Angriffe auf Lokalpolitiker
Farbanschlag auf ein Bürgerbüro: Laut Andreas Blätte sind Attacken auf Lokalpolitiker ein gesamtdeutsches Problem. © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Hetze, Gewalt und Morddrohungen
06:18 Minuten
Viele Lokalpolitiker werden laut einer neuen Studie bedroht und angegriffen. Zu bestimmten Themen äußern sie sich deshalb nicht mehr frei. "Die Qualität der Demokratie hat angefangen zu leiden", sagt der Politologe Andreas Blätte.
Rund 60 Prozent der Kommunalpolitikerinnen und -politiker in deutschen Großstädten erleben einer neuen Studie zufolge bei der Ausübung ihres Amts Anfeindungen und Aggressionen. Knapp fünf Prozent der Befragten hat demnach deshalb bereits daran gedacht, sich aus der Politik zurückzuziehen.
Autor der Studie für die Heinrich-Böll-Stiftung ist der Politikwissenschaftler Andreas Blätte von der Universität Duisburg-Essen. Anfeindungen, Hetze und Angriffe seien Teil des politischen Alltags auf kommunaler Ebene geworden, betont er.
Gehört Gewalt einfach so dazu?
Erstaunlich dabei: Neun von zehn Mandatsträger wollen trotzdem in der Politik bleiben. "Viele sagen, das gehört zum Geschäft dazu", berichtet Blätte.
Zugleich gaben allerdings viele der Befragten auch an, sie könnten sich nicht mehr frei zu politischen Themen äußern. "Die Qualität der Demokratie hat längst angefangen zu leiden", sagt der Politologe.
Mandatsträger aus niedrigen Gesellschaftsschichten werden der Studie häufiger körperlich bedrängt oder angegriffen als solche aus der Mittel- und Oberschicht. "Rassismus, sexualisierte Gewalt und Klassismus - das ist alles da", so Blätte. Gerade Frauen und politisch Engagierte mit Migrationshintergrund verstummten zunehmend.
Für die Studie „Vielfältige Repräsentation unter Druck: Anfeindungen und Aggressionen in der Kommunalpolitik“ wurden 6.412 Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger in 77 Großstädten kontaktiert. 2.166 Personen füllten den Angaben zufolge den Fragebogen vollständig aus.
Über hundert der Befragten gaben an, auch schon Morddrohungen erhalten zu haben. Die meisten Anfeindungen und Aggressionen gibt es laut der Umfrage bei persönlichen Begegnungen. Danach folgen die sozialen Netzwerke und Briefe. Bei 10,8 Prozent der Fälle handelte es sich um Sachbeschädigung, bei 9,6 Prozent um Angriffe.
Ein gesamtdeutsches Problem
Laut Blätte sind die Attacken auf Lokalpolitiker ein gesamtdeutsches Problem und kein Phänomen der ostdeutschen Bundesländer. "Ausgeprägte Bedrohungslagen" gebe es auch in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und anderswo, betont er. "Das Problem ist in der Breite angekommen."
(ahe/epd)