Cocktails im Luftschutzbunker
Viele Briten sehen gern auch mal die ernstesten Dinge schräg-locker. Kein Wunder, dass in London ein Club in einem ehemaligen Luftschutzbunker gut ankommt. Dort gibt es Cocktails auf Sandsäcken im schummrigen Licht.
Der Wegweiser in der schmalen Gasse gleich neben der Carnaby Street ist unauffällig, sieht aber verdammt echt aus: "To the trains" – zu den Zügen. Daneben eine Gittertür wie vor einer U-Bahn-Station. Ein blonder Tourist schaut sich fragend um: "Ist das hier eine stillgelegte U-Bahn-Station?" Es passiert nämlich wirklich ab und zu mal, dass Touristen meinen, sie könnten hier in die Züge der Bakerloo-Line einsteigen, lacht Danni Bluston vom Cahoots Club. Kein Club-Namensschild, nichts deutet von außen darauf hin, dass hier im Keller Cocktails gemixt werden. Das soll es geheimnisvoll machen:
"Wir mögen es, wenn die Leute sich etwas verirren, bevor wir sie in unsere versteckte Welt hinunterführen."
Der Keller ist gekachelt wie eine alte U-Bahn-Station. Am Ticketschalter löst man eine Fahrkarte, im Fundbüro gibt man den Mantel ab. Und taucht ab in den Swing der Vierzigerjahre.
Der Raum rund um die Bar ist eingeteilt in zwei U-Bahn-Waggons und einen Bahnsteig. Sitzbänke mit den typischen karierten Sitzbezügen aus der Tube. In der Mitte kleine Sitzgruppen mit zusammengewürfelten Möbeln zwischen Sandsackstapeln. Es sieht aus, als hätten es sich Menschen während des Krieges in einer ausgedienten U-Bahnstation möglichst gemütlich gemacht:
"Hier gab es in den 40er-Jahren wirklich einen Luftschutzkeller. Wir haben Bilder davon gefunden. Und es war ziemlich bewegend zu sehen, dass viele Leute trotz der schlimmen Situation wirklich fröhlich guckten. Sie wussten nie, wie lange sie hier unten bleiben mussten und brachten Plattenspieler, Musikinstrumente oder Alkohol vom Schwarzmarkt mit, um sich und die anderen zu unterhalten."
"Toll, diese alte Uhr auf dem Tisch"
Der Alkohol in den Cocktails, die heute im Cahoots gemixt werden, stammt aus legalen Quellen, versichert Danni Bluston. Die Namen der Drinks erinnern natürlich auch an die Ära der 40er-Jahre. Und manche Mischungen enthalten Zutaten, die die Menschen damals zum Essen mit in den Bunker brachten:
"Die Siegesschaukel besteht aus Wodka, Rote-Beete-Saft und einem Brühwürfel. Kling irre, ist aber lecker."
Mit dem Brühwürfel kann man Besucherin Emma nicht kommen. Sie bevorzugt den Gin-Cocktail "Station Clock", der am Tisch aus einer großen antiken Uhr heraus serviert wird – zum Teilen mit Freunden:
"Toll, diese alte Uhr auf dem Tisch zu haben."
Emma arbeitet in der Nähe und kommt nach Feierabend gern mit den Kollegen ins Cahoots:
"Ich mag, wie verschroben der Club ist, einfach völlig anders. Die detailverliebte Einrichtung ist großartig. Und die Drinks natürlich auch!"
Bei allem Charme der Vierzigerjahre, den Drinks, der Musik, den Kellnerinnen in gepunkteten Hot Pants mit Schleifen im Haar – ist es nicht etwas fragwürdig aus einem Stück Kriegsgeschichte eine fröhliche Cocktail-Bar zu machen?
"Wir sind sehr sensibel mit dieser Frage umgegangen und haben diese Bar extra auf das Jahr 1946 ausgerichtet, auf die Nachkriegszeit. Denn da haben die Menschen sich immer noch in den ausgedienten Bunkern heimlich zum Trinken getroffen. Wir wollen auf keinen Fall irgendwie den Krieg glorifizieren. Aber wir wollen an den Geist erinnern, der die Menschen damals in der schweren Zeit zusammenbrachte: Ruhe bewahren und weitermachen."