Lone Frank: "Liebe. Vom Höchsten der Gefühle"
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Auf der Suche nach der Liebesformel
05:39 Minuten
Lone Frank
Aus dem Dänischen von Kerstin Schöps
Liebe. Vom Höchsten der GefühleKein & Aber, Zürich 2023374 Seiten
25,00 Euro
Lässt sich herausfinden, was Liebe ist? Lone Frank sucht nach der Formel für eines der wichtigsten Gefühle der Menschheit. Evolutionsbiologen, Neurowissenschaftler, Biochemiker, Genetiker, Psychologen und Anthropologen kommen zu Wort. Unser Fazit: Packend!
Dass man liebt, macht man sich selten bewusst. Nur in Extremen rückt es in den Fokus: bei großen Glücksgefühlen etwa oder wenn Liebe schmerzt. Bei Lone Frank war es der Tod des Lebensgefährten, der zum Nachdenken geführt hat. Ihre Liebe sei plötzlich heimatlos geworden, schreibt die Wissenschaftsjournalistin. Was folgte, war Leere. Nur zu füllen mit dieser Spurensuche: Was eigentlich ist Liebe?
Drei Erzählebenen verwebt
Lones Ziel ist von Anfang an: Allgemeingültige Aussagen finden, Universelles entdecken – jenseits subjektiver Beschreibungen, wie man sie von Philosophen oder Dichtern kennt. Und das gelingt ihr mit Bravour. Drei Ebenen bringt die studierte Neurobiologin in ihrem Buch zusammen: Eigene Erlebnisse, die Analyse ihrer Erfahrungen mithilfe eines Psychotherapeuten und Daten aus der Forschung.
Erstaunlich, was die Wissenschaft entdeckt hat! Evolutionsbiologen, Neurowissenschaftler, Biochemiker, Genetiker, Psychologen und Anthropologen – sie alle tragen bei zu dem Bild, das Lone Frank puzzleartig zusammensetzt. Angefangen bei den Ursprüngen der Liebe vor rund 500.000 Jahren. Grund war das menschliche Gehirn, das mehr Nahrung brauchte, als vor Ort zu finden war. Deshalb wurden – bis dahin ungebundene – Männer zu „Vätern auf Zeit“ und jagten für den Nachwuchs Nahrung. „Die Liebes-App war installiert.“
Liebe lässt sich messen
Das Gehirn ist auch der Ort, wo sich Liebe messen lässt. Etwa anhand des Hormons Oxytocin, dessen Ausschüttung den Bindungsdrang erhöht. Aber auch Gene verraten, wie jemand liebt. Menschen, die sich für ein Leben als „Junggesellen“ entscheiden, haben wegen einer Mutation weniger Vasopressin gebildet, ein Hormon, das für die Partnerwahl wichtig ist.
Wie wenig man im Angesicht von Evolution und Biologie tatsächlich selbst in der Hand hat, wenn es um Liebe geht, ist eine zentrale Erkenntnis des Buches. Die sich auch darin äußert, dass der Mensch meist falsch liegt in der Einschätzung darüber, wer zu ihm passt. Lone Frank nennt es „fehlende romantische Selbsterkenntnis“. Entgegen jeder Träumerei sucht man statistisch gesehen nämlich vor allem nach seinesgleichen – sozial und genetisch.
Willenlos der Natur ausgeliefert?
Sind wir also willenlos der Natur ausgeliefert? Man muss deren Mechanismen verstehen, um eventuell etwas ändern zu können, hält Lone Frank dagegen. Wie das gehen kann, beweist sie brillant, indem sie ihre eigene Geschichte immer wieder überraschend tabulos in ihren Text einfließen lässt. Nicht nur der Verlust des Lebenspartners oder die enge Beziehung zum ebenfalls verstorbenen Vater sind Thema. Es geht auch um ihre trostlose Jugend, Schuldgefühle der Mutter gegenüber, die sie weniger geliebt hat als den Vater, wie auch um die Frage, ob sie überhaupt je lieben wird.
Packend, wie sie vor dem Hintergrund der vielen Forschungsdaten mit dem Therapeuten um Klarheit über ihr eigenes Liebesleben ringt. In den klugen Analysegesprächen, die sie detailliert wiedergibt, kristallisiert sich dann die wichtigste Botschaft heraus: Lieben kann man lernen, wenn man die Vergangenheit akzeptiert und ein Grundwissen über die Liebe erwirbt. Dieses phantastische Buch bietet sich dafür bestens an.