Design Museum bekommt neues Zuhause
97 Millionen Euro hat es gekostet und soll jährlich 600.000 Besucher begeistern: Das neue Design Museum, das nun in London eröffnet wird. Für seinen Gründer geht ein Wunschtraum in Erfüllung.
Mit der Neueröffnung des Designmuseums in Kensington geht für dessen Gründer, Sir Terence Conran, ein Wunschtraum in Erfüllung. Wieder mal.
Entsprechend gerührt zeigte sich der 85-Jährige beim PR-Termin letzten Donnerstag im Members' Room des neuen Hauses - abseits des Medienrummels draußen auf den Fluren.
Für ihn sei es der größte Tag seines Lebens. Er könne es kaum fassen: "Endlich ist es so weit! Das Ding ... steht ... tatsächlich!"
Seit 1989 hatte das Designmuseum sein Domizil am Themseufer zwischen Tower und London Bridge: in einem ausgedienten Bananenlager, das Conran zur Galerie umbauen ließ.
Davor - ganz zu Beginn Anfang der Achtzigerjahre - führte es ein Schattendasein in der damals noch einzigen Designschatzkammer Londons: im "Boiler-house" im Kellergeschoss des Victoria and Albert Museum.
Und jetzt also - nach fünf Jahren Bauzeit plus fast drei Jahren Verspätung - die letzte Metamorphose des Museums: der Einzug ins ehemalige Commonwealth-Institut an der Kensington High Street. Das Gebäude steht seit seiner Einweihung 1962 unter Denkmalschutz ...
"... und es stand seit zehn Jahren leer" sagt der für den Innenumbau des Instituts zuständige Architekt John Pawson. "Das Entscheidende waren die Form und unglaubliche Ausstrahlung und Präsenz des Gebäudes, vor allem die hoch aufragende Eingangshalle und das Dach. Beides galt es zu erhalten."
Design soll zum Nachdenken anregen
Auf seinen drei Etagen verströmt der neue Innenhof - selbst bei stärkstem Gedränge - eine fast schon gemütliche Atmosphäre. Hier herrscht ein Grundton des Understatement, der Nähe und Vertrautheit und der gewollten Intimität.
Treppen und Wandelgänge umrahmen die Eingangshalle, die bis unters Dach ragt. Von unten wie von oben mutet dieses Atrium an wie ein Konzert- oder Theatersaal. Und man spürt: Was immer hier geboten wird, geht jeden an. Dazu Museumsdirektor Deyan Sudjic:
"Genau das wollen wir: anregen zum Nachdenken über Design. Geht's da nur um Luxus und teuren Stil? Nein, es geht zum Beispiel auch um Technologie, ihren Nutzen und ihre Gefahren. Es geht um Fertigungsprozesse und darum, inwiefern Design unser Selbstverständnis und Leben beeinflusst."
Erstmals in der Geschichte des Museums ist der Einblick in die eigene Sammlung künftig frei. Unter dem Titel Designer Maker User zeigt die Dauerausstellung Ikonen britischer und internationaler Her-kunft: Straßenschilder; Henry Charles Becks Ur-Entwurf für das Streckennetz der Londoner U-Bahn aus dem Jahr 1931; eine Kalaschnikow AK-47; den TPs-L2-Walkman von Sony und vieles mehr. Das Gros der Exponate ist hinlänglich bekannt.
Spannender ist das, womit die Sonderschau anlässlich der Neueröffnung aufwartet: Fear and Love - Reactions to a Complex World.
Internationale Designerinnen und Designer variieren hier ein Thema: das Spannungsfeld zwischen den vermeintlich harmlosen Segnungen technologischer Innovation und den dahinter drohenden Gefahren. Dazu nur ein Beispiel.
Die Amerikanerin Madeline Gannon ließ "Mimus", einen tonnenschweren Industrieroboter umprogrammieren. Das einarmige Ungeheuer steht hinter Glas und reagiert -gesteuert von Kameras an der Decke - auf jede Bewegung des Betrachters. Nur eines nervt "Mimus": Stillstand und der direkte Blickkontakt mit dem Zyklopenauge.
Das Werbeplakat zur Eröffnung zeigt das Museum von oben: seine im spitzen Winkel aufeinander zulaufenden Fensterfassaden und darüber die für ihre Zeit revolutionäre Dachkonstruktion mit ihren zwei langgestreckten, parabelförmigen Flügeln.
Die einen erkennen darin ein aufgeklapptes Falt-schiffchen, andere einen riesen Mantarochen. Überschrieben ist das ganze mit dem Slogan "The museum that never closes is now open".
Man setze damit ein klares Signal, sagt Sudjic: auch und gerade in Richtung Politik und Brexit. "Wir sagen: Britannien ist offen, London ist offen, Design kennt keine Grenzen. Eines wollen wir nicht: den Rückfall in einen Provinzialismus, der Angst hat vor der Welt da draußen."