicap. Das ist auch eine sozialpolitische Frage, ob wir und wie wir Kindern Zugang zu Bildung ermöglichen und wie wir den verbessern. Und da sollte der Bund in die Verantwortung, indem er etwa Integrationshelfer bezahlt.
Die Frage des Bildungs- und Teilhabepakets hat uns beschäftigt, auch in der Kultusministerkonferenz, es ist doch absurd, dass der Bund jetzt Geld gibt auf Umwegen für Lernförderung und Geld in private Nachhilfeinstitute fließt, weil der Bund nicht direkt etwa Schulsozialarbeit bezahlen kann! Darum geht es, um die sozial- und integrationspolitische Dimension, die Schule heute hat, die sie vor 50, 60 Jahren gar nicht hatte, als wir die Republik gegründet haben. Darum geht es, und nicht, dass der Bund die Schulgesetze macht. Die machen wir gerne selber und ich möchte nicht, dass Frau Merkel und Herr Rösler unsere Schulgesetze machen.
Degenhardt: Was ich dann nicht verstehe, Frau Löhrmann: Das Kooperationsverbot ist doch gerade erst gewissermaßen von der Großen Koalition, 2006 war das, glaube ich, beschlossen worden!
Löhrmann: Ja.
Degenhardt: Sicherlich nicht gedankenlos?
Löhrmann: Das war damals eine Debatte, es wird alles besser, wenn jetzt die Länder das eine ganz machen und der Bund macht das andere ganz und die Kommunen machen das ganz. Das war großkoalitionär, da sehen wir, was wir haben von der Großen Koalition. Frau Schavan hat sich ja vorsichtig distanziert, hat es jetzt für den, will es für den Hochschulbereich lockern. Da sage ich, es geht nicht um Eliteuniförderung, sondern es geht um den Acker, den wir bestellen müssen, nicht einzelne Orchideen, weil die Bildung ja viel mehr ist. Und die SPD bereut, glaube ich, diesen Schritt sehr und erkennt und räumt ein, dass das ein großer Fehler war. Die Grünen waren damals dagegen und ich als Landesministerin habe immer gesagt, Schulgesetze auf Landesebene, viel Freiheit für die Schulen, viel Freiheit für die Kommunen in der Gestaltung, aber die sozialpolitische, integrationspolitische Dimension von Bildung, die muss auch vom Bund gestärkt werden.
Degenhardt: Der GEW-Vorsitzende Herr Thöne, der möchte gleich einen verfassungsrechtlichen Rahmen, der mehr Kooperation zwischen Bund und Ländern in der gesamten Bildungspolitik zulässt. Würden Sie auch so weit gehen wie er?
Löhrmann: Das kommt ja immer darauf an, wie man das setzt. Witzigerweise haben wir ja in vielen Bereichen auch Kooperationen, die dann aber immer sehr umständlich sind. Also, wie gesagt, das Bildungs- und Teilhabepaket ist da wirklich ein sehr bürokratisches Beispiel und man könnte das einfacher haben. Im Bereich Kita haben wir Kooperationen, im Bereich Hochschule haben wir auch bestimmte Kooperationen, es geht jetzt erst mal darum, dass wir eine rechtlich saubere Möglichkeit finden, Bund und Länder gemeinsam, weil wir Zweidrittelmehrheiten brauchen, um auch Kooperation und Unterstützung im Bereich Schule möglich zu machen. Und ich sage noch mal die Hauptstichworte, das ist das Thema Ganztag und das ist das Thema Inklusion und das ist das Thema geordnete Unterstützung in der sozialen Frage, wenn Kinder von Bildung benachteiligt sind, weil sie in prekären Situationen leben und aufwachsen.
Degenhardt: Die Ministerin für Schule und Weiterbildung und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann von den Grünen. Frau Löhrmann, ich bedanke mich für das Gespräch!
Löhrmann: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.