Longlist

Unsere Kandidaten für den Deutschen Buchpreis

Ein Vater liest in Frankfurt am Main ein Buch in einer Hängematte im Günthersburgpark. Vor ihm spielt seine kleine Tochter im Schatten der Bäume.
Wo liest man besten ein gutes Buch? Dieser Leser hat sich für die Hängematte entschieden. © picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst
Kolja Mensing im Gespräch mit Nana Brink |
Am Mittwoch, 19. August, um 11 Uhr wird die Longlist für den Deutschen Buchpreis bekanntgegeben: 20 deutschsprachige Romane, von denen die Jury glaubt, dass sie zum Besten gehören, was in diesem Jahr auf den Markt gekommen ist. Wir haben eine eigene Longlist zusammengestellt.
Damit kann das Spiel beginnen: Buchhändler und Buchhändlerinnen dekorieren Longlist-Schaufenster, Literaturkritiker und Literaturkritikerinnen streiten erbittert über Auswahl, Verlage hoffen auf dicke Umsätze mit den nominierten Titeln. Der Preis wird vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels immer zu Beginn der Frankfurter Buchmesse vergeben. Die Gewinnerin oder der Gewinner erhalten 25.000 Euro.
Die Lesart-Redaktion hat sich vorab schon mal ein paar eigenen Gedanken gemacht und eine eigene Liste mit 20 Titeln zusammengestellt, mit Büchern, über die wir diskutiert haben oder in den nächsten Wochen diskutieren werden. Einen Preis haben wir nicht zu vergeben, aber dafür jede Menge Empfehlungen. All killer, no filler: Das hier sind unsere Kandidaten für den besten deutschsprachigen Roman des Jahres!
Ursula Ackrill im Gespräch beim "Bücherfrühling" von Deutschlandradio Kultur auf der Leipziger Buchmesse 2015
Ursula Ackrill zu Gast beim "Bücherfrühling" von Deutschlandradio Kultur auf der Leipziger Buchmesse 2015© Deutschlandradio / Stefan Fischer
Ursula Ackrill: "Zeiden, im Januar"
Wagenbach, Berlin 2015
256 Seiten, 19,90 Euro
Vergangenes als Gegenwartsgestrüpp, das Alte frisch und neu. Dazu ein ebensolches Deutsch, überkommen aus den rumänischen Dörfern der Schwaben.
Zora del Buono: "Gotthard"
C. H. Beck, München 2015
144 Seiten, 16,95 Euro
Der Gotthard-Tunnel als Sehnsuchtsort, als Arbeitsplatz - und als Auslöser erotischer Allmachtsphantasien.
Jenny Erpenbeck: "Gehen, Ging, Gegangen"
Knaus, München 2015
352 Seiten, 19,99 Euro
Er hört zu, will die Geschichten von afrikanischen Flüchtlingen verstehen, ihren hoffnungslosen Alltag im Wartestand, er liest Gesetzestexte , Verordnungen, Bescheide, lässt sich verwickeln. Vorsichtig nähert sich der emeritierte Professor aus dem ehemaligen Osten dem Widersinn der Politik: ein zutiefst menschlicher Roman, genau zur richtigen Zeit.
Karl Wolfgang Flender: "Greenwash Inc."
DuMont, Köln 2015
392 Seiten, 19,99 Euro
Ein furioser, böser Roman über die Welt des Öko-Marketing . "Greenwash Inc. ist eine glänzend geschriebene Satire in der Tradition von Bret Easton Ellis' "American Psycho" - nur ohne Gewalt!
Porträtfoto der österreichischen Schriftstellerin Valerie Fritsch, die 2015 in Klagenfurt den Publikums- und den Kelag-Preis gewann
Die österreichische Schriftstellerin Valerie Fritsch, die 2015 in Klagenfurt den Publikums- und den Kelag-Preis gewann© dpa / APA / Gert Eggenberger
Valerie Fritsch: "Winters Garten"
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
154 Seiten, 16,95 Euro
Valerie Fritsch gelingt im wahrsten Sinne ein Kunststück, nämlich sprachmächtig zu erzählen wie die großen Romanciers des 19. Jahrhunderts - und trotzdem ein durch und durch zeitgenössisches Buch zu schreiben. Ein Roman über den Verlust eines Garten- und Existenzidylls und das Leben in einer apokalyptischen Gegenwart.
Die rumänisch-schweizerische Autorin Dana Grigorcea beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2015
Die rumänisch-schweizerische Autorin Dana Grigorcea© picture alliance/APA/ Gerd Eggenberger
Dana Grigorcea: "Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit"
Dörlemann, Zürich 2015
220 Seiten, 22 Euro
Der zärtlich-verrückte Bukarest-Roman setzt Erinnern und Vergessen in Szene, begleitet von Schlagern, Jazz, Pop und den Verheißungen des Kinos. Protagonisten aus unterschiedlichen Zeiten bevölkern dieses ebenso klug wie böse, witzig wie traurig erzählte Buch. Melancholische Kindheitserinnerungen gibt es genug. So leichtfüßige gab es bisher nicht.
Katharina Hacker: "Skip"
S. Fischer, München 2015
384 Seiten, 21,99 Euro
"Skip" ist ein realistischer Roman - und zugleich ein metaphysisches Abenteuer: Ein israelischer Architekt begleitet die Seelen Sterbender. Fließend und wie selbstverständlich, poetisch und lebensklug verbindet Katharina Hacker Alltäglichkeiten mit philosophischen Fragen. Sie stellt sich ungeschützt und im Ton intim den Herausforderungen unseres Daseins: Angst, Glück, Liebe und Leid.
Katharina Hartwell: "Der Dieb in der Nacht"
Berlin Verlag. Berlin 2015
320 Seiten, 20 Euro
Das Prag des Golem taugt auch im 21. Jahrhundert als Ort für ziemlich unheimliche Gespenstergeschichten.
Porträtfoto des Schriftstellers Helmut Krausser
Der Schriftsteller Helmut Krausser© imago
Helmut Krausser: "Alles ist gut"
Berlin Verlag, Berlin 2015
240 Seiten, 20 Euro
Endlich mal wieder ein packende Geschichte von Helmut Krausser. Die prekäre Welt eines erfolglosen Komponisten.
Merle Kröger: "Havarie",
Ariadne/Argument, Hamburg 2015
256 Seiten, 15 Euro
Ein Thriller über das Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer. Leider nicht ausgedacht, sondern extrem gut recherchiert. Aktuell. Engagiert. Wichtig.
Ulla Lenze: "Die endlose Stadt"
FVA, Frankfurt 2015
320 Seiten, 19,90 Euro
Istanbul und Mumbai heute: Irritationen und Verstörung in der Fremde, Ausbeutung und Aneignung, Distanz und Nähe. Kunstvoll verwebt Ulla Lenze die Wege zweier Frauen: Die eine fotografiert die Stadt ohne Menschen, die andere ist auf der Suche nach Geschichten.
Joachim Lottmann: "Happy End”
Haffmanns & Tolkemitt
19,95 Euro, 351 Seiten
Lottmann schreibt in diesem Roman – überhaupt nicht nett! - über Literaturpreise und Literaturpreisträger. Definitiv das gemeinste Buch des Jahres.
Gila Lustiger: "Die Schuld der Anderen" (MP3)
Berlin Verlag, München 2015
496 Seiten, 22,99 Euro
"Die Schuld der Anderen" räumt erbarmungslos auf mit der Illusion, dass das Gute irgendwann siegt und ein Menschen zugleich moralisch und mächtig sein kann. Gila Lustiger hat mit Engagement, literarischem Können und präzise recherchierten Fakten einen großen Gesellschaftsroman geschrieben, in dem Frankreich das Modell abgibt für den Zustand europäischer Demokratien in wirtschaftsliberalen Zeiten. "Die Schuld der Anderen, postuliert engagiert eine gerechte Welt - und verhandelt literarisch überzeugend die brennenden Fragen unserer Zeit.
Ursula März: "Für eine Nacht oder fürs ganze Leben. 5 Dates"
Hanser, München 2015
365 Seiten, 19,90 Euro
Ein Stück Doku-Fiction über die Tragikomödie der Online-Partnersuche. Fünf einsamen Menschen ist Ursula März begegnet und erzählt nebenbei auch ihrer eigenen Suche nach dem Glück zu zweit: elegant, witzig, erotisch.
Der Schriftsteller Ulrich Peltzer
Der Schriftsteller Ulrich Peltzer © Deutschlandradio / Manfred Hilling
Ulrich Peltzer: "Das bessere Leben"
S. Fischer, München 2015
448 Seiten, 22,95 Euro
Kein Roman über den Finanzkapitalismus, sondern ein breit aufgefächertes Zustandsprotokoll des globalen Alltags im 21. Jahrhundert: Die Gegenwart ist nicht an einem Ort zu erfassen, sondern nur im globalen Überall der Hotelzimmer, Flughäfen, Restaurants und Stadtlandschaften. Eine spannende Lektüre - wenn man sich nur dem Sog der Sprache überlässt.
Der Schriftsteller Ralf Rothmann bei der Verleihung des Max Frisch-Preises im Schauspielhaus Zürich; Aufnahme vom Oktober 2006
Der Schriftsteller Ralf Rothmann bei der Verleihung des Max Frisch-Preises in Zürich 2006© picture-alliance/ dpa
Ralf Rothmann: "Im Frühling sterben"
Suhrkamp, Berlin 2015
234 Seiten, 19,95 Euro
Grandios, poetisch und zutiefst anrührend: Ralf Rothmann schildert Trauma und Leid eines Mannes, den die Last einer Schuld aus dem Zweiten Weltkrieg nicht loslässt.
Norbert Scheuer: "Die Sprache der Vögel"
C. H. Beck, München 2015
238 Seiten, 19,95 Euro
Familie und Freundschaft, Liebe, Krankheit und Verlust, das moderne Soldatenleben in Afghanistan und die Selbstvergessenheit in der Vogelbeobachtung: Um all das geht es in diesem Roman, der vielschichtig, berührend und überaus poetisch erzählt ist.
Alain Claude Sulzer: "Postscriptum"
Galiani Berlin, Berlin 2015
256 Seiten, 19,99 Euro
Sulzer gehört zu den brillantesten Stilisten der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Sein neuer Roman entwirft ein Epochenbild der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein Muss für jede Longlist.
Stephan Thome: "Gegenspiel"
Suhrkamp, Berlin 2015
464 Seiten, 22,95 Euro
Die Geschichte einer Ehekrise und ein portugiesisches Road-Movie zugleich. Erzählte Thomes vorheriger Roman "Fliehkräfte" diese Episode aus der Sicht des Mannes, kommt nun seine Ehefrau zu Wort. Ein hochkomplexes Spiel wechselseitiger Spiegelungen.
Anne Weber: "Ahnen"
S. Fischer, Frankfurt 2015
272 Seiten, 19,99 Euro
Ein Urgroßvater, der Pfarrer in Posen war, mit Gott haderte und philosophische Texte schrieb: Anne Weber beginnt eine familiäre Spurensuche - und begibt sich auf eine intensive zeitgeschichtliche Reise.
Die Lesart-Longlist wurde zusammengestellt von Katharina Borchardt, Dirk Fuhrig, Carsten Hueck, Ute-Christine Krupp, Jörg Magenau, Kolja Mensing, Jörg Plath, Joachim Scholl, Barbara Wahlster, Dorothea Westphal, Thorsten Jantschek.