Louis Althusser: Einleitung in die Philosophie für Nichtphilosophen
Aus dem Französischen von Christian Leitner
Passagen-Verlag, Wien 2018
328 Seiten, 40,10 Euro
Philosophie als Klassenkampf
Niemand beeinflusste die Marx-Deutung in Frankreich so sehr wie Louis Althusser. Jetzt ist aus seinem Nachlass eine "Einleitung in die Philosophie für Nichtphilosophen" in deutscher Übersetzung erschienen – eine zwiespältige Lektüre.
Althusser erinnere ihn an einen "mittelalterlichen Gelehrten, der sich verzweifelt in seiner phantasierten Begriffswelt zu orientieren versucht" – so schrieb Tony Judt einmal in einem polemischen Essay. Ganz von der Hand weisen lässt sich diese böse Charakterisierung nicht, wenn man die "Einleitung in die Philosophie für Nichtphilosophen" liest, eine aus dem Nachlass herausgegebene Schrift aus den Jahren 1978 bis 1980. Althusser hatte sie – unter dem Eindruck einer "Krise des Kommunismus"– als ein Lehrbuch für Laien konzipiert, in dem er die Philosophie als einen "Klassenkampf in der Theorie" darstellen und die Idee einer "neuen Praxis der Philosophie" auf den Punkt bringen wollte.
Die Philosophie und die Ideologien der herrschenden Klassen
Die Sprache ist klar gehalten, und fast klippschulmäßig einfach beginnt das Buch mit dem großen Gegensatz von idealistischem versus materialistischem Denken. Ihr Antagonismus bilde das notwendige Bewegungsprinzip, das die Philosophie durch ihre Geschichte treibe, wobei keine der beiden Seiten rein sei, jede trage ihr Gegenteil in sich. Als Marxist ist Althusser klar auf der Seite der materialistischen Philosophie, die der Praxis einen Vorrang vor der Theorie einräumt.
Althussers Argumentation wirkt einerseits schematisch, interessant wird es aber, weil er andererseits "Umwege" einbaut, die zeigen, dass die Sache mit den Gegensätzen so einfach nicht ist: Jede Praxis ist vermittelt durch Theorie, jede unserer konkreten Handlungen wurzelt in einem System allgemeiner, gesellschaftlicher Bezüge (der Sprache etwa) und ist durchsetzt mit herrschender Ideologie. Aus ihr gibt es kein Entrinnen. "In der Philosophie wie im Staat geht es um Macht ", schreibt Althusser. Es sei stets die Funktion der Philosophie, die Ideologien der jeweils herrschenden Klassen auszudrücken. Das gelte auch für die proletarische Klasse und ihre politische Ideologie – ihr einziger und wesentlicher Vorteil sei, dass sie um das Gesetz der Klassenkämpfe wisse.
Radikal und historisch teilweise überholt
Seine Überlegungen zur Ideologie und den "ideologischen Staatsapparaten" haben Althusser berühmt gemacht, und sie machen auch die "Einleitung in die Philosophie" noch lesenswert. Obwohl viele der Motive Althussers historisch überholt sind, regt das Buch in seiner politischen Radikalität dazu an, über heutige Ideologien nachzudenken. Hier ist auch vorgeformt, was sich später in den Machttheorien Michel Foucaults oder auch den Sozialanalysen Pierre Bourdieus wiederfinden wird.
Nicht zuletzt ist die Ideologietheorie auch ein querulantisches Element in Althussers Denken selbst, das den unangenehm linientreuen Ton kommunistischer Dogmatik unterspült. Insofern ist die "Einleitung" eine gute Einleitung – nicht in die Philosophie selbst, aber in einige interessante Aspekte der Ideologiekritik und in das Mirakel eines Althusser, der wie ein mittelalterlicher Gelehrter marxistische Scholastik betreibt, sie durch seine wilde Phantasie aber auch immer weiter vorantreibt.